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Neben dem Safe Space entsteht im Culture War ein Hollywood der Neuen Rechten: Gina Carano und Co. rufen zur „Rebellion“ auf

verfasst am 13.Februar 2021 von Markus Haage

Der sogenannte Culture War nimmt neue Formen an: Nachdem Disney jegliche zukünftige Zusammenarbeit mit Mandalorian-Star Gina Carano ausgeschlossen hat, schließt diese sich nun dem rechtspopulistischen News-Netzwerk The Daily Wire an, um Spielfilme zu produzieren, die ihrer Agenda entsprechen. Kein neuer Trend, der aber aufgrund der technischen Entwicklung und digitalen Revolution ganz neue Qualitäten annimmt. Eine Art von Anti-Hollywood der Alt-Right, oder Neuen Rechte, entsteht.

Das Poster zum rechtspopulistischen Actioner „Run Hide Fight“.
(© The Daily Wire)

Es ist im Nachhinein eigentlich keine große Überraschung gewesen: Nachdem Gina Carano aufgrund einer Reihe kontroverser Tweets vom Disney-Konzern und Lucasfilm Ltd. entlassen wurde, kündigte sie alsbald neue Projekte an. Zusammen mit The Daily Wire wird sie Filme auch nach ihren eigenen Drehbüchern produzieren und natürlich in diesen mitspielen. The Daily Wire ist eine neokonservative und rechtspopulistische Plattform, die 2015 gegründet wurde und vor allem durch die sozialen Netzwerke schnell Bekanntheit in den USA erlangte. Zu ihren berühmtesten Gesichtern zählt Mitgründer Ben Shapiro, dessen Podcast ganz im Stile der Talk-Radio-Formate Millionen von Abrufen erzielt. Shapiro ist der politischen Überzeugung, dass Homosexualität als Geisteskrankheit einzuordnen sei, muslimische Einwanderung die USA „degenerieren“ würde und selbst Mädchen, die von ihrem Vater vergewaltigt wurden, kein Recht auf eine Abtreibung haben sollten. Neben weiteren traditionellen journalistischen Formaten, wie Artikeln, Reportagen und Kolumnen, bot The Daily Wire recht früh auch eigenproduzierte Dokumentarformate an, die die klassische konservative Sichtweise zu zahlreichen gesellschaftspolitischen Themen vertraten. Eine neue Entwicklung ist allerdings, dass dieser Neokonservatismus nun nicht nur auch direkt auf Unterhaltungsmedien übertragen wird, sondern man den Anspruch besitzt mit den großen Produktionen aus dem liberalen Hollywood mitzuhalten. Mit „Run Hide Fight“ (2021) wurde der Waffen-Lobbysmus der NRA (National Rifle Association) nun auf Zelluloid gebannt und unter dem Deckmantel der Kunst vertrieben. The Daily Wire, ein Medien-Netzwerk mit eigentlich journalistischen Anspruch, produziert jetzt aktiv Spielfilme, die ihre neokonservative Agenda unterhaltsam verpacken sollen. Die Ankündigung der Zusammenarbeit mit Gina Carano wurde sogleich auch als Kampfansage an das „linke“ Hollywood verkauft. Man müsse nun „zurückschlagen“ („We need to actually fight back […].“), da es nicht mehr ausreichen würde, wenn Konservative sich über die angebliche „Cancel Culture“ nur noch beschweren würden, anstatt zu handeln („It’s time for conservatives to do more than just complain about cancel culture.“).

