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„Halloween Kills“ (USA, 2021)

verfasst am 21.Oktober 2021 von Markus Haage

(© 2021 Universal Studios. All Rights Reserved.)

„Evil dies tonight!“, behauptet noch die Tagline des Posters. Doch der mittlerweile zwölfte Film innerhalb des Halloween-Franchises macht deutlich, dass das Böse schlichtweg unsterblich ist. Ein Werk voller Hysterie und Bösartigkeit wird dem Zuschauer präsentiert, das die eigene Mythologie des Originalfilms konsequent eskalieren lässt. Oder um es mit den (verfremdeten) Worten einer True-Metal-Band zu sagen: „Other movies play, HALLOWEEN KILLS!“.

Offizielle Synopsis: Während Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) mit lebensbedrohlichen Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wird, geschieht das Undenkbare: Das Monster, das ihr das Leben zur Hölle gemacht hat, befreit sich aus dem brennenden Haus. Nichts und niemand scheint den brutalen Killer in seinem Blutrausch aufhalten zu können. Von Laurie inspiriert, erheben sich die Bürger von Haddonfield, um sich ein für alle Mal von diesem wiederkehrenden Albtraum zu befreien: „Das Böse stirbt heute Nacht!“.

In gewisser Hinsicht unsterblich: Michael Myers.
(© 2021 Universal Studios. All Rights Reserved.)

Als ein weiteres Sequel zum „Halloween“-Franchise 2016 angekündigt wurde, herrschte allerorts Skepsis. Die Tatsache, dass man Horror-Altmeister John Carpenter als Executive Producer und Komponist verpflichten konnte, rief zwar eine gewisse Begeisterung hervor, worauf das Produktionsstudio Blumhouse natürlich auch hoffte, Jahre an teils fragwürdigen Sequels hatten die Fan-Community aber mürbe gemacht. Eine gewisse Zurückhaltung war zu vernehmen. Seit 1980 versuchte man stets das bahnbrechende Original „Halloween – Die Nacht des Grauens“ („Halloween“, 1978) fortzusetzen. Schöpfer John Carpenter selber besaß daran nie ein großes Interesse. Für ihn war die Geschichte mit dem ersten Film schlichtweg aus erzählt, aber die Rechte am Franchise hielt er nicht. Man versuchte ihn stets auf die ein oder andere Art und Weise zu involvieren – der Versuch mit „Halloween III“ (1983) die Geschichte ohne Michael Myers weiterzuerzählen scheiterte zumindest kommerziell –, doch bereits mit „Halloween IV – Michael Myers kehrt zurück“ („Halloween 4: The Return of Michael Myers“, 1988) gaben er und Drehbuchautorin Debra Hill schon in der frühen Phase der Vorproduktion jegliche Ansprüche endgültig auf. Die Reihe wurde dennoch fortgesetzt, auch, weil der vierte Teil sich trotz aller Erwartungen als kommerzieller Hit herausstellte, allerdings beerdigte bereits die darauffolgende Fortsetzung „Halloween V – Die Rache des Michael Myers“ („Halloween 5: The Revenge of Michael Myers“, 1989) die Filmreihe erneut. Mittlerweile gilt der fünfte Film unter vielen Fans als eines der schlechtesten Werke innerhalb der gesamten Reihe. Sicherlich auch, weil man das überraschende Ende des Vorgängers durch einen Retcon zunichte machte. Teil 6 wurde größtenteils nur noch als eine Art von Direct-to-Video-Sequel wahrgenommen. Der siebte Teil, „Halloween H20“ („Halloween H20: Twenty Years Later“, 1998), für den man abermals versuchte Carpenter als Regisseur zurückzugewinnen, konnte zwar im Zuge des von Wes Cravens „Scream – Schrei“ („Scream“, 1996) ausgelöstem Revival des Slashergenres einen gewissen Erfolg verbuchen, aber die Filmreihe auch nicht wirklich reanimieren. Dies war so auch gar nicht geplant, stirbt Michael Myers doch eigentlich am Ende, auch wenn man ihn durch einen absurden Twist in „Halloween: Resurrection“ (2002) versuchte wiederzubeleben. Ein Unterfangen, das scheiterte. Es folgte ein Reboot mitsamt Sequel von Rob Zombie, welches zwar kommerziell durchaus einen Erfolg darstellte, allerdings rückblickend keinen besonderen Impact besaß. Ein geplanter dritter Teil wurde nie realisiert. Mit „Halloween“ (2018) entschied man sich demnach recht konsequent alle Werke nach dem Originalfilm zu ignorieren und gleichzeitig einen neuen Anfang als auch ein Ende zu etablieren.

