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„Run Hide Fight“ (USA, 2021)

verfasst am 7.Februar 2022 von Markus Haage

„Stirb Langsam“ in der Highschool: Wenn Jugendliche ihre Klassenkameraden massakrieren, darf eine junge Schülerin zur Waffe greifen und zum Gegenangriff übergehen. Eine Prämisse, die in unserem hysterischen Medienzeitalter für viel (unnötigen) Wirbel sorgte.

Offizielle Synopsis: Sie kommen zu viert, sind schwer bewaffnet und nehmen die Schüler in der Cafeteria der texanischen Vernon High School als Geiseln. Wer nicht spurt, wird erschossen. Im Livestream üben der größenwahnsinnige Tristan Voy und seine Handlanger Rache für all die Jahre, die sie von Lehrern und Mitschülern gedemütigt fühlten. Doch bei ihrem blutigen Plan haben sie nicht mit Zoe gerechnet. Die 17-Jährige wird nicht tatenlos mitansehen, wie ihre Freunde und Mitschüler vor laufender Kamera ermordet werden. Sie ergreift nicht die Flucht, sondern ist bereit zu kämpfen!

Nur selten entstehen heutzutage noch Filme, die keine Empörung hervorrufen. Zumindest dann, wenn sie versuchen, jegliche vermeintliche Position zu beziehen. Als Exempel hierfür könnte jeder x-beliebige moderne Franchise-Blockbuster genannt werden. „Run Hide Fight“ (2021) zählte aber sicherlich nicht dazu. Vor Veröffentlichung munkelte man, dass der Independentfilm Teil der neuen konservativen oder libertären Welle im Independentfilm-Bereich sei. Somit (oft falsch dargestellt) dem rechtskonservativen Lager (im US-amerikanischen Sinne) angehörend. Dies lag auch sicherlich daran, dass das Werk seine Premiere auf dem konservativen Netzwerk „The Daily Wire“ feierte, dessen Gründer Ben Shapiro in den USA ein bekannter rechtspopulistischer Talking Head ist, der die Premiere des Films auch ideologisch eingefärbt ankündigte. In einer Video-Botschaft sagte er:

„Wir befinden uns mitten in einem Kulturkrieg. Und die Kultur und alle kulturellen Institutionen werden von den Linken dominiert. […] [Das Problem] ist nicht nur, dass Hollywood von den Linken dominiert wird, sondern dass ihre Werke fast ausschließlich für Linke gemacht werden. […] Ihr braucht eine Alternative. […]“

Somit wurde „Run Hide Fight“ automatisch ein Teil des andauernden Culture Wars innerhalb der USA. Natürlich nicht ganz unschuldig, selbst wenn man den frei gewählten Vertrieb via „The Daily Wire“ beiseite schiebt. Das Werk griff inhaltlich hochemotionale und in den USA heiß diskutierte Themen, wie die School-Shootings oder das Recht auf Waffenbesitz, auf und vermischte sie miteinander. Dass dies anecken wird, wussten die Produzenten selbstredend. Bereits der Titel „Run Hide Fight“ sorgte in bestimmten Kreisen für Empörung, weil er suggerierte, dass Schüler im Falle eines Amoklaufs zurückschlagen sollten, so wie es die Titelheldin des Films letztlich tut. Allerorts wurde vermutet, dass man damit ein rechtskonservatives Narrativ nähren wollte. Zugegeben: nicht ganz zu Unrecht. Nach dem ungeheuerlichen Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School, bei dem zwanzig Grundschulkinder und sechs Lehrer massakriert wurden, war es vor allem die NRA, die dafür plädierte, Lehrkräfte mit Waffen auszustatten oder aber bewaffnete Wachen für Grundschulen einzustellen, damit sich solche Amokläufe nicht mehr wiederholen könnten. Auch Präsident Trump unterstützte Jahre später diese absurde Forderung und brachte sogar Bonuszahlungen für Lehrkräfte ins Spiel, die sich für den alltäglichen Unterricht bewaffnen würden. Die Verknüpfung zwischen der NRA-Propaganda und dem Film (basierend auf dem Werbematerial) war somit zumindest nachvollziehbar. Die traurige Wahrheit ist allerdings, dass der Filmtitel tatsächlich lediglich einen Slogan aufgriff, der an zahlreichen US-Schulen und Universitäten mittlerweile als Oberbegriff eines Sicherheitstrainings verwendet wird. Der Titel „Run Hide Fight“ ist keinerlei Persiflage, sondern schlicht absurde Realität (siehe die „Duck & Cover“-Kampagne an US-Schulen während der 50er-Jahre). Was Europäer irritiert, stellt in den USA letztlich leider lediglich die Norm dar. Eine faire Beurteilung des Films „Run Hide Fight“ kann somit auch nur in diesem Kontext stattfinden. So verstörend, wie es auch erscheinen mag.