Streng genommen gab es solche politischen Nischen-Entertainment-Produkte natürlich schon länger. Vor allem die zahlreichen evangelikalen Splittergruppen haben schon in den 1980er-Jahren eigene Medien-Formate produziert, weswegen man sie auch gerne spöttisch als Televangelicas bezeichnete. Diese religiösen Kräfte preisten über eigene Fernsehkanäle nicht nur ihre Predigten an, sondern bettelten auch um Spenden. Das Phänomen der Televangelicas wurde übrigens auch durch parodistische Popsongs, wie etwa Genesis‘ „Jesus he knows me“, ein Teil der Popkultur, auch wenn nicht jedem Zuhörer der subversive Text oder kritische Hintergrund bewusst war („On the cover of the magazine, there’s no question why I’m smiling. You buy a piece of paradise, you buy a piece of me!“)

Ein Milliarden-Markt entstand, der dank steuerrechtlicher Freiheiten Wirtschaftsimperien entstehen ließ (die Produkte religiöser Gemeinschaften werden in den USA nicht besteuert, wenn diese der „religiösen Bildung“ dienen). Und natürlich eine ganz eigene Subkultur, eine Art von medialer Parallelgesellschaft. Denn bei den Predigten im TV blieb es nicht. Eigene Nachrichtensendungen und auch Serien und Filme wurden produziert, um den religiösen Zuschauerinnen und Zuschauern ein Komplettpaket anbieten zu können. Mittlerweile existiert mit Pure Flix sogar ein eigener Streaming-Service. Es wurde auch schon frühzeitig Einfluss auf die Politik genommen. Ex-Präsident George Herbert Walker Bush lehnte den Support der evangelikalen Splittergruppen zu seinen Wahlkampfzwecken noch ab. Sein Sohn wiederum ließ sich vollends von ihnen und ihren Medien-Netzwerken unterstützen. Hilfreich bei seiner Wahl war auch die Gründung des konservativen Schrei-Senders Fox News im Jahre 1996, der sich selber intern als „the loudest voice“ bezeichnete. Das Konzept war einfach: eine verhältnismäßig kleine, aber lukrative konservative Zuschauerschaft wurde bedient, die genau das zu hören bekam, was sie hören wollte. Mit der Wahrheit nahm man es nicht immer besonders genau, solange es die Basis befriedigte.

Eine der bedeutendsten Entwicklungen war aber die Verwandlung von klassischen Nachrichten-Inhalten in Entertainment-Formate, die durch künstliche Kontroversen hysterisch aufgepeppt wurden. Auch hier arbeitete man frühzeitig mit anderen rechtskonservativen Kräften zusammen. Man hielt nicht nur Kontakt zu den Evangelikalen, sondern bewarb ihre Filme und Bücher und holte teils hysterische Persönlichkeiten wie Glenn Beck, die vorab das Talk Radio bedienten, vor die Fernsehkameras. Der Entertainment-Aspekt rückte immer stärker in den Vordergrund. Man kooperierte mit Sport-Organisationen. NASCAR- und Football-Stars traten in Sendungen auf und führten politische Debatten. Vor allem die Schaukampf-Liga World Wrestling Entertainment, dessen Inhaber Vince McMahon bekennender Trump-Supporter ist, als auch die Mixed-Martial-Arts-Organisation UFC, deren Gründer Dana White ebenfalls Trumpist ist, erhielten eine größere Aufmerksamkeit und werden auch heute noch zu politischen Themen eingeladen. Die Vermischung von Politik und Entertainment war zumindest aus wirtschaftlicher Sicht gelungen, doch einen Entertainment-Bereich konnte man allerdings nie befriedigend abdecken: Das Filmgeschäft. Hollywood mied Fox News und die neurechte Nische wie die Pest, obwohl Fox News und 20th Century Fox zur Fox Corporation gehörte und die Cross-Promotion über hauseigene Sender eigentlich zum Marketing-Standard zählt (Marvel Studios schickt ihre Stars zur Promotion regelmäßig zu den Late-Night-Shows des Senders ABC, da beide Häuser dem Disney-Konzern gehören).

