Am 18. März wird Zack Snyders „Justice League“ weltweit seine Premiere als Stream oder Video-on-Demand feiern. Ein fast schon historisches Ereignis, denn hinter den Kulissen wurde die Veröffentlichung von Snyders ursprünglicher Vision über Jahre hinweg versucht zu verhindern. Nur das Engagement zahlreicher Fans, die sich vor allem unter dem Hashtag #ReleaseTheSnyderCut versammelten, konnte dies gegen alle Widerstände ermöglichen. Eine Geschichte über den Wandel der globalen Medienlandschaft, des Medium Films und den Kontrollverlust der traditionellen Filmstudios.
Comic-Verfilmungen stellen das derzeitige Gold der Leinwand dar. Jedes große Studio bemüht sich nicht nur Geschichten von übernatürlichen Heroen zu erzählen, sondern diese auch in episodenhafte Franchises zu verpacken, welche mit Spin-Off-Filmen endlos multimedial fortgeführt werden können. Dieser Trend ist nicht neu. Cinematic Universes existierten schon vor 80 Jahren – man denke hierbei nur an das Universal-Monster-Franchise –, aber nicht nur die Qualität und Masse hat sich drastisch geändert, sondern auch die Rezeption des Publikums durch die sozialen Netzwerke. Eine Art von Teilhabe entstand, die zeitweise als toxisch bezeichnet wird. Studios stehen unter permanenten Druck bei mehrjährigen Produktionen jedes Detail für eine anonyme Masse und somit jeden Geschmack zufriedenstellend herzustellen. Nichts darf mehr anecken oder gar eine Kontroverse auslösen. Eine einzige Fehlentscheidung kann ganze Produktionen und Karrieren ruinieren und jahrelange Debatten auslösen…
Eine neue Macht erhebt sich
Als im Mai 2008 die Comicverfilmung „Iron Man“ mit Robert Downey Jr. in der Hauptrolle in die Kinos kam, konnte niemand auch nur ansatzweise erahnen, welch drastischen Wandel der Film letztlich einläuten sollte. Es war der Beginn eines sogenannten Cinematic Universe, einer Reihe von Filmen, die inhaltlich eng miteinander verknüpft sind, aufeinander aufbauen und ineinander greifen. Den vorläufigen Höhepunkt fand dieses Universum, das sogenannte MCU (Marvel Cinematic Universe), in der Veröffentlichung von „Avengers: Endgame“ im Jahre 2019. Ein Event-Film, der nur am ersten Startwochenende global mehr als 1,2 Milliarden US-Dollar einspielen konnte. Mittlerweile umfasst das MCU mehr als 24 veröffentlichte Kinofilme und achtzehn Fernsehserien (Stand: März 2021), die sich wie die Serie „Agents of S.H.I.E.L.D.“ (2013–2020), teils über mehrere Staffeln erstrecken.
Anfangs war Marvel Studios noch auf Kooperationspartner beim Vertrieb angewiesen, mittlerweile stellt man selber eines der wertvollsten und bedeutendsten Filmstudios dar. In den USA wurden die ersten Marvel-Studios-Filme von Paramount Pictures in den Kinos präsentiert. In Deutschland sicherte sich die Concorde Home Entertainment GmbH die Distribution der „Iron Man“-Filme. Ein Deal, den man sicherlich nie bereut hat. Denn als der erste Teil in die Kinos kam, gehörte die Figur Iron Man eher zur zweiten Garde der Comic-Landschaft. Unter Comics-Fans recht beliebt, aber dem Massenpublikum eher unbekannt. Letztlich hatte Marvel Studios unter der Führung ihres damals noch sehr jungen Chefs Kevin Feige kaum eine große Auswahl. Marvel besaß nur wenige Verfilmungsrechte an den eigenen Charakteren. Das Spider-Man-Universum wurde bereits in den 1980er-Jahren an Columbia Pictures verkauft, die mittlerweile zum Sony-Konzern gehören, während die X-Men und all ihre Charaktere und Storylines bei 20th Century Fox landeten. Die Rechte an den Fantastic Four sicherte sich hingegen bereits 1986 der deutsche Filmproduzent Bernd Eichinger mit seiner Firma Constantin Film. Die Marvel-Welt war somit aufgesplittet, was dazu führte, dass man bei den Verfilmungen teilweise recht kreativ vorgehen musste. Das Wort Mutant durfte beispielsweise im Zusammenhang mit einigen Figuren wie Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) nicht fallen, da diese auch zum X-Men-Universum gehörten, an denen man keinerlei Verfilmungsrechte hatte. So wurden im MCU aus den Mutanten einfach Talente gemacht.
Auch wenn das MCU mit „Iron Man“ einen Überraschungshit landen konnte – der Film spielte 2008 rund 585 Millionen US-Dollar ein –, enttäuschten die darauffolgenden Produktionen „Der unglaubliche Hulk“ („The Incredible Hulk“, 2008) und „Iron Man 2“ (2010) bei Presse und Publikum. „Iron Man 2“ gilt unter Fans heutzutage immer noch als „einer der schlechtesten MCU-Filme“. „Captain America: The First Avenger“ („Captain America“, 2011) und „Thor“ (2011) fuhren ebenfalls nur mittelmäßige Kritiken als auch durchschnittliche Einspielergebnisse ein. Erst 2012 änderte sich dies dramatisch. Mit „The Avengers“ (2012) unter der Regie von Joss Whedon entfaltete sich das ganze Potenzial der Idee eines sogenannten cineastischen Universums. Die Heroen traten erstmals gemeinsam in einem Film auf, dessen Handlung vorab in den vorangegangenen Werken angeteasert wurde. Mit einem globalen Einspielergebnis von rund 1,5 Milliarden US-Dollar stellte „The Avengers“ den erfolgreichsten Film des Jahres dar. Die darauffolgenden Produktionen erweiterten das Universum nicht nur teils drastisch (siehe „Guardians of the Galaxy Vol. 1“), sondern entwickelten sich nun zu erfolgreichen Selbstläufern, die das MCU auch crossmedial pushten. Marvel wurde zu einer „global brand“. Das leicht zu identifizierbare rote Logo zu einem Markenzeichen für erstklassiges Popcorn-Entertainment.