Auch wenn es einige wenige Stimmen innerhalb der Fan-Community gab, die mit dem sogenannten Legacy-Sequel „Halloween“ haderten – insbesondere aufgrund der Einbindung zeitgenössischer Elemente der Woke-Bewegung –, stellte der mittlerweile elfte Film der Reihe mit einem weltweiten Einspiel von mehr als 256 Millionen US-Dollar (bei einem Budget von gerade einmal zehn Millionen US-Dollar) einen Mega-Hit dar, der Publikum und Kritiker teils begeisterte. Dies lag sicherlich auch an John Carpenters fantastischem Score. Zusammen mit seinem Sohn Cody Carpenter und Ziehsohn Daniel Davies erfand er sein altes Main-Theme neu, modernisierte es nicht nur, sondern erweiterte es enorm. Es ist absolut legitim zu behaupten, dass der Score zum Film nicht nur zur Atmosphäre beitrug, sondern auch einen großen Anteil am finanziellen Erfolg hatte.

Somit lief für das Produktionsstudio Blumhouse eigentlich alles perfekt. Sie hatten es tatsächlich geschafft, einen vierzig Jahre alten Horrorklassiker erfolgreich fortzusetzen. Das Ende von „Halloween“ suggerierte sogar bereits ein weiteres Sequel. Die Kamera fährt auf ein blutiges Küchenmesser, welches von Laurie Strodes Enkelin in der Hand gehalten wurde. Ein Indiz auf eine mögliche Fortsetzung der Geschichte? Würde das Böse auf eine neue Generation übergehen? Zumindest von zahlreichen Fans und Kritikern wurde dies so interpretiert, doch bereits die Ankündigung zu zwei weiteren Sequels unter den Titeln „Halloween Kills“ (2021) und „Halloween Ends“ (2022) machte deutlich, dass Michael Myers zurückkehren wird.

Michael Myers, eine unaufhaltsame Kraft.
(© 2021 Universal Studios. All Rights Reserved.)