Support aus Teilen der sogenannten Traum-Industrie für die rechtskonservative Nische gab es zwar schon frühzeitig, aber oft nur in kleinem Rahmen nach den vorhandenen Möglichkeiten. Kirk Cameron, ehemaliger Teenie-Star aus der Sitcom „Unser lautes Heim“ („Growing Pains“, 1985–1992), gehört zu den bekanntesten Vertretern der religiösen Rechten und produzierte bereits um die Jahrtausendwende groß angelegte Filmprojekte, die die evangelikale Botschaft unterhaltsam und spektakulär verbreiten sollten. Allerdings war die Produktionsqualität bei diesen Projekten stets überschaubar. Es fehlte oft an Talent und an Geld, um überzeugend mit den Hollywood-Produktionen mithalten zu können. Außerhalb der eigenen Nische fanden diese Werke kaum Beachtung und hatten demnach nur geringen Einfluss.

Über die Jahre haben sich weitere bekannte Namen wie Kevin Sorbo, Chuck Norris, Jon Voight, Dean Cain, Stephen Baldwin, Robert Davi, Kirstie Alley, Scott Baio, Zachery Ty Bryan oder Stacey Dash diesem Sektor der Unterhaltungsindustrie angeschlossen. Es dürfte keine Überraschung sein, dass es sich hierbei oft um Persönlichkeiten handelt, deren Karrieren kaum noch relevant waren und nun in dieser Art von Nische neu aufblühen sollen. Ein eigener Markt ist entstanden, der ihnen nicht nur den Lebensunterhalt sichert, sondern sie auch in der Öffentlichkeit hält. Während Kevin Sorbos Ehefrau christlich-konservative Lebensratgeber in Buchform schreibt, spielt Sorbo nicht nur in religiösen Propaganda-Filmen mit, sondern mischt sich auch aktiv in die Politik ein. Entweder als Talking Head für rechtskonservative Medien oder über seinen eigenen Twitter-Kanal.

Bei diesen Medien-Produkten vermischen sich oft die unterschiedlichsten konservativen Strömungen der USA, die teils inhaltlich gegensätzlich sind, aber sich eben zu einer großen Masse vereinen, da sie (aus unterschiedlichen Gründen) dasselbe Feindbild haben: das politische Establishment an der Ostküste (die Bundesregierung in Washington) und die kulturelle Elite an der Westküste (vor allem die Filmwirtschaft Hollywood). Man sollte hierbei allerdings nicht den Fehler machen und glauben, dass die us-amerikanische Neue Rechte gleichzusetzen ist mit einer Horde von Rassisten, so wie man es aus vielen rechten Strömungen Europas kennt, die oftmals einen völkischen Charakter besitzen. Diese existieren zweifelsohne auch in diesem us-amerikanischen Spektrum, allerdings setzt sich die Neue Rechte in den USA vor allem aus libertären, neokonservativen und religiösen Kräften zusammen. So verwundert es in diesem Zusammenhang auch nicht, dass Enrique Tarrio, der Anführer der neofaschistischen Organisation Proud Boys, Afroamerikaner mit hispanischen Wurzeln ist.

Den Vorwurf, dass man rechtsextreme (also rassistische) Strömungen in den eigenen Reihen nicht erkennen oder diesen nicht stark genug entgegentreten möchte, müssen sich all diese Bewegungen dennoch gefallen lassen. Schon die Zeichentrickserie „Die Simpsons“ (1989–) nahm diese Ignoranz humorvoll in einem Seitenhieb auf. In einer Episode sieht man wie ein Helikopter von Fox News durch das Bild fliegt. Die Aufschrift des Helikopters lautete: „Not Racist, But #1 With Racists“. Dies bedeutet so viel wie: „[Fox News] ist nicht rassistisch, aber beliebt bei Rassisten“. Wie groß die Ignoranz sein kann, zeigt sich am Beispiel Stacey Dash, eine afro-amerikanische Schauspielerin bekannt aus Filmen wie „Clueless“ (1995), die vehement Trumps Verharmlosung der „Unite the Right“-Rally in Charlottesville im Jahre 2017 verteidigte, bei der zahlreiche Neo-Nazis als auch bekannte Anhänger des Ku-Klux-Klans, wie etwa David Duke, öffentlich die Führung übernahmen. Dash ließ sich sogar dazu hinreißen, zu sagen, dass sie nicht weiß, wie es im Herzen eines Neo-Nazis aussieht und sie diese deswegen nicht öffentlich verurteilen möchte. Eine vollkommen absurde Aussage.