Der altehrwürdige Comicverlag Marvel, unter dessen Führung die ersten Filme des MCUs entstanden, wurde bereits 2009 von der Walt Disney Company für gerade einmal vier Milliarden US-Dollar aufgekauft. Marvel verlor zwar seine Eigenständigkeit endgültig, aber konnte damit auf die Ressourcen eines der größten Medienkonzerne der Welt zurückgreifen. Mittlerweile hat man den altehrwürdigen Verlag vom hauseigenen Filmstudio getrennt. Marvel Studios stellt nun innerhalb des Disney-Konzerns eine eigene Institution dar. Mit dem Kauf des Medien-Konglomerats 21st Century Fox, zu dem eben auch das Produktionsstudio 20th Century Fox gehörte, konnte Disney zudem die Verfilmungsrechte der X-Men und Fantastic Four für Marvel Studios zurückgewinnen. Neben weiteren Charakteren, deren Lizenzen bei anderen Studios ausliefen, ist nun fast die gesamte alte Comicfamilie wieder unter einem Dach vereint. Ausnahme: Das Universum von Spider-Man. Allerdings konnte man sich hier auf einen Deal mit Sony Pictures einigen, sodass die Figur zumindest leihweise im MCU auftreten kann.
Die Zukunft des Marvel Cinematic Universe wird demnach bereits auf Jahre hinaus weitergeplant. Mit Werken wie „Black Widow“ (2021), „The Eternals“ (2022) oder „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ (2022) sind mindestens dreizehn weitere Kinofilme aktiv in Produktion. Die Superhelden leben aber nicht nur mehr auf der Leinwand und dem klassischen Fernsehbildschirm weiter, sondern jetzt auch via Disney+ in den Streamingkanälen. Mindestens zehn Serien für den Streaming-Dienst Disney+ werden oder wurden schon produziert. Die Nachfrage nach Marvel-Content ist demnach weiterhin groß. Die Umsätze der vergangenen zwölf Jahre belegen dies eindrucksvoll. Mit einem weltweiten Box-Office von 22,5 Milliarden US-Dollar ist das Marvel Cinematic Universe nur im Kino zur erfolgreichsten Filmreihe aller Zeiten mutiert. Ein Erfolg, der das Filmgeschäft nicht nur veränderte, sondern auch andere Produktionsstudios wachrüttelte.
Vergangener Ruhm
Ursprünglich hatte DC Comics bei den Leinwand-Adaptionen ihrer Heroen über Jahrzehnte die Nase vorn. Mit „Superman – Der Film“ („Superman: The Movie“, 1978) und „Batman“ (1989) konnten sie nicht nur kommerziell erfolgreich ihre Superhelden in die Kinos bringen, sondern erschufen auch zwei Klassiker des modernen Phantastischen Kinos, die mehrere nicht minder erfolgreiche Fortsetzungen nach sich zogen. Zudem gelten frühe Fernsehumsetzungen, wie „Batman“ (1966–1968) und „Wonder Woman“ (1975–1979), zu den TV-Klassikern ihrer Jahrzehnte, die noch heutzutage popkulturell relevant sind und zitiert werden. Marvel konnte nur mit der Serienadaption „Der unglaublich Hulk“ („The Incredible Hulk“, 1978–1982) punkten, die drei Fernsehfilme nach sich zog (Fun Fact: In diesen begegnete der Hulk bereits anderen Heroen wie Thor oder Daredevil), aber nie den kommerziellen Erfolg oder die kulturelle Bedeutung der DC-Produktionen erreichte. Natürlich konnte auch DC nicht immer mit jeder Adaption begeistern, doch DC-Verfilmungen, insbesondere im Fernsehbereich, waren in jedem Jahrzehnt präsent und einflussreich. Von „Superboy“ (1988–1992) und „Flash – Der Rote Blitz“ (1990–1991) über „Superman – Die Abenteuer von Lois & Clark“ („Lois & Clark: The New Adventures of Superman“, 1993–1997), dessen Pilotfilm mehr als 18 Millionen US-Zuschauer vor den Fernsehern bannte, oder „Birds of Prey“ (2002–2003) und „Smallville“ (2001–2011) bis hin zu „Gotham“ (2014–2019) und „Pennyworth“ (2019–). Man versuchte sich 1997 sogar an einer Fernsehversion der Justice League und 2006 an einer recht freien TV-Adaption von Aquaman. Mittlerweile existiert mit dem sogenannten Arrowverse sogar ein eigenes „Cinematic“ Universe auf dem Bildschirm, welches von Serien wie „Arrow“ (2012–2020), „The Flash“ (2014–), „Supergirl“ (2015–2021) und „Batwoman“ (2019–) getragen wird. Ein Universum, das nicht nur regelmäßig Crossover-Events produziert, sondern mittlerweile auch zehn Serien umfasst, die selbst rückwirkend den Kanon erweitern. Die Serie „Constantine“ (2014–2015) gehört nun auch zum Arrowverse, obwohl ursprünglich für einen anderen Sender produziert. DC besaß somit nie wirklich Berührungsängste damit, nicht nur ihre Figuren für unterschiedliche Medien adaptieren zu lassen, sondern auch neue Ideen unter großen Kompromissen umzusetzen. Und trotzdem gerieten sie gegenüber Marvel Studios massiv unter Zugzwang.
