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„Overkill – Durch die Hölle zur Ewigkeit“ (Japan, 1980)

verfasst am 27.August 2018 von Markus Haage

(© Indigo Musikproduktion + Vertrieb GmbH)

Die Endzeit naht! Ein Virus rafft die Menschheit dahin und das Atombomben-Arsenal der USA gibt der Welt den Rest! Willkommen in Kinji Fukasakus apokalyptischer Oper „Overkill – Durch die Hölle zur Ewigkeit“ („Fukkatsu no hi“, 1980). Und der Film wird dem deutschen Titel tatsächlich gerecht: Es ist ein wahrhaftiger Overkill!

Synopsis: Ein tödlicher Virus hat die Welt fest im Griff. Innerhalb weniger Wochen wird fast die gesamte Erdbevölkerung von der sogenannten Italienischen Grippe dahingerafft. Nur am Südpol hat eine verhältnismäßig kleine Gruppe an Wissenschaftlern überlebt, da der Virus bei unter null Grad passiv bleibt. Doch einer ihrer Forscher sagt ein Erdbeben voraus, dass das US-Frühwarnsystem auslösen und damit einen nuklearen Schlagabtausch hervorrufen könnte! Dieses muss verhindert werden! Das Überleben der menschlichen Rasse hängt davon!

Der Präsident und sein engster Vertrauter stehen dem Tode nahe.
(© Indigo Musikproduktion + Vertrieb GmbH)

Kinji Fukasakus Verfilmung „Overkill – Durch die Hölle zur Ewigkeit“ des Romans „Der Tag der Auferstehung“ von Sakyō Komatsu als große Endzeit-Oper, entpuppte sich bei der Veröffentlichung als Flop. Mit mehr als 16 Millionen US-Dollar (nicht inflationsbereinigt) stellte der Film 1980 die teuerste japanische Filmproduktion aller Zeiten dar, konnte allerdings den betriebenen Aufwand finanziell nicht rechtfertigen. Aufgrund des mageren Einspielergebnisses in Japan, entschied man sich wohl auch den Film für ein internationales Publikum herunter zuschneiden. Aus der ursprünglichen japanischen Kinoversion von 156 Minuten wurde ein auf ein westliches Publikum zugeschnittenes 108-Minuten-Highlight-Reel gefertigt. Diese Entscheidung hatte zur direkten Folge, dass der Film keinen echten Hauptdarsteller mehr besitzt, auf den sich der Zuschauer konzentrieren kann. Denn zum Opfer fielen vor allem zahlreiche Szenen der japanischen Antarktis-Crew aus dessen Reihe sich die zentrale Figur der Geschichte, Dr. Shûzô Yoshizumi (Masao Kusakari), erhob. Die ursprüngliche Fassung gab ihm nicht nur eine echte Hintergrundgeschichte, sondern führte seinen Charakter auch schon weitaus früher in die Handlung ein. So wirkt der fertige Film für das westliche Publikum wie eine teils wahllose Aneinanderreihung apokalyptischer Szenen. Bemerkenswert hierbei: In diesen Nebenhandlungen, die nun zur Haupthandlung aufgeblasen wurden, begegnen uns zahlreiche US-Stars, die ursprünglich sicherlich nicht als zentrale Hauptcharaktere fungieren sollten. Neben Glenn Ford und Robert Vaughn, treten auch Bo Svenson, Olivia Hussey, George Kennedy, Chuck Connors und Henry Silva auf. Dies überrascht schon, da der Film in gewisser Hinsicht nicht nur eine anti-militaristische, sondern auch anti-amerikanische Haltung einnimmt.