Wie erwähnt, hat dieses große Sammelbecken unterschiedliche Ziele. Hier finden sich Abtreibungsgegner, Libertäre, Trumpisten, Birthers, Tea-Partiers, Verschwörungstheoretiker, Covidiots, christliche Fundamentalisten, Esoteriker, Flatearthers, Kreatonisten, Milizionäre als auch Waffennarren und natürlich Rechtsextreme wieder, die eine Art loses Zweckbündnis eingehen (siehe die „Capitol Riots“ im Januar 2021). Normale Konservative haben diese Strömungen über Jahre hinweg geduldet, auch weil sie im Falle von Politikern von ihren Stimmen profitierten. Ein großes vereinendes Argument scheint die Verteidigung des zweiten Verfassungszusatzes zu sein, der besagt, dass jeder gesetzestreue US-Bürger das Recht besitzt eine Waffe zu tragen. Dies ist neben der Abtreibungsdebatte (Pro-Life vs Pro-Choice) nun eines der Fundamente im sogenannten Culture War innerhalb der USA. Entweder man ist dafür oder dagegen. Es ist die Trennlinie, die die konservativen von den progressiven Kräfte unterscheidet.

Gerade das angeblich „linke“ Hollywood stellt vor diesem Hintergrund die wohl beliebteste Zielscheibe der Neuen Rechten dar. Hier vereint sich für die Neue Rechte vieles, was sie ablehnen. Bekannte Persönlichkeiten der Traumfabrik treten öffentlich gegen den zweiten Verfassungszusatz ein oder demonstrieren lautstark gegen das Abtreibungsverbot auf lokaler Ebene. Der Bundesstaat Georgia zog über die letzten Jahrzehnte zahlreiche Film- und Fernsehproduktionen durch Steuernachlässe an. Als dieser Bundesstaat selbst im Falle von Vergewaltigungen Abtreibungen de facto verbieten wollte, stellten sich nicht nur die Hollywood-Studios offen dagegen und drohten den Bundesstaat zu verlassen, bekannte Schauspieler demonstrierten sogar im Kongress des Bundesstaates und forderten Lokalpolitiker direkt heraus. Aktionen, die in den ganzen konservativen USA gehört und gesehen wurden. Hollywood wurde endgültig zum Feindbild aller Konservativen und als Keimzelle der linken Kultureliten verklärt.

So verwundert es auch nicht, dass zahlreiche gescheiterte Entertainment-Existenzen aus dem konservativen Lager, die nun versuchen in der neokonservativen Nische Fuß zu fassen, dem liberalen Establishment die Schuld für ihren Karriere-Knick geben. Frei nach dem Motto: Meine politische Einstellung hat meine Karriere ruiniert. Spoiler: Zu diesen Figuren zählen bekennende, aber erfolgreiche Republikaner, wie Kelsey Grammer, Arnold Schwarzenegger oder Clint Eastwood, übrigens nicht.

Selbst Hollywood-Stars, von denen man gar nicht wusste, dass sie überhaupt jemals Stars waren, sind der Überzeugung, dass ihr Stern aufgrund ihrer politischen Einstellung verblasste. Es ist eben ein beliebter Talking Point, der sich gut für eine zweite Karriere in der neu-rechten Nische verkaufen lässt.