Als das Marvel Cinematic Universe bereits zaghaft anfing aufzublühen, um nicht nur die Zukunft der Comicverfilmungen, sondern auch des Kinos neu zu definieren, wusste Warner Bros. nicht so recht, wie sie ihre Helden auf die Leinwand bringen sollten, obwohl sie im Gegensatz zu Marvel (respektive Marvel Studios) Zugriff auf die Verfilmungsrechte all ihrer Helden hatten. Mit der „Dark Knight“-Trilogie (2005–2011) produzierte man zwar von der Kritik hochgelobte Blockbuster, die gar mit Oscars® ausgezeichnet wurden, doch der Kopf dahinter, der britische Regisseur Christopher Nolan, besaß kein großes Interesse die Geschichte fortzuführen, geschweige denn neue Superhelden-Storys umzusetzen. Dies zeichnete sich schon während der Nachproduktion zu „The Dark Knight Rises“ (2012) ab. Demnach wandte man sich an Zack Snyder, um ein Cinematic Universe vorzubereiten. Mit „300“ (2006) erschuf er bereits eine Graphic-Novel-Verfimung für Warner Bros., die vor allem beim Publikum populär war. Mit der Verfilmung „Watchmen – Die Wächter“ („Watchmen“, 2009) begeisterte er vor allem die Kritiker. Snyder schien somit die perfekte Person zu sein, um die DC-Superhelden auf die Leinwand zu transportieren. Wohlgemerkt nicht als Solofilme, die für sich alleine stehen, sondern als ein Cinematic Universe, welches im besten Fall multimedial die gleiche Begeisterung wie das MCU hervorrufen sollte.
Ein neues Universum
Man entschied sich recht früh, als Start und somit Herz eines möglichen Cinematic Universe die Geschichte um Kal-El vom Planeten Krypton neu zu verfilmen. Der letzte Superman-Film unter X-Men-Regisseur Bryan Singer, „Superman Returns“ (2006), wurde zwar erst fünf Jahre zuvor produziert, blieb aber mit einem weltweiten Einspiel von 391 Millionen US-Dollar (nicht inflationsbereinigt) kommerziell hinter den Erwartungen zurück, sodass eine Fortführung schon 2009 als de facto ausgeschlossen galt. Zwischenzeitlich versuchte sich der australische Filmemacher George Miller („Mad Max“) mit „Justice League: Mortal“ sogar an einer Verfilmung, das Projekt scheiterte allerdings aus Kostengründen bereits in der Vorproduktion. Auch eine Adaption des populären Helden „Green Lantern“ (2011) schlug fehl. Nicht nur explodierten die Kosten, das finale Werk wurde von Publikum und Presse zerrissen. Diese erste Verfilmung des Green Lantern Corps sollte bereits als Fundament für ein Cinematic Universe dienen. Um keinen erneuten Fehlschlag zu riskieren, heuerte man Christopher Nolan und dessen Bruder Jonathan an – letztlich die Schöpfer der einzigen erfolgreichen DC-Werke der letzten zwei Jahrzehnte –, um nicht nur die Storyline, sondern auch die Produktion des Films, der schließlich „Man of Steel“ (2013) und damit der Anbeginn des sogenannten DCEUs (DC Extended Universe) werden sollte, unter der Feder von Zack Snyder einzuleiten.
„Man of Steel“ startete im Sommer 2013 in den US-amerikanischen Kinos und somit nicht nur im Schatten des Erfolgs von „The Avengers“ ein Jahr zuvor, sondern auch in gewisser Konkurrenz zu „Iron Man 3“ (2013), der als Solofilm, aber eben Teil des MCUs, rund 1,2 Milliarden US-Dollar einspielen konnte. Ein ewiger Vergleich zwischen den beiden unterschiedlichen Welten war somit von Anfang an kaum zu verhindern. Zack Snyders Vision, die sich stilistisch vom eher poppigen MCU teils drastisch unterschied, spaltete die Fangemeinde. Die Tatsache, dass Superman am Ende seinen Gegner General Zod gar töten musste, insbesondere. Ein Nerd-Krieg, um die Deutungshoheit einzelner Momente des Films, entbrannte in den sozialen Netzwerken. Trotz der anhaltenden Diskussionen konnte „Man of Steel“ kommerziell überzeugen. Der Film spielte nur an den internationalen Kinokassen rund 680 Millionen US-Dollar ein. Somit war Snyders Film bis dato nach dem inflationsbereinigten Einspielergebnis von „Superman – Der Film“ die zweiterfolgreichste Superman-Adaption aller Zeiten. Zur Erinnerung: Bryan Singers „Superman Returns“ schaffte sieben Jahre zuvor nur knapp die Hälfte dieses Box-Office. Als Start in ein Cinematic Universe war „Man of Steel“ somit zumindest finanziell als Erfolg zu werten. Die Produktion weiterer Filme wurde angekündigt. Doch Warner schien dieser Erfolg nicht genug zu sein. Man erwartete von „Man of Steel“ intern ein Box-Office von einer Milliarde US-Dollar. Eine absurd hohe Forderung.
Je erfolgreicher sich die Filme des MCUs entwickelten, desto stärker wuchs auch die Kritik am DCEU, obwohl von Marvel bereits eine kaum vergleichbare Anzahl an Werken veröffentlicht wurde. Mit „Batman v Superman: Dawn of Justice“ kam 2016 erst der zweite Film dieses Universums in die Kinos. Zwar konnte das Werk weltweit fast 900 Millionen US-Dollar einspielen, teils hysterische Fan-Reaktionen ließen den Film aber als eine Art von Flop in Erinnerung bleiben. Abermals wurden vor allem einzelne Momente und Szenen kritisiert (Stichwort: Martha). Erst mit der Veröffentlichung des R-Rated-Director’s-Cuts, der rund 30 Minuten länger ging, änderte sich die Sichtweise auf den Film. So sehr, dass man sich wunderte, warum Warner Bros. nicht von Anfang an die ungeschnittene Vision in die Kinos brachte. Zu diesem Zeitpunkt lief die Produktion von weiteren DCEU-Filmen, wie etwa „Justice League“ (2017), allerdings schon auf Hochtouren: Es wurde bereits gedreht. Und die trotz des kommerziellen Erfolges teils hysterischen Reaktionen machten Warner Bros. nervös und beeinflussten die laufende Produktion weiterer Filme enorm.
