Versteckt eure Kinder, das „Schreckgespenst“ geht um. Basierend auf einer populären Kurzgeschichte von Stephen King aus den frühen 1970er-Jahren, versucht die Verfilmung „The Boogeyman“ uns nun das Schaudern zu lehren.
Offizielle Synopsis: Die High-School Schülerin Sadie Harper (Sophie Thatcher) und ihre jüngere Schwester Sawyer (Vivien Lyra Blair) wurden vom kürzlichen Tod ihrer Mutter komplett aus der Bahn geworfen und bekommen nicht viel Unterstützung von ihrem Vater Will (Chris Messina), einem Therapeuten, der mit seinem eigenen Schmerz zu kämpfen hat. Als ein verzweifelter Patient unerwartet bei ihnen zu Hause auftaucht, hinterlässt er ein furchterregendes, übernatürliches Wesen, das sich vom Leid seiner Opfer ernährt…
Stephen King erlebt eine Renaissance. Nachdem erst letzte Woche das Prequel „Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ („Pet Sematary: Bloodlines“, 2023) auf dem Streaming-Dienst Paramount+ seine globale Premiere feierte, folgt nun mit „The Boogeyman“ (2023) auf Disney+ eine weitere Verfilmung. Hierbei handelt es sich allerdings um kein Direct-to-Stream-Werk, auch wenn man dies zuerst glauben mag. Von 20th Century Studios (ehemals Fox) produziert, startete das Werk bereits im Juni 2023 in den Kinos. Der Run war kurz; „The Boogeyman“ konnte weltweit „nur“ 67 Millionen US-Dollar einspielen. Spin-off-Sequels wie „The Nun II“ (2023) aus dem Hause Warner Bros. stehen bereits bei 250 Millionen US-Dollar. Allerdings verstehen sich die Filme des Conjuring-Universums auch als „hidden champions“. Sie entfachen keinerlei echten Buzz mehr, spielen aber über längere Zeiträume recht still und leise beachtlich hohe Summe ein. „The Boogeyman“ wünschte in der gleichen Position zu sein. Die Marke „Stephen King“ alleine zieht dann anscheinend doch leider nicht, wobei der Trailer immerhin so ehrlich war und anstatt des berühmten „Based on …“ lediglich mit „From the mind of Stephen King“ verwendete (in der deutschen Fassung: „Nach einer Idee von Stephen King“).
„The Boogeyman“ basiert auf der Kurzgeschichte „Das Schreckgespenst“ („The Boogeyman“), welche von King bereits 1973, also vor genau fünfzig Jahren, in der Zeitschrift „The Cavalier“ veröffentlicht wurde. Sechzehn Jahre später erschien sie in der Kurzgeschichten-Sammlung „Nachtschicht“ („Night Shift“); Basis für eine ganze Reihe von teils extrem freien King-Verfilmungen. Man denke nur an Werke wie „Der Rasenmäher Mann“ („The Lawnmover Man“, 1992), die – mit Ausnahme des Titels – nun wirklich nichts mehr mit Kings Vorlage zu tun hatten. Bei „The Boogeyman“ verhält es sich allerdings noch etwas anders. Die Verfilmung ist abermals extrem frei, aber zumindest wird die Story der Kurzgeschichte Auslösers des Films sein. Dieser Handlungsteil endet allerdings dort, wo die Figur Lester Billings (David Dastmalchian) das Büro des Therapeuten Dr. Will Harper (Chris Messina) betritt. Der weitere Verlauf ist vollkommen anders – im Grunde frei erfunden –, oder, wie es die Werbung fast schon euphemistisch ausdrückte: „From the mind of Stephen King“. Mehr oder weniger … eher weniger als mehr. Die Handlung der Kurzgeschichte ist nach rund vierzehn Minuten (unvollständig und mit verändertem Ablauf) beendet. Zu keinem Zeitpunkt wird die „Stimme aus dem Schrank“ zu Lester Billings sagen: „Wie schön.“
Es kracht, es zischt, zu seh’n ist nüschds. Zumindest so lange das Licht brennt. Ein übernatürliches Wesen aus wohl vorchristlicher Urzeit schleicht in Suburbia umher und terrorisiert Familien. Es wird von ihrem Leid angezogen; ist es stark genug, nährt es sich von ihren Körpern. Wortwörtlich. Von Kindern wird das Wesen nur als „Boogeyman“ bezeichnet; ein Beleg für dessen Existenz kann nicht erbracht werden. Die Opfer müssen es alleine überleben. Bisher erfolglos, zumindest bis zu diesem Film. Die Story, die man um Kings Kurzgeschichte herum aufbaute, ist vom Prinzip her bekannt und wird nur mit wenigen innovativen Plots oder inszenatorischen Tricks bereichert. Die hässliche Fratze des CGI-Monsters, welches stets im Dunkeln lauert und kauert, verbreitet bereits nach dem ersten Auftreten keinen echten Horror mehr. Dazu fehlt es auch an einer echten Mythologie. Kaum etwas wird über die Ursprünge des Boogeymans preisgegeben; das Wesen existiert einfach. Und so bleibt es ein schlichtes Monstrum, dass in gut taktierten Abständen in Erscheinung treten darf. Der Zuschauer darf sich dann schaudern, wenn im Aufbau irgendwas scheppert. „The Boogeyman“ ist eine Geisterbahn, das Publikum sitzt im Waggon.