Fairerweise muss man zugeben, dass in den letzten Jahren tatsächlich unzählige Shitstorms generiert von anonymen Online-Mobs über prominente Persönlichkeiten niedergingen, die lediglich Kritik oder auch nur Skepsis an Teilen der „linken“ oder progressiven Kulturpolitik vieler Studios äußerten. Mittlerweile spricht sogar die Washington Post von einer „neuen Ära des McCarthyism“ in Bezug auf diesen Tugend-Wahn. Vince Vaughn erhielt bereits einen multimedialen Shitstorm nachdem er bei einem Football-Spiel dem amtierenden US-Präsidenten Donald J. Trump zur Begrüßung die Hand gab. Vaughn sagte, dass er dies lediglich aus Höflichkeit tat. Komiker Bill Burr musste ebenfalls einen Shitstorm über sich ergehen lassen, nachdem er in der Comedy-Sendung „Staurday Night Live“ sich über die Cancel Culture lustig machte. Der afroamerikanische Drehbuchautor Walter Mosley musste bei der Serie „Star Trek: Discovery“ seinen Hut nehmen, nachdem er das N-Wort in einer internen Sitzung verwendete, als er eine Geschichte basierend auf wahren Gegebenheiten erzählte, in der dieses N-Wort fiel. Er gab lediglich ein persönliches Erlebnis wieder, indem er selber als Afroamerikaner Rassismus erfahren hatte. Chris Pratt sollte sich erst kurz vor der US-Wahl 2020 dafür öffentlich rechtfertigen, dass er auf Twitter konservativen Meinungsmachern folgt, obwohl er selber nie nennenswerte politische Äußerungen getätigt hat. Die „Kontroverse“ ging soweit, dass Forderungen laut wurden, Pratt aus dem MCU (Marvel Cinematic Universe) zu entlassen, sodass Pratts Co-Stars , wie etwa Mark Ruffalo oder Robert Downey Jr., sich dazu gezwungen sahen, ihn öffentlich in Schutz nehmen zu müssen.

Auch die politische Gegenseite geht somit teils radikal vor. Nach der Wahl von Donald Trump scherzte Johnny Depp öffentlich darüber, warum niemand den US-Präsidenten umbringt, während Madonna bei einer öffentlichen Veranstaltung von einem Bombenanschlag auf das Weiße Haus träumte. Das Hollywood politisch stets die Demokraten unterstützt, ist kein Geheimnis. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hatte die Traumfabrik, oder zumindest viele ihrer öffentlichen Vertreter, in ihren Grundfesten erschüttert. Im Nachhinein muss man allerdings sagen, dass der öffentliche Support der Kultureliten des Landes Trump wohl sogar geholfen hat. Und sei es nur als eine Art Trotzreaktion der Wählerschaft gegenüber den Millionären aus Kalifornien, die sich eines Sieges Clintons sicher waren und Clinton öffentlich vehement unterstützten.

So war es aber die Entertainment-Industrie, die Trump Anfang der 2000er aus der Versenkung holte und ihn vor allem mit der extrem erfolgreichen Reality-TV-Show „The Apprentice (2004–2015) wieder zu einem Star machte. Produziert wurde die Sendung übrigens von NBC, dessen hauseigener Nachrichtensender MSNBC als liberales Gegenstück zu Fox News gilt. Jetzt möchte man dieses Kapitel schnellstmöglich vergessen. Aktuell sollen Donald Trumps Cameo-Auftritte aus alten Filmen und Serien geschnitten werden. Hier macht man aber nicht halt. Die populäre Comicfigur des Punishers, angeblich ein Vorbild der Alt-Right, soll wiederum eingestellt werden, und Filme wie „The Hunt“ (2019), die den Culture War satirisch verarbeiten, erhalten von beiden Seiten Boykott-Aufrufe. Die Veröffentlichung des Films musste mehrmals verschoben werden. Cancel Culture, Wokeness und Safe Space sind nur drei der Kampfbegriffe, die man in diesem Zusammenhang und aus Gründen der Fairness nicht unerwähnt lassen sollte. Man kann der politischen (liberalen/linken) Gegenseite eine gewisse Hysterie, aber auch Heuchelei durchaus unterstellen, wenn die Traum-Industrie bei Disneys Danksagung gegenüber den chinesischen Behörden, die direkt am kulturellen Genozid der Uiguren beteiligt sind, im Abspann ihrer Filme still und leise ist, während das bloße Folgen der Profile konservativer Meinungsmacher Chris Pratt bereits verdächtig macht. Auch war Hollywood still und leise, als Disney für den chinesischen Markt eine Szene in „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“ („Star Wars: The Rise of Skywalker“, 2018) änderte, in der sich ein lesbisches Paar im Hintergrund küsste. Homosexualität ist in China illegal. Gleichzeitig wurde über den offiziellen Twitter-Account des Ghostbusters-Franchise nicht nur öffentlich Wahlwerbung für Hillary Clinton gemacht, sondern die (damals) neuen All-Female-Ghostbusters orchestrierten auch im US-Fernsehen de facto eine Wahlveranstaltung für die demokratische Präsidentschaftskandidatin. Disney-Stars wiederum, ermahnen lauthals öffentlich unabhängige Kritiker für ihre angeblich schlechten Reviews, wenn es sich dabei um „weiße Typen“ handelt, die Filme bewerten, die nicht für „weiße Typen“, sondern ein diverses Publikum gemacht wurden. Der Witz: Die „weißen Typen“ haben den besagten Film nachweislich besser bewertet als das Zielpublikum. Die Aussage ist somit sogar komplett falsch.