Henry Silva macht die Atombomben scharf.
(© Indigo Musikproduktion + Vertrieb GmbH)

So sind es die US-Militärs, die den Virus entwickelt haben, auch wenn dessen Freilassung letztlich durch ostdeutsche Agenten geschah, die sich an Bord eines verunglückten Flugzeuges befanden. Auch die Initiierung des sogenannten ARS-Systems, welches ohne menschliche Kontrolle die Vereinigten Staaten atomar verteidigt, geschieht durch das US-Militär. Der Präsident ist dagegen, kann den Befehl aber aufgrund der eigenen Virus-Erkrankung nicht mehr verhindern. So ist es der reaktionäre US-General Garland, absichtlich überzogen durch B-Movie-Legende Henry Silva gespielt, der das System kurz vor dem Untergang der westlichen Zivilisation aktiviert. Natürlich muss eine solche Inszenierung im Kontext der japanischen Nachkriegsgeschichte angesehen werden. Hiroshima und Nagasaki lagen zur Produktion gerade einmal 34 Jahren zurück, der Kalte Krieg, und damit eine stetige atomare Bedrohung, befand sich auf seinem Höhepunkt. Der Wiederaufbau Japans war noch nicht abgeschlossen und die Insel Okinawa stellt bis heute den größten US-Flottenstützpunkt im Pazifik dar, während die japanischen Streitkräfte laut Verfassung nur strikt defensiv agieren dürfen. Demnach stellen sich die Japaner in ihrem Selbstverständnis als eine Art von Geisel fremder Mächte dar. Sie können nichts ausrichten und müssen den Wahnsinn, der zum Untergang führt, aushalten. So überrascht es auch nicht, dass der Hauptcharakter Yoshizumi gegen alle Widerstände überlebt und die Hoffnung nicht aufgibt. Selbst als die Atombomben über seinen Kopf zünden, kämpft er sich über Jahre der Qual weiter durch die Ödnis und wird dafür am Ende sogar belohnt. Einige wenige Menschen haben in Süd-Amerika überlebt. Rein zufällig ein Teil der Antarktis-Gruppe. Somit gibt es Hoffnung, wenn man bereit ist, die unermessliche Qual der Endzeit über sich ergehen zu lassen. Gewisse Parallelen zum realen Wiederaufbau Japans nach dem nuklearen Feuersturm scheinen offensichtlich und gewollt zu sein, denn schließlich ist es auch ein japanischer Film basierend auf einem japanischen Roman aus dem Jahre 1964, in dessen Mittelpunkt ein japanischer Protagonist steht. Eine kulturelle Prägung ist kaum zu vermeiden, in der Masse des anglo-sächsisch dominierten Katastrophen-Kinos sogar erwünscht und eine angenehme Abwechselung.

Er sah die Spritpreise und fuhr nicht weiter.
(© Indigo Musikproduktion + Vertrieb GmbH)

„Overkill – Durch die Hölle zur Ewigkeit“ wurde in Deutschland unter mannigfaltigen Titeln, wie etwa „Apokalypse – Das Ende der Welt“ oder auch schlicht „Tödlicher Virus – Das Ende der Welt“, veröffentlicht. Doch der Videotitel trifft den Kern des Films am ehesten. Nicht nur weil der Film tatsächlich einen Overkill an apokalyptischen Schreckensszenarien aufbereitet, sondern auch, weil der ganze Film von einer kaum zu übersehenen christlichen Symbolik begleitet wird, die vor allem den Hauptcharakter in seiner Passion nach dem nuklearen Feuersturm weiter antreibt. In einer verlassenen katholischen Kirche bricht er zusammen und sieht sich einer Jesusfigur gegenüber. Eine Stimme aus dem Off ermahnt ihn, ob er denn nicht zufrieden sei; er hätte doch überlebt. Dies verschafft ihm noch einmal die letzte Kraft, um seine Reise fortzusetzen und Erlösung zu finden. In der vorliegenden deutschen Fassung ergeben die vielen christlichen Verweise allerdings kein rundes Bild und wirken wie lose eingestreut. Man bedient sich ihnen für einen Moment, in sich abgeschlossen durchaus effektiv, ohne sie aber wirklich sinnvoll für einen größeren Handlungsbogen zu nutzen.