So wird „The Boogeyman“ zumindest dem deutschen Titel der Vorlage gerecht und präsentiert ein wortwörtliches Schreckgespenst, welches im Dunkeln lauert. Der Horror ist eher als Grusel zu verstehen – lediglich die Eröffnungsszene des Films möchte mit einem Schocker eröffnen –, der als Notlösung zur Behandlung von Konflikten actionreiche Momente sucht. Die Geschichte an sich erscheint demnach nicht neu. Man denke hierbei an den wohl etwas vergessenen Horror-Thriller „Der Fluch von Darkness Falls“ („Darkness Falls“, 2003). Ähnlicher Grusel, anderes Mistvieh. Damit neben dem Spuk noch eine gewisse Handlung stattfinden kann, die sich nicht nur auf das Starren auf halbgeöffnete Wandschränke konzentriert, erhalten die Charaktere ein Traumata – der Tod der Mutter – verliehen. Dieses tragische Ereignis entzweit die Familie, der Boogeyman wird sie wieder zusammenbringen. Logische Konsequenz eines kleinen Horror-Schockers. Und so darf es am Ende noch übernatürliche Erscheinungen geben, die das zu erwartende Happy End einleiten. Einen echten Sinn ergibt dies nicht. Denn das übernatürliche Schreckgespenst lässt sich mit irritierend natürlichen Mitteln erledigen. Alle rational nicht zu erklärenden Aspekte, die im Vorfeld zwecks Spannungsaufbau für Schauder sorgen sollen – Halluzinationen! Geistererscheinungen! Schimmel-Schäden! – werden durch das ziemlich natürliche Ableben des Monstrums zwar nicht erklärt, aber Widersprüche haben einem Horrorfilm noch nie wirklich geschadet. Dinge passieren halt, weil … es so ist.
Regisseur Rob Savage konnte immerhin einen Teil seiner inszenatorischen Kreativität, die er mit Werken wie dem Found-Footage-Horror „Dashcam“ (2021) bewies, in das Projekt herüberretten. In zahlreichen Spannungsmomenten spielt er raffiniert mit den Eigenheiten des Schreckgespensts – es scheut Licht – und involviert unterschiedliche Lichtquellen bei der Inszenierung der Spannungsmomente. Doch selbst diese kleinen Lichtblicke (*no pun intended) können nicht darüber hinwegtäuschen, dass „The Boogeyman“ eine recht konservativ geprägte Studio-Produktion ist, die kaum Risiken eingeht und aus einer King-Geschichte, die letztlich nur ein Gespräch in einem Raum darstellt, versucht, eine größere Geschichte. Die Welt von „The Boogeyman“ bleibt aber überraschend klein, verfügt nur über wenige Schauplätze und Charaktere, von denen das Gros zweckgebunden ist. Sie sollen in bestimmten Momente eine Funktion erfüllen, eine Emotion auslösen oder schlichtweg etwas Handlung füllen; letztlich besitzen sie aber keinerlei echten Einfluss auf die größere Geschichte. Ob das fertige Werk aufgrund der drastischen Erweiterung noch die Marke „King“ verdient oder überhaupt noch im Geiste Kings zu verstehen ist, sei einmal dahingestellt. Die Zuschauerinnen und Zuschauer haben die freien Adaptionen zumindest in den letzten fünfzig Jahren wenig geschert. Dennoch sollte man die Erwartungen demnach nicht zu hoch hängen. „The Boogeyman“ basiert zwar auf einem grandiosen, kurzen Kammerspiel, die Verfilmung erinnert aber eher an die Masse der typischen Spukgestalten-Filme, die Teenager aus Suburbia terrorisieren. Man denke hierbei an Werke wie „The Tall Man“ (2012), „The Midnight Man“ (2016), „The Shadow Man“ (2017), „The Bye-Bye-Man“ (2017) oder „The Empty Man“ (2020).
„The Boogeyman“ stellt eine kleine Schauer-Mär dar – die wohl größte und einzig echte Gemeinsamkeit mit der Vorlage von Stephen King –; dies kann man ruhig als Kompliment verstehen. Trotz der flachen Mythologie, des zu erwartenden Ablaufs als auch Ausgangs der Handlung, sowie der recht konservativen Inszenierung, bleibt das Resultat eine unterhaltsam-scheppernde Geisterbahnfahrt, der man in dieser Form vielleicht nur vorwerfen möchte, dass sie etwas zu lang geraten ist.
‐ Markus Haage
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