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„Army of the Dead“ (USA, 2021)

verfasst am 24.Mai 2021 von Markus Haage

(© Netflix)

Für neunzig Millionen US-Dollar Budget zündet Zack Snyder ein kunterbuntes Horror-Feuerwerk, welches wohl nur auf diese visuell bombastische Weise den Untergang der Stadt des peinlichen Pomps standesgemäß hätte erzählen können.

Offizielle Synopsis: Ein Militärtransporter kollidiert auf einem Highway in Nevada mit einem anderen Wagen, wobei ein Container des Transporters beschädigt wird und ein unheimliches Wesen aus entfliehen kann. In Las Vegas angekommen, verwandeln dieses die Besucher der Casinos in Untote. Die Zombie-Apokalypse hat begonnen. Der Restaurantbetreiber und ehemalige Soldat Scott Ward (Dave Bautista) wird derweil von dem Casinobesitzer Tanaka (Hiroyuki Sanada) angeheuert, dessen Casino auszurauben, bevor das Militär Las Vegas durch einen Atomschlag zerstört. Ein Himmelfahrtskommando beginnt.

Mit „Army of the Dead“ kehrt Regisseur Zack Snyder zu einem Genre zurück, welches seine Spielfilm-Karriere einst begründete. Nach einem Drehbuch von James Gunn („Guardians of the Galaxy“) inszenierte er 2004 eine Neuverfilmung von George A. Romeros unsterblichen Kulturschocker „Zombie“ („Dawn of the Dead“, 1978). Das Remake läutete mit einem großen Knall eine Art von Renaissance des US-amerikanischen Zombiefilms ein, auch wenn es gleichzeitig eine nicht enden wollende Debatte lostrat, ob Snyders Interpretation des modernen Mythos des Zombies überhaupt noch als Zombie bezeichnet werden konnte. Die Bestien rasten im wahrsten Sinne des Wortes vor Wut über die Leinwand, anstatt schleichend die Apokalypse herbeizuführen. Dem Erfolg tat dies aber keinen Abbruch, „Dawn of the Dead“ entwickelte sich zu einem Genrehit und begründete die Spielfilm-Karriere von Snyder. Nur drei Jahre später folgte die Graphic-Novel-Verfilmung „300“ (2007). Mittlerweile gehört Snyder zu den kontroversesten Filmemachern Hollywoods, der künstlerisch sämtliche Höhen und Tiefen der Traumfabrik durchgemacht hat und dessen Werke stets zu polarisieren scheinen. Man denke hierbei nur an die diesjährige Veröffentlichung seiner Version des Superhelden-Epos „Justice League“ (2021). So verwundert es vielleicht auch nicht, dass Snyder nun mit „Army of the Dead“ eben ein Projekt umgesetzt hat, welches nicht nur über Jahre in Planung gewesen ist, sondern ihm auch größtmögliche Freiheiten gab. Mehr als neunzig Millionen US-Dollar stellte der Streaming-Gigant Netflix bereit, wodurch der Film automatisch zur größten Produktion dieses Subgenres des Horrorfilms mutiert.

Regisseur Snyder während der Dreharbeiten.
(© Netflix)

Das hohe Budget macht sich auch sogleich in der opulenten Eröffnungsszene bemerkbar. Bevor die eigentliche Handlung beginnt, erhält der Zuschauer ein rund fünfzehn-minütigen Prolog, indem als Teil des Vorspanns insbesondere der Untergang von Las Vegas zelebriert wird. Erinnerungen an die Titel-Sequenz von „Zombieland“ (2009) werden hierbei wach, mit der Ausnahme, dass Snyder sich in der Darstellung der Apokalypse kaum zurückhalten muss. Dies gilt selbstredend auch für seine inszenatorischen Eigenheiten. Der Untergang Las Vegas’, eine regelrechte Bilder-Orgie aus Gewalt und White-Trash-Popkultur, für die Sin City sinnbildlich steht, wird durch die Vorstellung eines Teils des Main-Casts unterbrochen. Snyder präsentiert diesen in kurzen Bildern durch das Einfügen von Behind-the-Scenes-Fotoaufnahmen und durchbricht damit gewissermaßen die vierte Wand. Dem Zuschauer wird automatisch bewusst, dass jeder noch so tragische Charakter letztlich nur eine fiktive Figur in einem blutroten Spektakel sein wird. Und dies sind demnach auch die Stärken des Films.