Falsche Schlussfolgerungen
Ursprünglich sollte „Justice League“ als „Justice League: Part One“ in die Kinos kommen, was natürlich weitere Fortsetzungen suggerierte, doch bereits zu Drehbeginn entschied sich Warner die Produktion erst einmal auf einen Film zu beschränken. Schon zu diesem Zeitpunkt wurden teils drastische Kompromisse eingegangen, auch weil die Produktion anderer geplanter Solofilme des DCEUs ins Stocken geriet. So musste Snyder daraufhin mehr Handlung in weniger Laufzeit unterbringen, da es ersichtlich wurde, dass bestimmte Solofilme und somit die Einführung zahlreicher Hauptcharaktere, wie Aquaman oder The Flash, nicht vor „Justice League“ geschehen konnte. Mehr narrativer Ballast für sein geplantes Epos. Die Chefabteilung von Warner, vor allem Kevin Tsujihara, CEO von Warner Entertainment, war zudem unter dem Eindruck des Erfolges des MCUs unzufrieden mit den Reaktionen auf „Batman v Superman: Dawn of Justice“ und wollte auf Biegen und Brechen diesen Erfolg auch für sich beanspruchen, was sich unter anderem in der Forderung niederschlug die Laufzeit auf unter zwei Stunden zu drücken. Ökonomisch betrachtet, kann man dafür durchaus Verständnis haben, allerdings muss auch festgehalten werden, dass der Erfolg des MCUs eben nicht über Nacht kam, sondern über Jahre wuchs. Das DCEU befand sich erst im Jahre 3 seiner Existenz und hatte nur zwei Filme veröffentlicht, während das MCU schon zu einer multimedialen Saga herangewachsen ist. Der große Erfolg überschattete die anfänglichen Probleme des MCUs vollkommen.
Der Überraschungshit „Iron Man“ konnte von Marvel Studios ebenfalls nicht kopiert werden. Zur Erinnerung: Dessen Fortsetzung „Iron Man 2“ gilt bis heute als „schlechtester MCU-Film“ und bereits der zweite Eintrag im Marvel Cinematic Universe, „Der unglaubliche Hulk“, ist weitestgehend vergessen oder wird mit Ausnahme von Verweisen absichtlich ignoriert. Was darauf folgte, waren zwar unterhaltsame, aber eher durchschnittliche Filme. Marvel Studios benötigte mindestens sechs Jahre Zeit bis mit „The Avengers“ der Knoten platzte. Zeit, die Warner Bros. wiederum Zack Snyder und Co. nicht einräumen konnte oder wollte. Mit der Verpflichtung von Geoff Johns als neuer Chef von DC Entertainment und der eigens gegründeten Abteilung DC Films im Jahre 2016, sollte „Justice League“ der große Crowd-Pleaser werden, den Warner sich erhoffte und wohl eine Art Reboot darstellen. Eben bunter, poppiger, zugänglicher. Snyder musste argumentativ mit einem bereits existierenden Film-Universum in Konkurrenz gehen, obwohl er selber sich erst in der Einleitung seiner Filmreihe befand. Superman, wie wir ihn kennen, war in seinen Filmen noch nicht einmal geboren, und sollte seine Wiedergeburt als Vertreter von Wahrheit und Gerechtigkeit erst noch erfahren. Die Idee des DCEUs war es mit einem Dark Age und gefallenen Helden zu beginnen, um sie später erstrahlen zu lassen.
Während Snyder „Justice League“ drehte, befand sich David Ayer bereits in der Nachproduktion zu „Suicide Squad“ (2016). Dieses Spin-Off sollte sich aufgrund seiner Inszenierung nicht nur von anderen Comicfilmen abheben – hier steht nun ein Team aus Superschurken im Vordergrund –, sondern auch bedeutende Plotpoints in „Justice League“ vorbereiten. Ursprünglich wurden nicht nur die Parademons bereits in „Suicide Squad“ als Henchmen der Antagonistin Enchantress (Cara Delevingne) eingeführt, die man später komplett ersetzte, auch die Mother Boxes und der Antagonist Steppenwolf spielten bereits eine Rolle. Die Parademons sah man zuvor in einer Endzeit-Vision von Bruce Wayne (Ben Affleck), dem sogenannten Knightmare, bereits in „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Die Mother Boxes waren hingegen der zentrale McGuffin in Snyders geplanter „Justice League“-Trilogie, ähnlich der Infinity-Steine im MCU, während Steppenwolf der Hauptgegner in „Justice League“ werden würde. Wie wir heute wissen, wurde „Suicide Squad“ dem Regisseur David Ayer quasi entrissen. Die Parademons wurden komplett ersetzt, die Verweise auf die Mother Boxes und Steppenwolf entfernt. Szenen wurden nachgedreht und der ursprüngliche Handlungsablauf des Films durch einen radikal neuen Schnitt teils drastisch verändert. Dies betraf vor allem die Storyline um Harley Quinn (Margot Robbie) und dem Joker (Jared Leto). Die veröffentlichte Fassung im August 2016 wurde von den Kritikern dementsprechend negativ aufgenommen. Die harten Abänderungen gelten als sinnlos, da diese im Schatten der Kinofassung von „Batman v Superman: Dawn of Justice“ geschahen, dessen Director’s Cut im November 2016 wiederum begeisterte. Es schien so, als ob die Führung von Warner Bros. und DC Films sich stets von hysterischen Schlagzeilen inhaltlich leiten ließ, anstatt aufgrund des kommerziellen Erfolges der Filme zumindest eine Linie weiterzuverfolgen.
