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Shadow in the Cloud (USA, 2020)

verfasst am 22.April 2021 von Markus Haage

(© Capelight Pictures)

Hoch über dem Pazifik muss sich eine junge Bord-Technikerin während des Zweiten Weltkrieges nicht nur mit einem Gremlin herumschlagen, sondern auch den sexistischen Sprüchen der eigenen Besatzung. Was als eine Art Kammerspiel beginnt, entwickelt sich zu einem zwar teils absurd überzogenen, aber durchweg unterhaltsamen feministischen Actioner, der sich traut Genregrenzen zu überwinden.

Offizielle Synopsis: Die Flugzeugmechanikerin Maude Garrett (Chloë Grace Moretz) wird mit der Mission beauftragt, einen Koffer mit geheimem Inhalt zu befördern und sich dafür an Bord einer B-17 zu begeben. Die rein männliche Besatzung ist über die Anwesenheit der jungen Frau nur wenig begeistert und verweist sie auf den Platz im kugelförmigen Waffenturm am Rumpf des Bombers. Von dort aus beobachtet sie eigenartige Schatten an den Tragflächen und sichtet feindliche Kampfflieger zwischen den Wolken. Doch die Männer nehmen ihre Warnungen nicht ernst. Erst als es Maude gelingt, einen gegnerischen Luftangriff mit dem eingebauten Maschinengewehr abzuwehren, beginnt die Crew, die wahre Identität der unerwünschten Passagierin zu hinterfragen…

Als „Shadow in the Cloud“ (2020) sich bereits in der Produktion befand, wurde dessen Drehbuchautor Max Landis, Sohn des berühmten Regisseurs John Landis, mit massiven Missbrauchsvorwürfen konfrontiert. Der Ausschluss aus der sogenannten Traumfabrik Hollywood war besiegelt. Seine Agentur trennte sich von ihm, geplante Verfilmungen seiner Drehbücher wurden eingestellt. Für „Shadow in the Cloud“ verzichtete man allerdings auf eine solche Maßnahme. Zum Filmstart, der wegen der Corona-Pandemie nur in stark eingeschränkter Form möglich war, verwies Regisseurin Roseanne Liang darauf, dass das Skript drastisch umgeschrieben wurde. Wie viel Landis in dem fertigen Werk noch steckt, ist nicht genau bekannt. Glaubt man der Regisseurin Liang und Hauptdarstellerin Chloë Grace Moretz, so kann es nur noch der grundsätzliche Handlungsablauf sein. Und dieser präsentiert sich in Liangs Umsetzung als ein erfrischend konsequenter feministischer Actioner.

Eine Frau und ihre Maschine.
(© Capelight Pictures)

„Shadow in the Cloud“ eröffnet als Kammerspiel fast vollends aus der Perspektive der jungen Maude, die vom Rest der Besatzung unterhalb des Rumpfs in einem Waffenturm räumlich, aber eben nicht akustisch abgeschnitten ist. Maude, als auch der Zuschauer, hört die Crew nur über den Bordfunk, der aus dem Off eingespielt wird. Ein durchaus interessantes Setting, da man nicht nur dazu gezwungen wird, die teils unerträglich sexistischen Kommentare der rein männlichen Besatzung ohne Filter auszuhalten, sondern auch mit der Reaktion Maudes konfrontiert wird, die sich anfangs in ihrer Mimik und später ihren Aussagen widerspiegelt. Regisseurin Liang versetzt den Zuschauer somit bewusst in die Position der Frau, die im Verlauf der Handlung aus ihrem Gefängnis, dem Waffenturm, ausbricht und zu einer Heroin mutiert. Diese Entwicklung wird durch die Handlung von Außen erzwungen. Zuerst greifen japanische Kampfflugzeuge das Schiff an und nur Maudes Geschick kann diese Bedrohung vom Himmel holen, dann attackiert ein Gremlin die „Fliegende Festung“. Der Film bedient sich hierbei vor allem der britischen WWII-Mythologie des Gremlins. Ein Fabelwesen, welches zu Propagandazwecken erschaffen wurde, um die Moral an der Heimatfront zu stärken und später vor allem durch Joe Dantes Klassiker „Gremlins – Kleine Monster“ („Gremlins“, 1984) neu interpretiert und Teil der Popkultur wurde. Maudes ausweglose Situation – sie kann dem Waffenturm nicht über den sicheren Ausstieg entkommen – zwingt sie dazu weit über sich hinauszuwachsen und fast tollkühne Aktionen durchzuführen. Kopfüber hangelt sie sich während des Fluges am Rumpf des Flugzeuges entlang, um nicht nur den Gremlin zu entkommen, sondern auch den japanischen Kampfflugzeugen und wird später durch eine Explosionswelle zurück ins Flugzeug befördert. Sicherlich vollkommen unrealistisch, aber Regisseurin Liang lässt ihre Hauptdarstellerin zu einem Actionstar werden, der sich in der überhöhten Darstellung kaum von ihren männlichen Pendants unterscheidet. Und so ist es Maude, die letztlich nicht nur die Bedrohungen von Außen besiegt, sondern gleichzeitig ihre Weiblichkeit bewahrt, indem ihr größter Antrieb ihr Mutterinstinkt ist, der nicht als Schwäche, sondern als Stärke ikonisiert wird. In der finalen Einstellung des Films thront Maude in all ihrer Weiblichkeit über den verbliebenen Männern, die zwischen Fassungs- und Hilflosigkeit wohl erst zu diesem Zeitpunkt realisieren, dass sie nicht nur gerettet worden sind, sondern zumindest in dieser Situation das schwächere Geschlecht darstellen.

