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Das SnyderVerse: Ein majestätisches Comic-Monstrum, das seiner Zeit weit voraus war…

verfasst am 26.Dezember 2022 von Markus Haage

Mit der Ernennung von James Gunn und Peter Safran als neue Chefs von DC Studios endet eine Ära endgültig: das sogenannten SnyderVerse. Der ursprüngliche Kern des DC Cinematic Universe, welches die Comic-Verfilmungen von Warner Bros. in den letzten neun Jahren maßgeblich prägte.

Mit der überraschenden Kündigung von Henry Cavill als Superman ist das sogenannte SnyderVerse von Warner Bros. Pictures endgültig begraben wurden. Cavill war der Dreh- und Angelpunkt dieses Cinematic Universe, welches ganz streng genommen nur wirklich aus den vier Filmen „Man of Steel“ (2013), „Batman V Superman“ (2016), „Wonder Woman“ (2017) und „Zack Snyder’s Justice Lague“ (2021) bestand. Filme wie „Aquaman“ (2019) oder „Shazam!“ (2019) sind zwar offiziell Teil dieses Universums, hoben sich aber inszenatorisch bereits drastisch von Snyders Vision ab (und entstanden nach seinem Rauswurf). David Ayers „Suicide Squad“ wurde wiederum nie veröffentlicht. Die bekannte Kinofassung ist, ähnlich wie Whedons „Justice League“ (2017), eine zusammen geschnipselte und drastisch veränderte Version. Ayers Originalfilm enthält keine Popsongs, hat andere Antagonisten, einen anderen Spannungsaufbau und leitete in „Zack Snyder‘s Justice League“ über. Dennoch spielte auch diese Kinoversion rund 800 Millionen US-Dollar ein. Kommerziell war das SnyderVerse somit nie ein Flop, auch wenn dieser oft herbeigeredet wurde.

Das Snyderverse: Ein unvollendetes Film-Universum.
(© Warner Bros. Entertainment Inc., HBO Max)

Inflationsbereinigt liegt das Box-Office von „Man of Steel“ heute bei 850 Millionen US-Dollar. „Batman V Superman“ und „Wonder Woman“ würden inflationsbereinigt sogar die 1-Milliarde-Dollar-Grenze durchbrechen. Aber das poppige Marvel Cinematic Universe als direkter Konkurrent, totaler Crowdpleaser und Trendsetter setzten das SnyderVerse stets unter Druck, bis Warner nach gerade einmal zwei Filmen die ultimative Fehlentscheidung traf. „Zack Snyder’s Justice League“ ging als zweiteiler in Produktion, musste wärhend der Dreharbeiten zu einem Film umgeschrieben werden und geplante Solofilme, die viel inhaltlichen Ballast vom Werk genommen hätte, wurden gestrichen. Mit Whedons darauffolgenden kompletten Recut und Reshoot von „Justice League“ wurde ein Desaster erschaffen. Denn das SnyderVerse ging mit Snyders ursprünglicher Version von „Justice League“ erst voll auf. Man erkennt hier den größeren Plan, das Konzept und wohin die Reise letzte führen sollte. Ein Release im Jahre 2017 auf der großen Leinwand hätte sicherlich die Trendwende gebracht; vielleicht aber auch die Erkenntnis, dass das SnyderVerse ein eigenes Ding ist, welches man geradeaus erzählen sollte, anstatt ein Multi-Milliarden-Merchandise-Franchise mit zig Spin-Offs zu kreieren. Ein klarer Anfang, ein klarer Mittelteil, ein klares Ende.

Die Geschichte des SnyderVerse ist somit enorm komplex. Die kreativen Entscheidungen, die dieses teils drastisch beeinflussten, ebenfalls. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, dem sei dieser Artikel empfohlen: „Zack Snyders „Justice League: Die wilde Geschichte des Snyder-Cuts“.

Snyder bediente nicht nur zahlreiche Sci-Fi- und Fantasy-Elemente, sondern vermixte sie gar mit Szenarien aus dem Genre Horror, traute sich Heroen vom Thron zu stürzen, sie in moralische Grauzonen zu stoßen, wob sie in teils ganz neue Settings ein, vermischte Realpolitik mit Blockbuster-Spektakel, zitierte Kunst und Kultur, verknüpfte ganze Mythologien miteinander und sprengte sie mit roher cineatischer Gewalt wieder auf, stellte kontroverse Fragen, weigerte sich gleichzeitig frühzeitig definitive Antworten zu geben, und bettete diesen ganzen Wahnsinn an brachialen Ideen und Konzepten in eine atemberaubende Optik ein, die wiederum bedeutende Teile der Handlung transportierte, ohne sie zusätzlich zu erklären (siehe folgenden Artikel „Batman v Superman: Mensch gegen Gott“). Es gab keine Atempause. Weder inhaltlich noch optisch. Weder für die Charaktere, noch für die Zuschauer.