Auch „Suicide Squad“ galt aufgrund harscher Kritiken als Flop, obwohl der Film weltweit rund 745 Millionen US-Dollar einspielen konnte. Warner Bros. bekam zu diesem Zeitpunkt anscheinend kalte Füße und hinterfragte die komplette Ausrichtung ihres Comic-Universums intern. Obwohl die Dreharbeiten zu „Justice League“ im Herbst 2016 fast abgeschlossen waren, holte man Joss Whedon ins Boot, der Zack Snyder zur Seite stehen sollte, um die Stimmung seines Filmes aufzuhellen. Mit Whedon hatte man einen damaligen Fanliebling im Projekt, der nicht nur zwei Avengers-Filme inszenierte, sondern auch der Schöpfer von populären Kultserien wie „Buffy – Im Bann der Dämonen“ („Buffy the Vampire Slayer“, 1997–2003) und „Firefly – Der Aufbruch der Serenity“ („Firefly“, 2002) war. Unter seinem Einfluss wurden nach und nach Abänderungen an „Justice League“ gefordert. Den ursprünglichen Gags, die nur nebenbei eingefügt werden sollten, um das Werk aufzuhellen, folgte die Forderung komplette Szenen neu zu drehen. Im März 2017 legte Snyder seinen Director’s Cut zu „Justice League“ vor, der eine epochale Länge von 214 Minuten umfassen sollte. Zu lang für Warner Bros., obwohl Snyder schon an mehreren kürzeren Fassungen, inklusive einer Zwei-Stunden-Version, arbeitete, die allerdings Warner ebenfalls missfielen. Gegenüber der New York Times sagte Snyder:
„I thought the movie should be a little closer to three hours when I initially went into it. I know that it’s indulgent. The truth is there’s probably about 10 Snyder cuts — there’s a longer version than the four-hour version. There’s a three-hour version. A two-hour and 20. I think I showed the studio two hours and 40 minutes. And then I showed them subsequent cuts of two hours and 30 minutes, and two hours and 28 minutes, and two hours and 22 minutes.“
Neben den Problemen mit der angeblich zu langen Laufzeit, entsprach das düstere Epos nicht mehr Warner Bros.’ Idee eines Cinematic Universe. Snyder merkte, dass man ihm seinen Film entreißen wollte. Als seine Adoptiv-Tochter im März 2017 Selbstmord beging, entschied er sich dazu, nicht weiter um seine Vision zu kämpfen, sondern das Projekt freiwillig zu verlassen. Seine Arbeit war ja auch beendet, sein Film (mit Ausnahme einiger SFX-Einstellungen und Teilen des Soundtracks) fertig, und seine Familie brauchte ihn nun dringender. Das Schicksal des Films lag nun nicht mehr in seinen Händen.
Zwischenzeitlich wurde „Wonder Woman“ (2017) Ende Mai 2017 als nun mehr fünfter Eintrag des DCEUs in den Kinos veröffentlicht. Mit einem weltweiten Box-Office von rund 822 Millionen US-Dollar galt der Film als überraschender Sommerhit. Auch die Kritiker liebten das Werk, doch wollten anscheinend kaum anerkennen, dass Zack Snyder in die Produktion involviert war. Regisseurin Patty Jenkins wies mehrmals darauf hin, dass dieser Erfolg vor allem auch Snyder und dessen Frau Deborah zu verdanken sei, die eben nicht nur Gal Gadot als Diana Prince gecastet, sondern auch die Handlung und die Ausrichtung des Films als Produzenten maßgeblich mitbestimmt hätten. Eine moralische Unterstützung, die zu diesem Zeitpunkt aber leider schon zu spät kam. Mit dem Erfolg von „Wonder Woman“ im Rücken, hätte die Produktion von „Justice League“ sicherlich einen anderen Verlauf genommen, genauso wie der Erfolg des Director’s Cut von „Batman v Superman: Dawn of Justice“ wohl nicht zum Schnittmassaker von „Suicide Squad“ ein Jahr zuvor geführt hätte.
Ein gänzlich neuer Film
Mit Snyders Abgang übernahm nun Joss Whedon die volle Kontrolle über „Justice League“ und veränderte den Film teils drastisch. Das Vier-Stunden-Epos sollte auf zwei Stunden (inklusive Vor- und Abspann) reduziert werden, um massen- und Vertriebs-tauglicher gestaltet zu werden. Hierfür ergaben aber viele gekürzte Handlungsabläufe keinen Sinn mehr, sodass man sich de facto entschied, den kompletten Film mit Ausnahme weniger in sich geschlossener Szenen und natürlich der Action-Setpieces neu zu inszenieren. Auch wenn es in der Promotion oftmals hieß, dass Whedon nur zusätzliche Szenen einfügte und die Arbeiten am Film lediglich überwachte, wissen wir heute, dass er bis zu 90 % des Werkes neu inszenierte. Dies betrifft nicht nur neu gedrehte, sondern auch radikal abgeänderte Szenen. Da der Start im November 2017 nicht verschoben werden sollte, war somit Eile gefragt. Dies sorgte für den kuriosen Umstand, dass die Schauspieler sich auf die erneute Produktion kaum vorbereiten konnten. So stand Henry Cavill bereits für „Mission: Impossible – Fallout“ (2018) vor der Kamera. Für diesen Dreh ließ er sich einen Schnurrbart wachsen, den er aus vertraglichen Gründen (im Falle von Nachdrehs) nicht abrasieren konnte. In der Nachproduktion musste Superman somit digital der Schnurrbart aufwändig entfernt werden, was zusätzliche Kosten von mehreren Millionen US-Dollar bedeutete. Heute wissen wir, dass Warner Bros. mit Whedons Film nicht sonderlich zufrieden war, aber eine erneute Umkehr war ausgeschlossen. Auch, weil der Kinostart im Jahre 2017 der Führungsetage von Warner Bros. lukrative Boni in Aussicht gestellt haben soll. Letztlich sind diese Tentpole-Filme eben auch Wirtschaftsprodukte.
Joss Whedons „Justice League“ startete im November 2017 in den Kinos und konnte rund 657 Millionen US-Dollar umsetzen. Die Reaktionen der Presse waren eher verhalten, während die Fans teils wütend oder spöttisch reagierten. Der Film wurde weiterhin offiziell unter der Regie von Zack Snyder geführt, obwohl dieser mit der fertigen Filmfassung kaum noch etwas zu tun hatte. Aufgrund vorab veröffentlichter Trailer, realisierten einige Fans von Snyders ursprünglicher Vision allerdings relativ schnell, dass sie hier ein vollkommen anderes Werk serviert bekamen. Weder stand der Charakter Cyborg (Ray Fisher) im Fokus der Handlung, noch flog Superman mit seinem schwarzen Anzug durch die Lüfte. Auch fand Darkseid keine Erwähnung mehr und Steppenwolf wurde als einziger Antagonist der Handlung auserkoren. Die ersten Stimmen wurden laut, den sogenannten Snyder-Cut des Films zu veröffentlichten. Eine Art von Bewegung formierte sich, die anfangs belächelt oder ignoriert wurde, aber letztlich nie klein beigab.