Über den Wolken…
(© Capelight Pictures)

Dieser Umstand sorgte natürlich für eine gewisse Empörung in einigen (nicht allen) vor allem maskulin geprägten Kritikerkreisen. Den Mann als das schwache (oder eher hilflose) Geschlecht darzustellen, wollten oder konnten nicht alle Kritiker akzeptieren, letztendlich ist die Wandlung von Maude im Kontext eines Actionfilms aber nur konsequent umgesetzt. So wie John McClane (Bruce Willis) in „Stirb Langsam 4.0″ („Live free or die hard“, 2007) auf dem Flügel eines Düsenjägers surft oder sich Ethan Hunt (Tom Cruise) in „Mission: Impossible“ (1996) sich auf dem Dach eines Hochgeschwindigkeitszug bei voller Fahrt prügelt, so schwingt sich Maude nun unter dem Rumpf einer B-17 entlang, während sie beschossen und von einem Monstrum gejagt wird. Unrealistisch? Sicherlich. Aber die simple Tatsache, dass ein solch überzogener Action-Stunt nun von einer Frau anstatt eines Mannes vollführt wird, macht es im Kontext eines typischen Actionfilms nicht unrealistischer. Schon gar nicht in einem Film, indem ein übernatürliches Fabelwesen durch die Lüfte fliegt. Interessant ist aber, dass Regisseurin Liang diese Darstellung tatsächlich konsequent weiterverfolgt und letzten Endes die Männer zu den sogenannten „Damsels in Distress“, den „Jungfrauen in Nöten“, degradiert, während die Frau zu einer Mutter vonnöten wird. Dieser harte inhaltliche Rollenwechsel stellt allerdings nicht die einzige Überraschung dar.

Regisseurin Liang versucht der klassischen WWII-Ästhetik durch einen inszenatorischen Bruch zu entfliehen. Der Film eröffnet mit einer modernen Retro-Animation, sicherlich als Hommage auf den klassischen Gremlins-Animationsfilm „Falling Hare“ (1943) mit Bugs Bunny gedacht, um dann visuell und auditiv in die 1980er-Jahre zu entfliehen. Neon-Lichter und Synthesizer eröffnen das Werk und für das klaustrophobische Kammerspiel der ersten Hälfte stellt dieser carpenter’eske Stil, der an Snake Plisskens Flug nach Manhattan erinnert, gerade wegen des zeitlichen Settings tatsächlich einen ungewohnt interessanten Kontrast dar. Doch dieser inszenatorisch spannende Gegensatz wird leider nicht auf den gesamten Film übertragen. Mit dem Sonnenaufgang, wenn Maude ihrem Waffenturm entflieht, weicht dieser fast vollends und „Shadow in the Cloud“ verliert sein gestalterisch kreativstes Merkmal. Nun mag dies aber inhaltlich durchaus berechtigt sein, denn es findet zum Teil nicht nur ein Genrewechsel statt – aus dem fast schon intimen Horror-Thriller entwickelt sich eine turbulente Action-Achterbahnfahrt –, sondern der Moment der Morgenröte lässt Maude letztlich konsequent und unnachgiebig zur einer Action-Heroin mutieren. Sie erhebt sich quasi aus ihrem eigenen Schatten, entflieht dem Waffenturm, auch weil ihr wohl größtes Geheimnis (und somit ihre Motivation weiterzukämpfen), der Grund für ihre Teilnahme am Flug, gelüftet wurde. Auch wenn sich dieser drastische Umschwung nicht vollends elegant präsentiert, so ist er zumindest inhaltlich begründet und stellt eine unerwartete Wendung dar.

Härter als Bruce Willis.
(© Capelight Pictures)

„Shadow in the Cloud“ präsentiert sich als durchweg unterhaltsamer feministischer Actionfilm und webt nebenbei aktuelle Gesellschaftskritik in ein historisches Setting ein, welches sich wiederum als angenehme Abwechselung in einem unkonventionellen Genremix inszenatorisch bei den 1980er-Jahren bedient. Natürlich ist das Werk in gewisser Hinsicht ideologisch geprägt, aber dieser krasse Rollenwechsel bietet dem Zuschauer gerade deswegen einen spannenden Perspektivwechsel an, der den Typus des maskulinen Action-Heroen einfach nur konsequent auf eine weibliche Figur überträgt.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!