„Halloween Kills“ knüpft nahtlos an das Ende des ersten Teils an. Laurie Strode und ihre Familie sind dem Bösen entronnen, aber nur für kurze Zeit. Während sie in einem Krankenhaus gepflegt werden, nimmt Myers keinerlei Auszeit und meuchelt nicht nur zuerst die Feuerwehrleute nieder, die Strodes brennendes Haus (als eine Falle für Myers konzipiert), löschen wollen, sondern bahnt sich auch seinen blutigen Weg zurück nach Haddonfield. Vom Prinzip her passiert hier nicht viel Neues – Myers Attacken wirken insbesondere im Kontext des vorangegangenen Filmes etwas redundant und seine Morde wie in sich abgeschlossene Kapitel –, außer dass die rohe Gewalt, die von Myers ausgeht, noch einen Grad höher gedreht wird. Doch zur Überraschung des Zuschauers verlegt der Film daraufhin den Fokus. Laurie Strode steht nicht mehr im Mittelpunkt der Geschichte, sondern die Bewohner von Haddonfield, die sich in einer Hysterie dazu entscheiden, das Böse endlich auszulöschen. Hierbei bedient sich Regisseur David Gordon Green zahlreicher Rückblenden auf den Originalfilm und lässt dabei sogar Material im Stile des Originals nachdrehen. Das absichtlich offene Ende von Carpenters Film – Michael Myers kann trotz mehrerer schwerer Wunden und sogar Schüssen in den Oberkörper vor Dr. Loomis fliehen – wird somit erweitert und den neuen Geschehnissen angepasst. Diese Rückblenden, so charmant sie auch sein mögen, wirken zeitweise wie reinster Fanservice, da Gordon Green wirklich bemüht ist, alle möglichen Figuren des Originals nicht nur lose zu referenzieren, sondern in kurzen Einblendungen dem Zuschauer ihre Rolle im Original in Erinnerung zu rufen, obwohl dies für die Handlung eigentlich kaum von Bedeutung ist. Selbst die Krankenschwester (Nancy Stephens), deren Auto Myers bei seiner Flucht im Originalfilm klaut, kehrt zurück. Hier verliert der Film leider etwas seine Kraft, da er sich selber immer wieder dazu zwingt in die Vergangenheit zurückzukehren, obwohl er sich von ihr eher lösen und in neue Gefilde – die erwähnte Hysterie der Bewohner ist der eigentliche Mittelpunkt des Films – aufbrechen sollte. Denn, wenn „Halloween Kills“ dies endlich tut, dann mit einer Konsequenz, die man von einem Horrorsequel kaum erwartet hätte. Dies spürt man übrigens auch in der Komposition des Soundtracks, der sich nun weniger auf das klassische Main Theme verlässt als es der Vorgänger noch tat, und weitaus experimentierfreudiger daherkommt.

Auch wenn „Halloween Kills“ sich vor allem im Aufbau irritierend viel Zeit lässt, neue Charaktere einzuführen, eine „neue“ oder erweiterte Storyline des Originals durch Rückblenden zu etablieren und Myers obligatorischen Rampage von Haus zu Haus zu zelebrieren, nimmt der Film ab der Mitte eine Dynamik auf, die John Carpenters ursprünglicher Idee vom Boogeyman nicht nur Tribut zollt, sondern diese vollends umarmt. Laut Schöpfer Carpenter ist Myers eine „unaufhaltbare, fast schon übernatürliche Naturgewalt, die man nicht töten kann“ („almost a supernatural force — a force of nature. An evil force that’s loose […].“, „unkillable“) und diese bricht in „Halloween Kills“ über Haddonfield wie ein Orkan herein. Dies gipfelt in einem überraschend konsequenten Ende, dass die Fan-Community wohl etwas spalten könnte, allerdings aufgrund der Historie von Myers eigentlich keine Alternative zulässt. Die Natur von Myers wird schlichtweg akzeptiert und er als das, was er nun einmal ist, auf der Leinwand endgültig manifestiert: das unaufhaltbare Böse. Auch dies wurde bereits in Carpenters Originalfilm (von Dr. Loomis höchstpersönlich!) etabliert, wenn auch nicht dermaßen konsequent präsentiert.

„Man sagte mir, er sei ein hoffnungsloser Fall. Kein Verstand, kein Gewissen und auch nicht das elementare Differenzierungsvermögen zwischen Leben und Tod, zwischen Gut und Böse, Recht oder Unrecht. Ich traf auf ein sechsjähriges Kind mit einem blassen, farblosen, emotionslosen Blick und den … schwärzesten Augen. Teuflischen Augen! Ich habe acht Jahre lang versucht mit ihm Kontakt zu bekommen, dann nochmal sieben Jahre um zu verhindern, dass er jemals wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Ich wusste zu gut, was sich hinter diesen Augen verbirgt … das absolut Böse.“
– Dr. Loomis (Donald Pleasence) in „Halloween – Die Nacht des Grauens“ (1978)