Das US-amerikanische Poster.
(© Koch Media GmbH)

Europäische Zuschauer mögen sich dementsprechend bereits über die Prämisse des Films echauffieren und grundsätzlich Unverständnis und Kritik am US-amerikanischen Waffenwahn äußern. Allerdings sei erwähnt, dass dies schlicht die Welt ist, in der der Film stattfindet und dieser diese Umgebung zumindest mit einer gewissen Aufrichtigkeit wiedergibt. „Run Hide Fight“ ist dann doch nicht der rechtskonservative oder libertäre Rechtfertigungsfilm, sondern weitaus vielschichtiger. Interessant hierbei ist, dass besonders bei der Darstellung der Antagonisten Phänomene der US-Gesellschaft kritisch verarbeitet werden. Der Anführer der Attentäter ist besessen von Aufmerksamkeit und lässt seinen durchkalkulierten Amoklauf nicht nur zynisch auf den sozialen Netzwerken livestreamen, was wiederum von den etablierten Medien aufgegriffen wird, sondern plant absichtlich den Aufbau eines Medienereignisses ein, bei dessen Höhepunkt er als „Star der Show“ in die Geschichte eingehen soll. Seine Helfer sind hingegen typische Mitläufer. Außenseiter, die von den Mitschülern gehänselt wurden oder unter psychischen Problemen leiden. Damit spricht das Werk nicht nur überraschend viele reale Probleme an, die die US-Gesellschaft beschäftigen, sondern gibt den Antagonisten eine Tiefe, die man von ähnlichen Produktionen überhaupt nicht mehr gewohnt ist. In anderen Werk durfte stets lediglich der Anführer hervorstechen, teils exzentrisch auftreten und den Mittelpunkt für sich beanspruchen. Dessen Henchman waren hingegen lediglich Kanonenfutter für den Titelhelden, höchstens mit einigen markanten Merkmalen oder Eigenheiten versehen. „Run Hide Fight“ ist aber tatsächlich darum bemüht, der bereits vielfach interpretierten Geschichte neue inhaltliche Aspekte abzuringen. Dies wird übrigens auch im diversen Nebencast deutlich. Die Klischees eines weißen „Smalltown, Americas“ werden hier nicht (mehr) exzessiv bedient. Vielleicht auch, weil man aufgrund der Prämisse vermeiden wollte, eben eine politische Prägung aufgedrückt zu bekommen. Dies mag sich sicherlich zynisch lesen, letztendlich ist es aber trotzdem ein Produkt, welches eng mit der US-amerikanischen Filmindustrie verwurzelt ist, auch wenn man sich aus Werbegründen gerne als eine Art von alternatives Filmprojekt darstellen wollte.

Einmal ein Star sein.
(© Koch Media GmbH)

Um halbwegs glaubwürdig den Kampf einer Highschool-Schülerin gegen bewaffnete Amokläufer zu inszenieren, benötigt es zudem eine seriöse Hintergrundgeschichte. Der Vater der Titelheldin, gespielt von Thomas Jane, ist passionierter Jäger. Der Umgang mit Waffen, ist ihr als Tochter, die in einer solchen Umgebung aufwächst, somit vertraut. Diese Milieus werden von etablierten Medien stets argwöhnisch betrachtet, oftmals sogar als Grundlage für den Waffenwahn kritisiert. Den Filmemachern scheint dieses bewusst gewesen zu sein, weswegen sie versuchten gewisse Klischees und Stereotypen zu vermeiden. Doch trotz aller Bemühungen konnte dies Teile der Medien nicht beeindrucken. Der britische Telegraph schrieb, dass der Film als „grundsätzlich geschmacklos“ zu bezeichnen sei. Sicherlich, man kann eine Art von Grundsatzdebatte führen, ob man ein solches Setting für einen Action-Thriller wählen muss, sollte sich dann aber genauso ehrlich die Frage stellen, ob man damit der Filmkunst keine Grenzen setzt. Für ein solches Werk gibt es keinen richtigen Zeitpunkt. Schon alleine aufgrund der schieren Masse an Amokläufen. Entweder man setzt es um, oder eben nicht. Die Art und Weise, wie Regisseur Kyle Rankin dies tat, darf im Kontext der hochemotionalen Debatte als durchaus angemessen angesehen werden. „Run Hide Fight“ mag vieles sein – auch vieles, dem man widersprechen möchte –, es ist aber wahrhaftig keinerlei Second-Amendment-Porn, wie manch einer vorab bei der Präsentation des Trailers vermuten wollte. Dahingegen ist die deutsche Werbezeile des Films von Koch Films wiederum schon fragwürdiger („Bist du Opfer oder Held?“). So als müssten sich die Opfer dafür schämen, Opfer zu sein.