Dies füttert natürlich nicht nur das Gefühl der Einseitigkeit, sondern nährt auch das Narrativ der verfolgten Konservativen, welches wiederum von den neokonservativen Medien, wie etwa Sky News in Australien (gehört neben Fox News zu Rupert Murdochs Medien-Imperium) genüsslich aufgegriffen wird.

Auch Kevin Sorbo ist der Überzeugung, dass sein christlicher Glaube und seine konservativen Einstellungen ihn aus Hollywood katapultiert hätten.

Das gleiche Narrativ bedient nun auch Gina Carano, die nach zahlreichen fragwürdigen Tweets über viele Monate hinweg von Lucasfilm Ltd. und dem Mutterkozern Disney aus der Serie „The Mandalorian“ (2019–) gefeuert wurde. Deswegen sei es ihrer Meinung nach nun Zeit für eine „Rebellion“.

(© Gina Carano)

Der Grund für ihren Rauswurf: Sie verglich die Kritik an den Skeptikern der Corona-Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung mit der Verfolgung der Juden im Holocaust. Natürlich konnte Disney diesen absurden und geschmacklosen Vergleich nicht kommentarlos hinnehmen, aber Carano sieht sich nun darin bestätigt, dass sie – wie angeblich viele andere Konservative in Hollywood auch – aus dem Show-Business verdrängt werden soll. Schon vor Monaten bediente sie auf Twitter immer wieder Analogien zur Nazi-Zeit. Argumentativ ist sie damit auf dem Niveau von „Jana aus Kassel“ oder Michael Wendler angelangt. In einem Interview mit Deadline Hollywood sprach sie von einem „totalitären Mob“, der sie angeblich jagen würde. Ben Shapiro, Co-Founder von The Daily Wire, sprach im gleichen Interview von der „autoritären Linke in Hollywood“, der Carano nun entflohen sei. Mit ihr wolle man jetzt neue Filme produzieren. Als Partner fand man dafür den texanischen Produzenten Dallas Sonnier, der nicht nur das Fangoria-Magazin wiederbelebte (nach einem Missbrauchsskandal durch einen seiner Produzenten musste Sonnier es inzwischen weiterverkaufen), sondern zahlreiche Independent-Filme produzierte, die gemeinhin als konservativ oder populistisch gebrandmarkt werden.

Nur einige von Cinestates populären Werken.
(© Cinestate)

Darunter gehören Werke wie „Bone Tomahawk“ (2015), „Brawl in Cell Block 99“ (2018), „Dragged across Concrete“ (2018) oder auch „V.F.W.“ (2020). All diese Independentfilme zeichnen sich nicht nur durch eine hohe Produktionsqualität aus, sondern werden auch von namhaften Stars unterstützt, die ebenfalls aus dem libertären oder konservativen Spektrum Hollywoods stammen. Seien es Mel Gibson, Vince Vaughn oder Kurt Russel, der in „Bone Tomahawk“ die Hauptrolle übernahm und als ein großer Verfechter der Waffenfreiheit gilt. Sonnier selber sagte in einem Interview, dass er nicht einmal für Trump gestimmt und er nie für eine konservative Zuschauerschaft produziert hätte. Dennoch sei er aber auch nicht überrascht, wenn diese seine Werke bevorzugen würden.

