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„The Creator“ (USA, 2023)

verfasst am 11.Oktober 2023 von Markus Haage

(© 2023 20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Eine Atombombe beendet alle Hoffnung: In der Welt von „The Creator“ löscht eine Künstliche Intelligenz alles Leben in der Stadt Los Angeles aus. Ein globaler Krieg entbrennt, der von einem Wanderer zwischen den Welten beendet werden muss.

Offizielle Synopsis: Joshua (John David Washington) wird rekrutiert, um den „Creator“ – einen Architekten fortschrittlicher K.I. – zu jagen und zu töten. Dieser soll eine mysteriöse Superwaffe entwickelt haben, die den Krieg zwischen Mensch und K.I. zwar beenden, aber gleichzeitig auch die Menschheit komplett auslöschen könnte. Joshua und sein Team aus Elite-Agenten, dringen in das dunkle Herz des von der K.I. besetzten Territoriums ein …

Vielleicht war es nur ein Zufall: Garreth Edwards Sci-Fi-Actioner „The Creator“ (2023) startete zu einem Zeitpunkt in den Kinos, als die erste große gesellschaftliche Debatte um das zukunftsweisend anmutende Thema „Künstliche Intelligenz“ (kurz: K.I.) ihren ersten Höhepunkt erreicht hatte (siehe: „Der A.I.-Horror: Wie Künstliche Intelligenz die ‚Tyrannei des Mittelmaß‘ fördert und das ‚Zeitalter der Lethargie‘ einleiten wird“). K.I. existierte schon vorher, nun dringt sie allerdings spürbar in die ersten Lebensbereiche, den Alltag der Menschen, ein. Die Drehbuch-Autoren und Schauspieler Hollywoods streiken seit Monaten, um den Einfluss Künstlicher Intelligenz auf ihr Werk zurückdrängen zu können. Populäre Autoren reichen Plagiatsklagen gegen K.I.-Anbieter wie ChatGTP ein, während Marvel Studios bereits Vorspänne zu Serien wie „Secret Wars“ (2023) von K.I. erstellen lässt. Die ersten Diskussionsrunden in den Talkshows des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurden schon geführt und die Ministerien bereiten sich auf eine Arbeitswelt voller Künstlicher Intelligenz vor. Die Debatte um K.I. erscheint futuristisch, fühlt sich noch fremd an – wie Sci-Fi-Geschichten aus einem fernen Morgen –, aber – und so einfach muss man es festhalten – die Zukunft ist schon längst Gegenwart. Wir treten in ein neues Zeitalter ein. Und die Geschichte, die uns „The Creator“ erzählen möchte, könnte demnach nicht aktueller sein; trotz aller dramaturgischer und inszenatorischer Überhöhungen.

Die umgekehrte Schöpfungsgeschichte – der Mensch, der sich von einer Schöpfung zum Schöpfer aufschwingt – gehört seit Anbeginn der Science-Fiction-Literatur nicht nur zu ihren populärsten Themen, sondern stellt vielleicht gar ihr Fundament dar. Man denke nur an Mary Shelleys wegweisenden Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“, („Frankenstein or The Modern Prometheus“) aus dem Jahre 1818. Diese Schauer-Mär setzte nicht nur den menschlichen Schöpfer in den Mittelpunkt der Handlung, der sich über seinen eigenen Schöpfer, Gott, hinwegsetzt, indem er seine Schaffenskraft einsetzt, um letztlich den Tod zu besiegen, sondern behandelt auch eine Ur-Angst des Menschen: ersetzt zu werden. Schon der Originaltitel von Shelleys „Frankenstein“ („ … oder Der moderne Prometheus“), heute kaum noch verwendet, verweist darauf und verknüpft ihre damals moderne Horror-Vorstellung mit den philosophisch anmutenden Geschichten der griechischen Antike. Prometheus, der sich dazu aufschwang, es den Göttern gleichzutun und dafür abgestraft wurde. Dr. Frankenstein war nicht nur ein moderner Prometheus – sein Wunsch selber Leben zu erschaffen, stellte auch seinen Untergang dar –, sondern auch ein Schöpfer, eben ein „Creator“.