Selbst in die Endzeit traute sich Snyder und ließ Superman zum Engel der Apokalypse werden.
(©Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights reserved.)

Snyder erklärte nicht viel. Seine Filme waren wie ein aufgeschlagenes Comicheft, das man mit zehn Jahren erstmalig staunend in den Händen hielt. Wenn Green Lantern durch die Lüfte fliegt, erfolgt keine Origin Story. Er existiert, genauso wie das Lantern Corps. Würde man bei einem Action-Thriller aus den 1980er-Jahren auch stets erklären, wer das FBI, die Vereinten Nationen oder der KGB sind? Wo die Sowjetunion oder West-Berlin sich befinden? Natürlich nicht. Ähnliches wird auch von den Zuschauern des SnydersVerse erwartet. Nicht nur dramaturgisch, sondern auch optisch. Snyder verstand sich stets als „visual storyteller“. Eigentlich perfekt für die Regie einer Comic-Verfilmung geeignet. Er verlangte aber vielleicht von einigen Zuschauern zu viel ab.

Der Erlöser? Oder nur ein falscher Gott?
(©Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights reserved.)

Letzten Endes sind Comicverfilmungen auch aufgrund des Erfolges des Marvel Cinematic Universe große multimediale Franchise-Produkte und globale Marken geworden, über deren Erfolg und Misserfolg reine Zahlen, wie etwa der Aktienkurs des Mutterkonzerns, entscheiden können. Nicht nur verkaufte Kinotickets zählen, sondern auch Merchandise-Verkäufe. „The Joker“ (2019) wurde zwar mit einem Oscar® ausgezeichnet und spielte weltweit mehr als eine Milliarde US-Dollar ein (nicht inflationsbereinigt), aber das extrem lukrative Merchandise war schlicht nicht vorhanden. Ähnliches galt für das SnyderVerse. Es waren Kinofilme, kein Merchandise-Franchise. Welches Kind will schon mit der Actionfigur eines verbitterten, hasserfüllten Batmans spielen, dessen Traumata – die qualvolle Verbrennung des Ziehsohns Robin durch den Joker – ihm fast in den faschistischen Abgrund geführt hätten, und dessen Menschlichkeit nur durch das selbstlose Opfer eines Außerirdischen zurück erlangt werden konnte, den er selber versuchte zu töten? Kein Stoff für ein Spielzeug-Set, aber eine großartige Handlung für einen Film.

Snyders Vision sah sich aber nie als reines Popcorn-Entertainment für eine anonyme Masse. Es besaß Ecken und Kanten, forderte heraus, ging eigene Wege, unterlief Erwartungen, um diese dann letztlich zu übertreffen. Superhelden-Erzählkino mit einer ganz eigenen Dynamik. Das SnyderVerse war ein majestätisches Comic-Monstrum, das seiner Zeit weit voraus war. Dies erkennt man sicherlich noch am allerersten Teaser-Trailer, der im Juli 2012, vor mehr als zehneinhalb Jahren, veröffentlicht wurde. Eine solch bildgewaltige Wucht, die von der ersten Sekunde an den Anspruch besitzt ein Epos zu sein, konnte keine Comic-Produktion bisher replizieren.

Was wir hier sehen ist nicht einfach nur ein Franchise-Blockbuster, nicht einfach nur ein Popcorn-Movie. Selbst im heutigen Kontext, nach über zehn Jahren und über vierzig (!) Big-Budget-Superhelden-Filmen fühlt es sich an wie … echtes Kino, mit inszenatorischen Anspruch und einer ganz eigenen Vision, welche wohl dazu prädestiniert war, für Kontroversen zu sorgen. Für Kunst im Allgemeinen eigentlich stets ein gutes Zeichen.

Zack Snyders Vision bleibt unvollendet, auch wenn „Zack Snyder’s Justice League“ (2021) ein Ende besitzt. Ein offenes Ende, aber immerhin ein Ende mit einem unglaublichen Finale. Was danach noch gekommen wäre, wäre inszenatorisch als auch inhaltlich nicht weniger herausfordernd geworden. Wir werden es wohl nie sehen. Und dies ist tatsächlich ein Verlust. Für das Superhelden-Subgenre, für das Kino, für das Medium Film und für die Kunst.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!