„I don’t necessarily crave a conservative audience, but that may be an outcome, and it wouldn’t surprise me. I understand that audience deeply. But it’s not a mission statement.“

In dem Vorwurf, dass konservative oder libertäre Ideen in Hollywood kein oder kaum Gehör mehr finden würden, steckt vielleicht eine gewisse Wahrheit. Cinestate zählte sicherlich nicht zur Alt-Right, aber sie produzierten ihre Filme inhaltlich auf eine teils brutal ehrliche Weise, die sich vom Safe-Space-Mainstream, der nirgends mehr anecken und es allen recht machen will, abhebt und damit insbesondere für konservative Kräfte, die sich wohl in der globalen Medienlandschaft verloren fühlen, interessant ist. Mit der Produktion von Gina Caranos Filmen für das rechtspopulistische Netzwerk The Daily Wire bezieht Dallas Sonnier mittlerweile mit Cinestate dennoch klar Position. Auch wenn dies anfangs nicht seine Absicht war.

Der vielleicht ursprünglich ungewollte Erfolg von Cinestate innerhalb rechtskonservativer Kreise und die Produktion aktueller Werke wie „Run Hide Fight“ zeigen sicherlich auf, dass die Zeiten vorbei sind, indem politisch rechte oder rechtskonservative Bewegungen Filme und Serien produzieren, die man zumindest qualitativ nicht ernst nehmen muss (über Jahre hinweg produzierte die Trash-Schmiede The Asylum, bekannt für die Sharknado-Reihe, kostengünstig evangelikale Propaganda-Filme, die aufgrund ihrer Masse zeitweise als eigenes Genre namens Christ-Ploitation gehandelt wurden). Mittlerweile kann die Neue Rechte mit der Produktionsqualität Hollywoods durchaus mithalten. Die Botschaften, die hierbei transportiert werden, haben (bewusst oder unbewusst) einen Einfluss auf die Zuschauer.

Natürlich darf Kunst alles. Jedes Kunstwerk, ob Film, Serie, Song oder Gemälde, ist politisch. In diesem steckt immer die Weltsicht des Künstlers dahinter. Sei es in Oliver Stones „linken“ Antikriegs-Drama „Platoon“ (1987) oder John Milius‘ rechtskonservativen Hurra-Actioner „Die rote Flut“ („Red Dawn“, 1984). Allerdings handelte es sich hierbei immer um ambivalente künstlerische Visionen. Nun werden von Nachrichtenunternehmen klare politische Botschaften in reinen Entertainment-Produkten mit Kampfansage („fight back“) gezielt lanciert, die nur zur Folge haben sollen, die eigene Agenda zu popularisieren. The Daily Wire produziert eben nicht mehr nur Reportagen, Kolumnen und Dokumentationen, deren politische Botschaft für den Konsumenten von vornherein klar erkennbar und einzuordnen ist, sondern will jetzt auch Unterhaltungsmedien wie den Spielfilm „Run Hide Fight“ präsentieren. Der erste größere Spielfilm der eigentlich ursprünglich rein journalistisch ausgerichteten Website.