Die Rezeption des Werks leidet somit unter der albernen Clickbait-Hysterie der modernen Medienlandschaft, die sich immer mehr in politische Lager aufsplittet und nicht mehr gewillt ist, die eigene Komfortzone zu verlassen, um sich für Kunstwerke und Perspektiven außerhalb des eigenen Safe-Spaces einzulassen. Bezeichnend dafür kann die Berichterstattung der linksgerichteten Online-Publikation „The Daily Beast“ sein, die in den USA enorm einflussreich ist. Kurz nach der Premiere des Films auf den Filmfestspielen von Venedig hieß es in einer Review noch, dass „Run Hide Fight“ ein „high-pulse action film“ sei, der „disturbingly relevant and revealing“ sei und das Publikum zum Schweigen gebracht hätte. Nachdem bekannt wurde, dass das Werk auf „The Daily Wire“ seine Premiere feiern würde, änderte man die eigene Meinung und verknüpfte es mit einem drastischen Belästigungsskandal, der innerhalb der Produktionsfirma Cinestate stattfand, aber eben nicht Teil der Produktion von „Run Hide Fight“ gewesen ist. Das Werk (und andere Produktionen) wurden daraufhin als „populist films for the Trump crowd“ diffamiert und Produktionsmitglieder interviewt, die sich zu Aussagen hinreißen ließen, dass sie nicht nur gerne ihren Namen von der Crewliste streichen möchten („Is there a way to remove your name from a crew list?“), sondern sich auch „schämen“ würden für solche „Propagandafilme“ gearbeitet zu haben („I find it incredibly unfortunate that a lot of my friends might have to work on some of these propaganda films—because that’s what they are. I do feel ashamed that I worked with them.“). Die Frage, ob die ganze Hysterie überhaupt berechtigt gewesen ist, sollte man an dieser Stelle schon gar nicht mehr stellen müssen.

Abgekämpft, aber überlebt.
(© Koch Media GmbH)

„Run Hide Fight“ besitzt kaum nennenswerte politische Botschaften, auch wenn natürlich eine gewisse Prägung vorhanden ist, sondern bettet seine Charaktere lediglich in ein bestimmtes Milieu ein, um ihre Motivation überzeugend darzustellen. Die Story, die ihren Figuren hingegen überraschend viel Tiefe verleiht, prescht schnell voran und bietet dem Zuschauer genau das, was er erwartet. Es ist in gewisser Hinsicht ein Survival-Actionthriller innerhalb einer Highschool, der aber den Anspruch hat, weder die Protagonistin noch die Antagonisten eindimensional zu präsentieren, was selbst in einem Vergleich mit Big-Budget-Produktionen großer Studios einen angenehmen Unterschied bietet. Dies liegt sicherlich auch am Star des Films, Isabel May, die mit ihrem Spiel das Werk auf eine ganz andere Ebene hievt. Die Heldin der Geschichte ist nicht unbesiegbar, sondern kämpft auch gegen ihre eigenen Dämonen. Erfreulich ist, dass der restliche Cast von zahlreichen Genre-Altstars mitgetragen wird. Neben Thomas Jane treten auch Barbara Crampton und Treat Williams auf. Inszenatorisch versucht „Run Hide Fight“ das Genre nicht neu zu erfinden, befindet sich aber weit über dem Niveau bekannter Direct-to-Video-Vehikeln, die gerne mit Action-Altstars auffahren wollen und ihre Handlung um explodierende Ölkanister in osteuropäischen Fabrikhallen aufbauen. Kyle Rankins Regie geht einen sicheren, aber genau deswegen überzeugenden Weg. Man spürt, dass ihm die Geschichte etwas bedeutet hat und er diese nicht unter einem gewissen Wert präsentieren wollte. Vergleicht man die Budgets mit ähnlichen Produktionen aus demselben Genre, so möchte man kaum glauben, dass „Run Hide Fight“ für gerade einmal 1,5 Millionen US-Dollar umgesetzt wurde. Die politisch-eingefärbten Unkenrufe kann man demnach ruhig ignorieren und sich schlichtweg von einem routiniert inszenierten Actionthriller unterhalten lassen, der vor allem dramaturgisch überraschen kann.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!