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„Boss Level“ (USA, 2020)

verfasst am 23.April 2021 von Markus Haage

(© LEONINE Distribution GmbH)

Und täglich prügelt sich das Murmeltier: Frank Grillo steckt in einer Zeitschleife fest und muss sich seinen Weg freikämpfen, um dieser entfliehen zu können. Keine neue Idee, aber dank der sympathischen Hauptdarsteller und der stilsicheren Regie entsteht ein kurzweiliger Action-Spaß mit überraschend dramatischer Tiefe und liebevoller Referenzen auf das klassische Phantastische Kino. Ein wilder Genre-Mix verpackt als cineastisches Beat-‚em-up-Game.

Offizielle Synopsis: Das ehemalige Delta Force Mitglied, Roy Pulver (Frank Grillo), hat ein großes Problem – er hängt in einer Zeitschleife fest: Jeden Tag wird er auf eine andere Art und Weise von Attentätern ermordet. Manchmal wird er erschossen, in die Luft gesprengt, geköpft oder erstochen und dann beginnt derselbe Tag wieder von vorne. Als Roy Hinweise auf ein geheimes Regierungsprojekt entdeckt, das seinen Tod aufklären könnte, beginnt ein Rennen gegen die Zeit …

Frank Grillo greift zu schwereren Geschützen.
(© LEONINE Distribution GmbH)

Noch vor wenigen Jahren wäre ein Schauspieler wie Frank Grillo mit großer Wahrscheinlichkeit in der Direct-to-Video-Hölle verschmort, wenn er den Anspruch erhoben hätte, als Hauptdarsteller in Action-Vehikeln aufzutreten. Doch die Zeiten haben sich drastisch geändert. Während die letzten verbliebenen Hollywood-Studios sich zunehmend auf Franchise-Blockbuster konzentrieren und vielleicht noch aus Prestige ein paar Dramen für das Oscar-Rennen zu den internationalen Film-Festivals schicken, hat sich ein neuer lukrativer Independent-Markt entwickelt. Dieser hinkt inszenatorisch aufgrund von Budgetmangel nicht mehr hinterher. Die Zeiten, in den sich die Seagals, Lundgrens und Dudikoffs der Filmwelt durch osteuropäische Industrieanlagen prügeln mussten, während neben ihnen Ölfässer explodierten, sind lange vorbei. Die technische Revolution hat auch diesen Nischenmarkt vor allem inszenatorisch zum Erblühen gebracht. Kleine Independent-Produktionen können nun durchaus mit Großproduktionen mithalten oder zumindest auf einem ähnlichen Niveau unterhalten.

Gerade deswegen wird es immer wichtiger sich nicht nur auf reine Schauwerte zu konzentrieren, sondern diese auch dementsprechend dramaturgisch zu unterfüttern. Und diesbezüglich kann „Boss Level“ überraschen. Nicht nur wird die Handlung von ihrem Hauptdarsteller Frank Grillo auf unglaublich sympathische Art getragen, auch kann er nach all den Jahren als taffer Actionheld seine schauspielerischen Qualitäten unter Beweis stellen. Nachdem die erste Hälfte des Films die ewige Wiederholung seines Ablebens auf humorvolle Weise zelebriert, nimmt die zweite Hälfte in gewissen Momenten fast schon Züge eines Dramas an, aber, ohne dass dieser dramaturgische Twist für einen Bruch sorgt. Dies liegt sicherlich auch am handwerklichen Talent des Regisseurs Joe Carnahan, der vorab Filme wie den Haudrauf-Actioner „Das A-Team – Der Film“ („The A-Team“, 2010), aber auch das Survival-Drama „The Grey – Unter Wölfen“ („The Grey“, 2012) inszenierte.

Immer wiederkehrende Schurken.
(© LEONINE Distribution GmbH)

Die Handlung – wie der Titel es schon verrät – wurde sicherlich durch Beat-‚em-up-Games der Arcade-Ära inspiriert und steigt dementsprechend sofort actionreiche ein. Dem Zuschauer wird, wie dem Protagonisten, keine Atempause gegönnt. Eine wilde Achterbahnfahrt mit teils wahnwitzigen Actionszenen und skurrilen Charakteren beginnt. Was schnell hätte redundant werden können, wird von Regisseur Carnahan Zug um Zug erweitert und variiert, sodass selbst der absurdeste Versuch Frank Grillo hinzurichten, sich am Ende als bedeutende Abkürzung herausstellt. Quasi die Star Road aus „Super Mario World“, um im Videospielbereich zu bleiben. Aber Carnahan begeht bei allen absurden Actionstunts und Referenzen nicht den Fehler den Film in eine zitatreiche Parodie von sich selber zu verwandeln, auch wenn dank der Wahl der deutschen Synchronstimme von Frank Grillo beim hiesigen Zuschauer sicherlich ungewollt Erinnerungen an „Deadpool“ (2015) wach werden. So wie Marvels Merch with a Mouth durchbricht er stets die vierte Wand und spricht den Zuschauer aus dem Off direkt an. Dies lockert nicht nur die teils bitterbösen und sich ewig wiederholenden Tode des Protagonisten auf, sondern treibt die Story auch voran. Denn eines ist klar, von der ewigen Wiederholung allein hätte der Film nicht leben können, weswegen die Geschichte sich stückweise erweitert. Schritt für Schritt offenbart sich dem Zuschauer langsam das ganze Bild. Die eigentliche Hintergrundgeschichte wird von Naomi Watts‘ und Mel Gibsons Charakteren getragen, denen allerdings etwas zu wenig Raum gegeben wird, um sich wirklich entfalten zu können. Dem dramaturgischen Twist fehlt somit etwas Tiefe, auch weil der Film in seiner eigenen Zeitschleife gefangen ist. Alles, was an Inhalt transportiert wird, muss innerhalb der vorgegebenen sich wiederholenden Zeitspanne funktionieren. Zu wenig, um die eigentlich bedeutende Beziehung zwischen Grillos und Watts‘ Figuren oder die Motivation von Mel Gibsons Charakter zu intensivieren, aber dennoch genug, um nicht in einen reinen redundanten, selbstironischen Over-the-Top-Actioner zu verharren. „Boss Level“ will dann doch kein „Crank“ (2006) sein und erweitert die Handlung mit tatsächlich interessanten, wenn auch leider etwas zu oberflächlich behandelten phantastischen und dramatischen Elementen.

Selbst Mel Gibson kommt ins Schwitzen.
(© LEONINE Distribution GmbH)

Was als temporeiche Achterbahnfahrt mit teils wahnwitzig inszenierter und selbstironisch von einem sympathischen Hauptdarsteller kommentierter Dauer-Action beginnt, gewinnt im Laufe der Handlung eine überraschende Tiefe mit Verbeugung vor den großen Themen des klassischen Phantastischen Kinos. Vielleicht etwas zu viel von allem, um allem vollends gerecht zu werden, dafür aber konsequent abwechslungsreich. Nach „Boss Level“ kann man durchaus sagen, dass das Independent-Kino keine Hollywood-Studios mehr braucht, aber die Hollywood-Studios mehr Independent-Kino bräuchten.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!