Nach dem ungeheuerlichen Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School, bei dem zwanzig Grundschulkinder und sechs Lehrer massakriert wurden, war es vor allem die NRA, die dafür plädierte Lehrkräfte mit Waffen auszustatten oder aber bewaffnete Wachen für Grundschulen einzustellen, damit sich solche Amokläufe nicht mehr wiederholen könnten. Auch Präsident Trump unterstützte Jahre später diese absurde Forderung und brachte sogar Bonuszahlungen für Lehrkräfte ins Spiel, die sich für den alltäglichen Unterricht bewaffnen würden. Der Vorwurf ist, dass Filme wie „Run Hide Fight“ durch ihre Darstellungen und natürlich inszenierten Handlungsabläufe suggerieren würden, dass selbst Schülerinnen Terroranschläge verhindern könnten, wenn sie nicht nur bewaffnet, sondern auch im taktischen Nahkampf ausgebildet wären. Dies erweckt vielleicht nur unterschwellig den Eindruck, dass in der Realität solche drastischen Maßnahmen funktionieren würden und damit die Agenda der NRA Sinn ergeben könnte. Selbst Ex-Marines, die als Lehrer arbeiten, lehnen diese Denkweise vollends ab, aber ihre Stimme wird verhallen, die Filme als Kunstprodukt werden bleiben. Allerdings unterstützt „Run Hide Fight“ dieses Narrativ nicht wirklich. Das Werk ist überraschend unpolitisch, auch wenn die Titelfigur aufgrund der Dramaturgie einem bestimmten Milieu entstammt. Die Hysterie darum eigentlich unbegründet, aber dennoch zu Werbezwecken förderlich, die Daily-Wire-Gründer Ben Shapiro gekonnt ausnutzte und den Action-Thriller nutzte, um seinen eigentlich Plan zu befördern. In einer Video-Botschaft sagte er:

„Wir befinden uns mitten in einem Kulturkrieg. Und die Kultur und alle kulturellen Institutionen werden von den Linken dominiert. […] [Das Problem] ist nicht nur, dass Hollywood von den Linken dominiert wird, sondern dass ihre Werke fast ausschließlich für Linke gemacht werden. […] Ihr braucht eine Alternative. […]“

Das Ziel von The Daily Wire ist demnach klar eine alternative Filmlandschaft für die Alt-Right zu schaffen. Die Verpflichtung von Gina Carano ist somit nur ein weiterer Baustein, um diese zu errichten. Es wird nicht der letzte sein. Das Talent (auch befördert durch die technologische Entwicklung) wird kommen und es werden nicht mehr nur gescheiterte Showbiz-Existenzen sein, die lediglich eine Nische für sich entdecken, um über die Runden zu kommen.

Das beliebte Gegenargument, dass Hollywood über Jahrzehnte liberalen oder linken Stimmen unverhältnismäßig viel Raum geboten hat, ist natürlich grundsätzlich durchaus legitim, macht es aber auch gleichzeitig so schwer in einer freiheitlichen Gesellschaft gegen reaktionäre oder gar radikale Kräfte anzukämpfen. Eine Zensur darf es nicht geben. Und ja, so hart wie es auch klingen mag: Künstler müssen auch hassen dürfen, sie müssen auch wütend sein dürfen, selbst wenn diese aus einem reaktionären oder radikalen Lager stammen. Sterile Kunst ist wertlos. Sie wirft keine Fragen oder Emotionen auf, erhält keinerlei Reaktion und fordert den Konsumenten nicht heraus. Es kann gar nicht erst ein Diskurs entstehen, weil dieser von vornherein ausgeschlossen wurde. Dennoch bedeutet dies am Ende aber, dass die liberalen Kräfte bereit sein müssen, sich dieser Kunst entgegenzustellen und, dass wir als Konsumenten uns alle mehr darüber bewusst werden müssen, was über unsere Bildschirme flackert. Nicht nur, wer diese Werke produziert, sondern auch welche Agenda dahintersteckt und welche gesellschaftspolitischen Ziele verfolgt werden sollen. Der Konsument, der ansonsten lauthals immer wieder Mitspracherecht einfordert, sollte in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht mehr nur passiv konsumieren, sondern muss eben seinen Konsum auch aktiv selber hinterfragen. Ob der unter Dauerbeschallung stehende Konsument dazu überhaupt noch bereit ist, ist wiederum eine andere (nicht weniger wichtige) Frage.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!