Der Widerstand wächst
Recht früh begann Zack Snyder über seinen offiziellen Account auf dem sozialen Netzwerk Vero fast schon kryptische Hinweise auf eine andere Fassung, oder im Grunde einen anderen Film, zu geben. Dies hielt bei den Fans natürlich die Hoffnung am Leben, dass dieser ominöse Snyder-Cut irgendwann doch noch veröffentlicht werden könnte, auch wenn namhafte Branchengrößen, wie etwa Danny Elfman, der die Musik zu Joss Whedons Fassung komponierte, oder Zachery Levi, der die Hauptrolle in „Shazam“ spielte, dessen Existenz verneinten. Über populäre Fan-Websites wurden Gerüchte frühzeitig gestreut, dass Snyders Version „unwatchable“ war und deswegen eingestampft werden musste. Doch dies konnte die Fans nicht zurückhalten. Eine Petition wurde gestartet und sogar eine kleine Demonstration vor den Warner Bros.-Studios in Burbank veranstaltet. Zeitweise wurde versucht, diese Art von Bewegung als „toxisch“ zu diskreditieren. Zack Snyder hält bis heute dagegen und erklärte, dass er nicht verstehe, was an den Fans des Snyder-Cuts toxisch sein sollte, wenn diese nebenbei auch noch Hunderttausende von Dollar für eine gemeinnützige Suizid-Präventions-Organization einsammeln würden. Für Snyder besteht deswegen sogar der Verdacht, dass gezielt Artikel lanciert wurden, um die Fans des Snyder-Cuts in der Öffentlichkeit schlecht dastehen zu lassen:
„We know the people who were the architects of that narrative, and it’s pretty obvious what their agenda is. Those are people that I’ve been held back from confronting, by wiser people in the room. Because I’d love to get at some of these characters. Some direct conversation would be nice. Just to say, one, you don’t know shit about what you’re talking about… There’s a few of these guys where I could just get a list of everything they’ve ever said, that they thought was right, and [I could tell them] every single thing they’ve said is wrong.“
Zaghaft wurden mehr und mehr Details über Snyders Vision und Version bekannt. So verkündete Clerks-Regisseur Kevin Smith, der in den 1990er-Jahren selber an einer Superman-Verfilmung arbeitete, dass der Snyder-Cut nicht nur existiert, sondern natürlich auch weitere Filme hätte nach sich ziehen sollen. Relativ detailliert gab er Snyders Plan eines Cinematic Universe bekannt. So hätte der zweite Film vom Untergang der Menschheit und dem Fall der Justice League mit dem Sieg Darkseids gehandelt, während der dritte Film quasi in der Endzeit angesiedelt gewesen wäre. Die besagte Knightmare-Sequenz aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“ hatte dies auch bereits angeteasert. Mit vereinten Kräften, auch unter der Hilfe von Schurken wie Deadshot (Will Smith), hätte die Injustice League (unter Führung von Batman) Superman und Darkseid den Krieg erklärt und unter hohen Opfern gewonnen. Das DCEU hätte das Mittelalter verlassen und wäre in die Renaissance eingetreten. Eine epische Vision, die letztlich wohl nie umgesetzt werden wird.
Im März 2019 verkündete Snyder persönlich, dass seine Schnittfassung des Films tatsächlich existiert. Im Dezember desselben Jahres untermauerte er dies mit einem Foto der Zelluloid-Rollen seines Cuts. Damit bestand keinerlei Zweifel mehr an der Existenz des mittlerweile fast schon mystisch-verklärten Snyder-Cuts. Es waren zwar nur 1 1/2 Jahre seit Release von Whedons Kinofassung vergangen, aber der Warner-Konzern, als auch die Medienwelt, hatte sich in dieser kurzen Zeit teils drastisch verändert. Ein Siegeszug der Streaming-Netzwerke fand statt, Personal in den höchsten Führungsebenen wurde ausgewechselt. Kevin Tsujihara, CEO von Warner Bros., der auf ein schnelles Release der Kinofassung drängte, musste im März 2019 zurücktreten, da Anschuldigen von sexuellen Machtmissbrauchs öffentlich wurden. Geoff Johns, der unter anderem für den Umbruch innerhalb des DCEUs mitverantwortlich war, trat von seiner Position als Präsident bei DC Entertainment zurück, um sich wieder seiner Autoren-Karriere zu widmen. Die alte Führungsriege, die Joss Whedons Kinofassung maßgeblich zu verantworten hatte, war innerhalb kürzester Zeit fort. Ende 2019 unterstützen dann auch Gal Gadot und Ben Affleck offiziell die Veröffentlichung von Snyders Version.
Zusammen mit seiner Ehefrau Deborah Snyder präsentierte Zack im Februar 2020 bei einem geheimen Treffen den führenden Köpfen des WarnerMedia-Konzerns eine Schwarz/Weiß-Fassung von „Justice League“. Hier schlug er vor, den Film für ein Streaming-Release neu zu bearbeiten. Intern schien man Snyder nun zu folgen. Auch wenn Warner Bros. kein weiteres Geld investieren wollte und laut Deborah Snyder dafür plädierte nur einen unfertigen Rohschnitt zu präsentieren, zeigte HBO Max großes Interesse an einer Veröffentlichung. Insbesondere die Idee einer Art von Mini-Serie, der Vier-Stunden-Film aufgeteilt in sechs Kapiteln, schien HBO Max zu überzeugen, auch wenn man diese dann später doch fallen ließ.