Yoshizumi humpelt durch die nukleare Ödnis.
(© Indigo Musikproduktion + Vertrieb GmbH)

Trotz der für damalige Verhältnisse teils imposanten Kulissen und vieler grandioser, manchmal schon ikonischer Einstellungen, bleibt der Film auch in seiner gekürzten Fassung recht schwerfällig. Es fehlt eine gewisse Leichtigkeit, mit der man die Geschichte hätte erzählen sollen. Weniger Schauplätze oder Charaktere wären sicherlich hilfreich gewesen. So versucht man sich an zu vielen Szenarien und Einzelschicksalen, kann diese aber höchstens pseudodokumentarisch und oberflächlich aufgreifen. Besonders drastisch fällt dieses bei der Frage der Fortpflanzung nach der bakteriologischen Katastrophe auf. Nur acht Frauen haben in der Arktis überlebt. Ihr Schicksal wird von den Männern, eigentlich hochgebildete Wissenschaftler, recht erbarmungslos und ignorant behandelt. Nachdem eine Frau vor versammelter Mannschaft davon berichtet, vergewaltigt wurden zu sein, erwidern die älteren Herren nur, dass dies in gewisser Weise in der animalischen Natur des Menschen liegen würde und man sich sowieso Gedanken über die Fortpflanzung machen müsste. Traditionelle Partnerschaften müsse man zudem für die Zukunft ebenfalls ausschließen. Bedeutet also: Die Frauen werden zu Freiwild erklärt und dienen in erster Linie nur noch als Gebärmaschinen. Wissenschaftlich romantisierte Vergewaltigungen? Es mag sein, dass Regisseur Fukasaku dies in den Film integrierte, um auf drastische Art und Weise die direkten Konsequenzen der bevorstehenden Ausrottung der Menschheit darzulegen, doch die (vermutlich beabsichtigte) Intention und die tatsächliche Inszenierung klaffen sehr weit auseinander, denn dies geschieht auf eine solch platte Art und Weise, dass jedwede Ernsthaftigkeit, mit der dieses sensible Thema behandelt werden sollte, abhanden geht. So wird sie keinem der Figuren gerecht. Die Männer werden als ignorante Monster dargestellt und die Frauen als naive und wehrlose Opfer, die sich letztlich sogar den männlichen Forderungen aus wissenschaftlicher „Vernunft“ hingeben müssen. Eine unsägliche Schwarz-Weiß-Malerei, die im Kern sogar eine Vergewaltigung versucht gutzuheißen. Es existiert nicht einmal eine Gegenstimme, die diesem gewollt aufgezeigten Wahnsinn widerspricht. So bleiben auch berechtigte Zweifel an der Intention der Szene und ein gewisser Sadismus schwingt mit. Eine solche Szene hätte eine respektvolle Vor- und Nachbearbeitung gebraucht. Dafür fehlt jedoch die Zeit, weil man sich eben auf zu viele Schauplätze, Ereignisse und Charaktere fokussieren will.

Der Gärtner des Weißen Hauses ist wohl auch tot….
(© Indigo Musikproduktion + Vertrieb GmbH)

Regisseur Kinji Fukasaku, der Filme wie „Tora! Tora! Tora!“ (1970) oder „Battle Royale“ („Batoru Rowaiaru“, 2000) inszenierte, gehörte zu den bedeutendsten Filmemachern Japans. Seine Qualitäten schimmern in „Overkill – Durch die Hölle zur Ewigkeit“ auch durch. Letztlich bleibt aber leider nur eine innerlich etwas zerrissene Romanverfilmung übrig, welche versucht zu viele, teils vollkommen unterschiedliche Perspektiven und Ereignisse aneinanderzuketten, und aufgrund ihrer überzeichneten Charaktere vor allem an Glaubwürdigkeit einbüßt. Ohne Glaubwürdigkeit kann aber kein Drama entstehen, welches den Zuschauer mitfühlen lässt. So stellt „Overkill – Durch die Hölle zur Ewigkeit“ zwar eine visuell beeindruckende Aneinanderreihung apokalyptischer Szenarien dar, die es aber nur selten schafft, zu einem halbwegs homogenen Film zu verschmelzen.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!