Der sogenannte „Sturm auf das Kapitol“ am 6. Januar 2021 hat nun auch kulturelle Folgen. Nachdem bereits öffentlich eine Absetzung der Comicfigur The Punisher gefordert wurde, findet nun eine Debatte darüber statt den US-Präsidenten Donald Trump rückwirkend aus Werken der Popkultur zu entfernen.
Trump verstand es schon sehr früh sich medienwirksam in Szene zu setzen. Besonders in den Anfängen seiner Karriere, als er mit einem Kredit seines Vaters versuchte ein Bau-Imperium zu erschaffen, spielte er wie kaum ein anderer Celebrity mit den Schlagzeilen der Medien. Demnach war es ihm immer besonders wichtig in unterschiedlichen Werken präsent zu sein. Als das Produktionsstudio 20th Century Fox anfragte, ob man für die Fortsetzung „Kevin – Allein in New York“ („Home Alone 2: Lost in New York“, 1992) im prestige-trächtigen Plaza-Hotel drehen dürfte, welches zum Trump-Imperium gehört, erlaubte er dies unter der Bedingung einen Kurzauftritt im Film zu haben. In einem Interview mit Insider.com sagte Regisseur Chris Columbus, dass Trump sich in den Film regelrecht drängte. Da sein Cameo-Auftritt bei Testvorführungen allerdings gut ankam, ließ er die kurze Szene drin.
„Trump said OK. We paid the fee, but he also said, ‚The only way you can use the Plaza is if I’m in the movie.‘ So we agreed to put him in the movie, and when we screened it for the first time the oddest thing happened: People cheered when Trump showed up on-screen. So I said to my editor, ‚Leave him in the movie. It’s a moment for the audience.‘ But he did bully his way into the movie.“
Nun mehreren sich in den sozialen Netzwerken die Forderung Trumps kurzen Gastauftritt aus dem Film zu schneiden. Unter diesen Stimmen fällt unter anderem auch Hauptdarsteller Macauly Culkin. Natürlich sollte man solche Diskussionen nicht zu hoch werten. Forderungen dieser Art gab es schon oft. Allerdings wissen wir auch, dass vor allem die großen Medienkonzerne rückwirkend selbst alte Filmklassiker verändern und umschneiden, um aktuellen Kontroversen aus dem Weg zu gehen. Mehrere alte Filme mussten für eine aktuelle Veröffentlichung auf Disney+ bereits angepasst werden, damit sie dem nun sauberen Image der Firma entsprechen.
Bereits 2019 entfachte sich online eine Debatte, als Trumps Szene in „Kevin – Allein in New York“ für eine Fernsehausstrahlung im kanadischen TV herausgeschnitten wurde. Allerdings betonte der Fernsehsender damals, dass dies nichts mit der Politik von Donald Trump zu tun hätte, sondern man den Cut schon für eine TV-Ausstrahlung anno 2014 vornahm, als Trump politisch lediglich auf Twitter aktiv war. Der Cut ging nur auf die Entscheidung zurück, den Film aus Zeitgründen zu straffen. Trumps Sohn Donald Trump Jr. nahm dies aber natürlich trotzdem zum Anlass ebenfalls auf Twitter herumzupoltern, um das Narrativ zu nähren, dass sein Vater, der Präsident, von den Mainstream-Medien boykottiert und zensiert wird. In einem wohl humoristisch gemeinten Tweet, der mittlerweile aufgrund von Trumps Twitter-Bann nicht mehr abrufbar ist, schrieb Trump, dass der Cut im Film wohl aufgrund seiner harten NATO- und Handelspolitik gegenüber Kanada vom kanadischen Premierminister Justin Trudeau persönlich vorgenommen wurde. Dies ist natürlich Quatsch.
‘Pathetic’: Canada’s CBC under fire when Trump’s cameo in ‘Home Alone 2’ disappears from Christmas broadcast https://t.co/zJUij9qrLe
— Donald Trump Jr. (@DonaldJTrumpJr) December 26, 2019
Die Ironie: Es waren über Jahrzehnte exakt diese sogenannten Mainstream-Medien, die Donald Trump letztlich groß gemacht haben. Als er bereits in der Versenkung verschwand, gab NBC ihm die Möglichkeit als Host der Reality-TV-Show „The Apprentice“ (2004–2015) wieder relevant zu werden. Vollkommen unerwartet entwickelte sich die Show auch aufgrund der rabiat inszenierten Auftritte von Trump als taffer Businessman zu einem Quotenhit. Natürlich war dies alles gestellt, nutzte Trump allerdings enorm. Nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 möchten sich nun rückwirkend zahlreiche Medienvertreter von Trump endgültig distanzieren. So, als ob er nie existiert hätte.
Die erneuten Forderungen, Trump rückwirkend ins Medien-Nirvana zu schicken, enthalten somit auch eine gewisse Heuchelei. Trumps Medienkarriere ist eng mit seinem politischen Aufstieg verknüpft. Man kann beides nicht voneinander trennen. Versucht man diesen rückwirkend zu vertuschen, begeht man im Grunde eine Art Geschichtsfälschung. Natürlich ist „Kevin – Allein in New York“ lediglich ein amüsantes Stück 90er-Popkultur. Im Kontext von Trumps politischer Karriere aber eben auch einer der vielen Bausteine, die letztlich das Fundament für seine Präsidentschaft legten und somit tatsächlich ein Teil der Geschichte darstellen. So absurd es sich auch lesen mag.
‐ Markus Haage