Im März 2020 wurde die Sensation öffentlich verkündet: Der Streaming-Anbieter HBO Max kündigte offiziell an, Zack Snyders „Justice League“ im März 2021 veröffentlichen zu wollen. Hierfür gab man nicht nur ein opulentes Budget von angeblich bis zu 30 Millionen US-Dollar frei, um die SFX-Arbeiten zu beenden und einen neuen Soundtrack zu produzieren, sondern auch rund fünf Minuten an Material nachzudrehen (spätere Medienberichte sprachen gar von 70 Millionen US-Dollar, was sich allerdings wie eine absichtlich lancierte Falschmeldung las, um den Eindruck zu erwecken, dass der Snyder-Cut immer unfertig war). So erklärte sich Ben Affleck bereit in einer Endzeit-Szene mit Jared Letos Joker aufzutreten. Des Weiteren durfte Snyder zwei Fassungen erstellen: eine Farb- als auch Schwarz/Weiß-Version. Für beide Fassungen konnte er außerdem das IMAX-70mm-Bildformat verwenden, welches sein favorisiertes Bildformat darstellt (gleiches gilt übrigens auch für Filmemacher wie Michael Bay oder Christopher Nolan). Für ein neues Heimmedien-Release von „Batman v Superman: Dawn of Justice“ wird sogar eine neue 4k-Restaurierung vorgenommen, die auf dem IMAX-70mm-Format basiert.
Als weltweites Start-Datum wurde der 18. März 2021 auserkoren. Für Deutschland konnte sich Sky die exklusiven Ausstrahlungsrechte sichern. Eine Veröffentlichung auf DVD, Blu-ray und UHD wird für Ende Mai 2021 geplant. Um „Justice League“ in dieser aus seiner Sicht bestmöglichen Qualität zu präsentieren, verzichtete Zack Snyder auf eine Gage für die Erstellung des Snyder-Cuts für HBO Max.
Die Nachfrage und Begeisterung nach dem Snyder-Cut war enorm. Die Trailer erhielten Millionen von Abrufe auf unterschiedlichen Plattformen, Begriffe aus dem Film trendeten weltweit als Hashtags (#Weliveinasociety) und Tweets über den Snyder-Cut erhielten Hunderttausende von Likes und Shares. Bereits jetzt ist der Snyder-Cut rein vom Interesse her ein Erfolg. Warner Bros. hielt sich hingegen recht bedeckt. Bis zum Starttag hat das Unternehmen den Snyder-Cut weder nennenswert beworben oder überhaupt Promotion-Material zur Verfügung gestellt (Stand: 18. März 2021). Vielleicht auch, weil die Medienwelt sich drastisch verändert hat. Die Veröffentlichung des Films ging auf Drängen von WarnerMedia, dem Mutterkonzern, zurück, die ihren Streaming-Dienst HBO Max erste Priorität einräumen und für diesen eben sensationellen Content benötigen, um Aufmerksamkeit zu generieren. So absurd, wie es sich lesen mag: Die jahrelange Kontroverse um den Snyder-Cut garantierte dies somit, auch wenn dessen bloße Existenz nun alles infrage stellte, was Warner Bros.‘ ehemalige Führungsriege öffentlich verkündet hatte. Mit dem Wandel der Medienlandschaft ging zudem eine Art von Entmachtung einher. Warner Bros., das altehrwürdige Produktionsstudio, dass den Medienkonzern einst begründete, steht in der internen Hierarchie nicht mehr zwingend an erster Stelle. HBO Max ist die Zukunft. Der Order des Mutterkonzerns WarnerMedia konnte sich somit auch Warner Bros. letztlich nicht entziehen. Neben Zack Snyders „Justice League“ werden auch alle Großproduktionen von Warner Bros. aus den Jahren 2020 und 2021 ihre Premieren auf HBO Max feiern. Hierunter fallen Blockbuster wie „Godzilla vs. Kong“ (2021), „Dune“ (2021) oder auch „Matrix 4“ (2021). Diese drastische Entscheidung, Kinofilme als Stream zu präsentieren, führte übrigens auch dazu, dass Christopher Nolan öffentlich mit Warner Bros., beziehungsweise WarnerMedia, brach, den Konzern hart kritisierte und sich schwor, nie wieder für das Studio zu arbeiten.
Snyder ließ sich von diesen (noch anhaltenden) Diskussionen aber nicht beeinflussen und konzentrierte sich vollends auf die Fertigstellung seines Cuts, dessen langjährige Entstehungsgeschichte auch einen hohen persönlichen Tribut abverlangte, so dass er „Justice League“ seiner verstorbenen Tochter Autumn widmete. Bereits der erste Trailer enthielt Leonard Cohens Klassiker „Halleluja“ als musikalische Untermalung. Es war das Lieblingslied seiner Tochter.
Nachwehen
Nach der offiziellen Ankündigung des Snyder-Cuts auf HBO Max drangen auch immer mehr Details von den wohl teils chaotischen Nachdrehs zu Joss Whedons Kinofassung an die Öffentlichkeit. Whedon, mittlerweile wegen zahlreicher Belästigungs-Skandale aus Hollywood ausgestoßen, soll sich gegenüber dem Cast und der Crew des Films durchweg schlecht verhalten haben. Besonders Cyborg-Darsteller Ray Fisher äußerste sich mehrmals negativ über ihn und fasste dessen Regieführung folgendermaßen zusammen: „Joss Whedon’s on-set treatment of the cast and crew of Justice League was gross, abusive, unprofessional and completely unacceptable.“ Auch Schauspielerin Gal Gadot sprach von negativen Erfahrungen am Set des Films, die auf höchster Ebene innerhalb von Warner gelöst werden mussten. Sie nannte keinen Namen, aber Produzentin Deborah Snyder bestätigte im Grunde, dass Whedon sich Gadot gegenüber problematisch verhalten hätte, was auch immer dies im Detail genau bedeuten mag. Warner fühlte sich dazu gezwungen im Sommer 2020 eine unabhängige Kommission einzusetzen, die die Vorkommnisse während des „Justice League“-Nachdrehs unter Whedons Führung neutral untersuchen sollte. Laut Ray Fisher wurde hierbei in offiziellen Statements allerdings nicht die Wahrheit verkündet (Warner widerspricht diesen Behauptungen öffentlich), sodass dieser sich fortan weigert mit dieser Kommission oder bestimmten Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten. Dies führte letztlich dazu, dass Warner ihn als Cyborg für den kommenden Flash-Solofilm nicht mehr verpflichten wird.