Der Mensch schuf ein Abbild.
(© 2023 20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Selbstverständlich muss „The Creator“ somit in zahlreichen Momenten an die großen Klassiker der Science-Fiction erinnern. Nicht nur „Frankenstein“, sondern auch Phillip K. Dicks „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ (verfilmt als „Blade Runner“, 1982), Steven Spielbergs „A.I. – Künstliche Intelligenz“ („A.I. – Artificial Intelligence“, 2002) oder Isaac Asimovs „Ich, der Robot“ (verfilmt als „I, Robot“, 2004) – man mag vielleicht auch Harlan Ellisons „Demon with a Glass Hand“ (1964) oder „Soldier“ (1964) als Inspiration zu James Camerons „The Terminator“ (1984) dazu nehmen. „The Creator“ zitiert reichlich, es erscheint allerdings unmöglich einen solchen Stoff aufzuarbeiten, ohne Ähnlichkeiten mit diesen großen, visionären Werken zu vermeiden. Doch hier verstolpert sich der Film etwas. „The Creator“ will dies alles bedienen, geht sogar auf die erwähnte Ur-Angst des Menschen ein – in einem Nebensatz fällt eine Parabel, die darauf verweist, dass der Homo sapiens durch Mord, Vermehrung als auch Vergewaltigung letztlich den Neandertaler als dominante menschliche Spezies verdrängte –, allerdings werden diese Ansätze nicht wirklich genutzt. Der große evolutionäre Bogen wird nicht gespannt; all diese Referenzen werden lediglich hineingestreut. Es bleiben leider nur Verweise ohne dramaturgische Tiefe oder Konsequenz.

„The Creator“ setzt zwar in Momenten interessante neue Schwerpunkte, kreiert eine an sich faszinierende (alternative) Welt und Ausgangslage für seine Charaktere, kann dies alles allerdings nicht vollends befriedigend zu einer Einheit formen. Vielleicht mag dies mit dem Autoren- und Schauspieler-Streik bezüglich der K.I.-Revolution zusammenhängen, der Nachdrehs oder streng genommen jede Form der Nachbesserung unmöglich machte. Denn kein Satz hätte ab Mai 2023, dem Anfang des Streiks, mehr verändert werden können. Dies ist natürlich rein spekulativ – es existiert bisher kein Indiz dafür –, würde aber die inhaltliche Schwerfälligkeit erklären. „The Creator“ fühlt sich unvollständig an, als ob der letzte Rohschliff noch fehlen würde. Wett macht dies tatsächlich nur die Optik.

Nomad, die globale K.I.-Killermaschine.
(© 2023 20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Der Film wurde für gerade einmal achtzig Millionen US-Dollar produziert – eine Blamage für aufgeblähte Sommer-Blockbuster wie „The Flash“ (2023), die ein Budget von dreihundert Millionen US-Dollar mit sich schleppten – und verblüfft in der reinen Qualität als auch Kreativität seiner visuellen Effekte. Edwards verstand es früh in seiner Karriere jeden Shot seines Films vorab zu planen und das Maximum herauszuholen. Man denke nur an seinen Debütfilm „Monsters“ (2010). Doch trotz aller technischen Brillanz schafft „The Creator“ es leider nicht, inhaltlich vollkommen zu überzeugen. Demnach bietet der Film viel visuellen Bombast, aber eben bedauerlicherweise ohne erzählerische Eleganz oder Leichtigkeit präsentiert. Der Handlungsverlauf wirkt schwerfällig; wie eine prächtige, aber alte Lok die einen Berghang hinauf tuckert. Um dies etwas aufzubrechen, wird die Story zwar linear, allerdings in Kapiteln aufgesplittet erzählt, von denen „The Creator“ nach einem dramatischen Prolog, lediglich das erste darstellt. Diese Erzählweise verleiht dem Werk mehr Struktur, entschleunigt es aber auch. Es wirkt etwas wie ein nachträglicher narrativer Kniff, um die unterschiedlichen Settings und Höhepunkte voneinander abzukoppeln, anstatt sie ineinander fließen zu lassen. Eine Miniserie mit vier Episoden wäre denkbar gewesen; in diesem speziellen Fall hätte es dem Flow der Story sicherlich geholfen. In seiner jetzigen Form fühlt sich „The Creator“ paradoxerweise gleichzeitig zu kurz als auch zu lang an und stellt ein Staccato an Ideen dar.