„Halloween Kills“ macht es sich demnach zur Aufgabe nicht nur die Natur Myers endgültig und unmissverständlich zu offenbaren, sondern auch die Auswirkung dieser auf die Menschen Haddonfields. Dies ist die eigentliche Handlung von „Halloween Kills“: totale Hysterie ausgelöst durch absolute Bösartigkeit. Es ist ein Themen- und weniger ein Charakterfilm. Und so nimmt selbst Laurie Strode lediglich die Rolle einer Beobachterin ein. Für den Zuschauer kann dies durchaus ernüchternd sein, da der klassische Fokus eines Films auf bestimmte Figuren in gewisser Hinsicht fehlt. Dies ist aber natürlich eine bewusste Entscheidung seitens des Regisseurs gewesen, die man eigentlich nur begrüßen kann, da er damit nicht nur die zu erwartende Routine eines Horror-Sequels ignoriert und somit die Erwartungen des Publikums unterwandert, sondern auf den mittlerweile zwölften Film im Franchise mit einer vollkommen neuen Perspektive blickt. Untermalt wird dieses abermals von einer vor allem im Detail unglaublich hochwertigen Produktion. Kameramann Michael Simmonds liefert teils brillant choreografierte Bilder, die ihre ganz eigene brutale Schönheit besitzen.

Die Bürger von Haddonfield schlagen zurück.
(© 2021 Universal Studios. All Rights Reserved.)

Über „Halloween Kills“ wird viel diskutiert werden und ein abschließendes Urteil ist wohl erst nach „Halloween Ends“ zu fällen. Als Mittelteil besitzt das Sequel einen entsprechend offenen Anfang als auch Ende. Aber vielleicht ist das Werk auch eher als eine Art Epilog auf „Halloween“ anzusehen. Demnach würde es mich persönlich gar nicht überraschen, wenn wir in spätestens einem halben Jahr semi-professionelle Fancuts sehen werden, die beide Filme miteinander kombinieren und Elemente aus „Halloween Kills“ bereits vor dem Finale in „Halloween“ einbaut. Die kommende Fortsetzung „Halloween Ends“ soll mehrere Jahre nach den Ereignissen in „Halloween Kills“ spielen, was den Eindruck verstärkt, dass der zweite Teil dieser neuen „Trilogie“ tatsächlich eher den finalen Akt des Vorgängers darstellt. Zudem kündigte Produzent Jason Blum bereits an, dass man gerne weitere Halloween-Filme produzieren würde. Dies bedeutet nicht zwingend, dass Michael Myers den noch kommenden Film überleben wird. Denn so sehr sich die Bürger Haddonfields gegenseitig mit dem Ausruf „Das Böse stirbt heute Nacht!“ hochpushen, so muss man schlichtweg feststellen, dass das Böse nie stirbt, sondern nur andere Formen annimmt. Vielleicht war das Schlussbild von „Halloween“ doch keine Finte. Aber dies wäre reine Spekulation.

„Halloween Kills“ stellt einen überraschend konsequenten Slasherfilm dar, der die von Carpenter etablierte Mythologie und die Eigenheiten des Slashergenres nicht nur respektiert, sondern drastisch weiterdenkt und es sich hierbei erlaubt, nicht nur die bekannte Perspektive aller Halloween-Filme zu verlassen, sondern sich vor allem auch Themen, anstatt Charakteren zu widmen. Es ist kein Standalone-Film, der lediglich von neuen Figuren lebt, sondern schlichtweg die logische Weiterentwicklung des vorangegangenen Werks und sollte deswegen auch dringend mit „Halloween“ als eine Einheit angesehen und bewertet werden. „Halloween Kills“ ist ein gewaltsamer Epilog, der durch seinen Antagonisten auf Steroiden zum Finale hin keinerlei Rücksicht mehr auf Verluste nimmt. Sei es unter den Bewohnern Haddonfields im Film oder auch unter den Fans vor der Leinwand.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!