Ein erneuter Neuanfang
Nach dem „Justice League“-Desaster begann man das DCEU vorsichtig neu auszurichten. Während Marvel Studios mit „Avengers: Endgame“ zwischenzeitlich ihren 23. MCU-Film präsentieren konnte, der sich zu einem kulturellen Ereignis und einem globalen Event mit einem Box-Office von 2,7 Milliarden US-Dollar entwickeln sollte, konnte Warner immerhin mit Filmen wie „Aquaman“ (2018) und „Shazam“ (2019) Kritiker als auch Publikum begeistern. „Aquaman“ durchbrach beim Einspiel als erster DCEU-Film sogar die 1-Milliarde-Dollar-Grenze, während sich „Shazam“ zu einem Achtungserfolg entwickelte. Doch dieser hielt nicht lange an. Mit „Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn“ („Birds of Prey and the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn“, 2020) und „Wonder Woman 1984“ (2020) produzierte man ein Spin-Off sowie eine Fortsetzung innerhalb des DCEUs, die von Fans und Kritikern teils regelrecht zerrissen wurden. Bemerkenswert an beiden Filmen war auch, dass die Verweise auf ein größeres Universum recht klein gehalten wurden. Für „Birds of Prey“ kehrte Jared Leto als Joker nicht mehr zurück, obwohl er für die Handlung des Films von zentraler Bedeutung gewesen wäre, und „Wonder Woman 1984“ ignorierte sogar den in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ etablierten Kanon um Diana Prince, die sich angeblich für fast ein Jahrhundert nach den Ereignissen aus dem ersten Teil zurückgezogen hatte. Auch wurde bekannt, dass Ben Affleck nicht mehr als Batman zur Verfügung stehen würde. Ursprünglich arbeitete er an einem eigenen Solofilm, der Teil des DCEUs werden sollte (mittlerweile sind die Dreharbeiten zu einem neuen Batman-Film bereits abgeschlossen). Mit „Joker“, einer eigenwilligen Neuinterpretation, konnte man bei einem Budget von gerade einmal 50 Millionen US-Dollar zwar nicht nur mehr als eine Milliarde einspielen, sondern auch Prestige-trächtige Awards, wie den Golden Globe oder den Oscar®, abräumen, allerdings war das Drama ein vollkommen eigenständiges Werk ohne Verbindung zum DCEU. Mittlerweile wurde unter der Regie von James Gunn sogar ein Reboot von „Suicide Squad“ unter dem (fast) identischen Titel „The Suicide Squad“ (2021) produziert, welches für den Streaming-Dienst HBO Max mit der Spin-Off-Serie „Peacemaker“ (2022) weitergeführt wird. Auch finden sich bereits die Fortsetzungen zu „Aquaman“ und „Shazam“ in Vorproduktion, sowie ein Solofilm zu „The Flash“, von denen aber noch nicht vollends bekannt ist, inwiefern sie das ursprüngliche DCEU überhaupt noch repräsentieren.
Zack Snyder sagte bereits, dass Warner seinen „Justice League“ nicht als Kanon betrachten wird und somit auch keine Fortführung planen würde, selbst wenn der Film sich auf HBO Max zu einem phänomenalen Erfolg entwickelt. Dies liegt auch daran, dass „Aquaman“ dem Snyder-Cut inhaltlich stark widerspricht (zur Erinnerung: Der Snyder-Cut wurde vor „Aquaman“ produziert und führt den Charakter damit erstmalig ein, während „Aquaman“ ein Origins-Film ist, der auf Whedons Kinofassung basiert). Als mittlerweile kommerziell erfolgreichster DC-Held auf der Leinwand wird Warner Bros. die von James Wan erschaffene Welt rund um Arthur Curry (Jason Momoa) nicht aufgeben können. Auch, weil bereits ein Spin-Off unter dem Titel „The Trench“ in Produktion ist und Wan mit seinen Conjuring- und Saw-Filmen für Warner Bros. unersetzlich ist. Das offizielle DCEU hat sich somit an Whedons „Justice League“ gekettet, insofern es klammheimlich keinen erneuten Neustart plant (ein Superman-Reboot von J.J. Abrams ist bereits angekündigt…). Die Post-Justice-League-Filme können demnach nicht mehr mit dem ursprünglichen Universum in Einklang gebracht werden. Snyders Vision wird somit unvollendet bleiben. Der eigentliche Höhepunkt, der Abschluss einer geplanten „Justice League“-Trilogie mit dem Fall und Wiederaufstieg von Superman, wurde nie gedreht. Allerdings glaubte auch kaum jemand an die Existenz des Snyder-Cuts oder gar einer Veröffentlichung dessen, genauso wie es vor einem Jahr noch undenkbar war, dass 200-Millionen-Dollar-Blockbuster als Streaming-Filme ihre Premiere feiern würden. Vielleicht hat HBO Max andere Pläne, so wie der Fernsehsender The CW ihr eigenes TV-Universum konstruiert hat. Sollte dies der Fall sein, dann sollte auch der Ayer-Cut von „Suicide Squad“ veröffentlicht werden. In diesem Sinne: #ReleaseTheAyerCut
Die Medienindustrie und Filmlandschaft hat sich in den letzten fünf Jahren gravierend verändert. Die traditionellen Filmstudios als auch das Studiosystem verlieren massiv an Macht und Einfluss. Das Medium Film wandelt sich. Episodenhafte Franchises, die jahrelange Vorausplanung benötigen, bestimmen nun den Blockbuster-Markt. Funktioniert ein Rädchen im Getriebe nicht richtig, so kommt die ganze Maschinerie ins Stocken. Fans, ohne die der Snyder-Cut nie Realität geworden wäre, sind Dank der sozialen Netzwerke nun eine Art Teil der Produktion. Man muss mit ihnen rechnen. Man muss ihre Reaktionen einkalkulieren. Im positiven als auch negativen Sinn.
‐ Markus Haage
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