Edwards kreiert eine Fake-Welt, die vollkommen vage bleibt und kaum Bezugspunkte bietet, mit Ausnahme von nostalgischen Referenzen. Die Welt von „The Creator“ setzt bereits in den 1950er-Jahren an. Die K.I. entwickelt sich rasant, eine Atombombe detoniert in Los Angeles. Der von den USA geführte Krieg gegen die K.I. findet in Neu-Asien seinen Höhepunkt. Hier verbirgt sich der Rest der Künstlichen Intelligenz. Referenzen auf den Vietnam-Krieg sind en masse vorhanden. Nicht nur visuell, sondern auch auditiv. Songs der britischen Rockband Deep Purple begleiten den Protagonisten, Kamerafahrten über Reisfelder bestimmen das Bild. Warum dies so ist, ergibt sich aber nicht vollends. Gut möglich, dass Vietnam in den 2070er-Jahren eine K.I.-Großmacht darstellt, allerdings fühlt sich dies nicht real an, weil es auch nie ausgeführt wird. Als Zuschauer kann man sich nicht einmal vollends sicher sein, ob es sich überhaupt um Vietnam oder Kambodscha handelt. Dieses vage Neu-Asien soll (vielleicht …?) die alternative Version der Volksrepublik China darstellen, ohne diese aber bei klaren Namen nennen zu müssen. Zu groß könnte die Angst sein, dass die chinesischen Behörden dem produzierenden Studio 20th Century Studios (ehemals Fox) oder gar dem Mutterkonzern Disney den Markt versperren. Dies könnte die visuelle Parabel zum Vietnam-Krieg erklären. Inhaltlich ergibt dies wiederum kaum Sinn. „The Creator“ hätte auch in den bayrischen Alpen oder dem Dschungel Südamerikas spielen können.

Das Kind, das alles verändern kann.
(© 2023 20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Als Kontrahent werden die Vereinigten Staaten präsentiert, deren einziger echter Repräsentant, General Andrews (Ralph Ineson), wie eine Karikatur an General Buck Turgidson (George C. Scott) aus Stanley Kubricks „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ („Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb“, 1964) erinnert. Ein wortkarger, grimmiger General ohne nennenswerten Hintergrund. Unter seinem Kommando steht die Superwaffe Nomad, die über Ländergrenzen hinweg im All schwebt und jegliche K.I. ausrotten soll. General Andrews ist somit auch der einzige echte Vertreter der Menschheit, denn der Protagonist Joshua (John David Washington), dessen Familie bei der Atombomben-Explosion in Los Angeles starb, wechselt die Seiten und schützt wiederum die Superwaffe der K.I.: Ein Kind. Dieses wird nicht nur zum Mittelpunkt der Handlung erklärt, sondern entwickelt sich auch zum Gesicht und Herz der K.I.; die verfolgten Opfer. Dem Zuschauer wird dramaturgisch befriedigend allerdings nur ihre Perspektive präsentiert. Es ist schon etwas plump. Wer möchte das arme Kind nicht schützen? Aber es war die manipulative Entscheidung der K.I. ihre Superwaffe als Kind zu konstruieren und die Entscheidung des Regisseurs, den Vertreter der Menschheit als grimmigen Cowboy zu präsentieren. Dies alles irritiert, starben doch beim Atombomben-Angriff auf Los Angeles, Ausgangskonflikt der Handlung, mehrere Millionen Menschen. Ihr Schicksal scheint allerdings überhaupt nicht von Interesse.

Vielleicht, weil der Film versucht die Täterschaft in einem wohl angedachten Twist der amerikanischen Regierung zuzuschieben. Allerdings wird dies nur beiläufig erwähnt, ohne jeglichen Beleg. Es wirkt nicht vollends überzeugend; auch hier bleibt das Werk vage. Der Zuschauer weiß letztlich nicht, wem man glauben soll. Somit kann der dramaturgische Fokus auf den Hauptdarsteller nicht funktionieren. Soll man mit ihm mitfiebern, wenn man nicht einmal weiß, ob er überhaupt auf der richtigen Seite kämpft? Jeglicher Konflikt bleibt lediglich ein Spiel zwischen Antagonisten und Protagonisten; immerhin mit actionreichen Höhepunkten. Aber ohne Haltung, ohne Profil. Wir erfahren von allem genug, um einer Geschichte zu folgen, aber vom meisten zu wenig, um mitzufühlen.

Ein inszenatorisch sicherlich bombastisches und teils unheimlich kreatives Werk, dass eine interessante Ausgangslage und Welt kreiert, aber dramaturgisch sich leider nicht entscheiden kann, wo es den Schwerpunkt setzen will und bedeutende Aspekte der Geschichte nur oberflächlich behandelt. Trotz aller technischen Brillanz und visuellen Opulenz lässt „The Creator“ den Zuschauer teils ratlos zurück.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!