Snyder verstand sich stets als ein visueller Filmemacher, der bedeutende Teile der Storyline rein über die Kraft der Bilder kommuniziert. Dies offenbart sich nicht immer jedem Zuschauer, spielt aber bei der Bewertung seiner Werke eine bedeutende Rolle. So verwendet Snyder demnach auch nicht viel Zeit mit der Erklärung seiner neuen Zombie-Welt. Er referenziert hierbei viel mehr Genre-Klassiker, vermischt diese mit aktueller Pop-Kultur und modernen sozialen Referenzen. Alles, was wir über die Welt von „Army of the Dead“ und ihrer Charaktere wissen müssen, steckt in den Bildern. Bei dieser Darstellung nimmt Snyder keinerlei Rücksicht auf Verluste. Er vermischt Wagner mit Elvis, Romeros „Zombie“ („Dawn of the Dead“, 1978) mit Camerons „Aliens – Die Rückkehr“ („Aliens“, 1986) und einen klassischen Heist-Film mit der Zombie-Apokalypse. Snyder macht hier allerdings nicht halt. Er weicht die Genregrenzen nicht nur auf, sondern bringt sie auch durch teils drastische Neuinterpretationen zum Einsturz. Alles Alte wird referenziert und recycelt. So eröffnet der Film mit einem eigenwilligen Cover von Elvis’ Kulthit „Viva Las Vegas“. Ein Song, der in der Geschichte Hollywoods die Sin City gefühlt in jedem Film einführte. Es die Nationalhymne der Stadt, untrennbar mit ihr verbunden. Snyder will diese nicht ersetzen, aber eben neu interpretieren. Der Untergang, mit einem in diesem Kontext zynisch-anmutenden Cover von „Viva Las Vegas“ unterlegt, wird zum Spektakel und erst als der Apokalypse selbst bewusst wird, dass hinter den spektakulären Bildern auch menschliche Opfer stehen, mutiert der Song fast schon zu einem Klagelied.

Ein zweistündiges Feuerwerk mit (untoten) Feuerwerkskörpern.
(© Netflix)

Dieser stete drastische Umbruch, dieses wilde Potpourri an Ideen, macht auch vor den titelgebenden Antagonisten nicht halt. „Army of the Dead“ ist keine neue Idee. Bereits 2004, im Zuge der Veröffentlichung von „Dawn of the Dead“, ließ Zack Snyder verlautbaren, dass er sich eine Fortsetzung unter dem Titel „Army of the Dead“ vorstellen könnte. Die Zombies hätten sich demnach abermals weiterentwickelt, die Handlung sei in Las Vegas angesiedelt. Zu diesem direkten Sequel kam es allerdings nie und so besitzt Snyder alle Freiheiten die moderne Figur des Zombies eine erneute Evolution unterlaufen zu lassen. Seine Zombies teilen sich in Kasten auf. Angeführt von einem Alpha existieren eben nicht nur Hierarchien, sondern in gewisser Hinsicht gesellschaftliche Schichten. Die Armee der Toten wird von einem König angeführt, der auf einem untoten Pferd und von einem roten Umhang bekleidet über sein Reich wacht. Zombie-Puristen wird dieses vielleicht nicht gefallen, letztlich ist es aber nur konsequent. Bereits George A. Romero ließ seine untoten Ghule in „Land of the Dead“ (2005) von einem untoten Moses ihr heiliges Land suchen.

Snyder ist aber noch weitaus konsequenter und lässt seine Untoten auch biologisch fortpflanzen. Drastische Ideen, wie die Geburt von Zombie-Babys, hatte er zwar schon in „Dawn of the Dead“ verarbeitet, allerdings war die Zeugung hier noch auf natürliche Weise von Menschen geschehen, die im Nachhinein gebissen, somit infiziert, wurden. In „Army of the Dead“ entwickelt sich nun eine Spezies, die eine andere Gattung nicht mehr verwandeln muss, um sich zu vermehren. Die Zombies können dies nun gezielt selber tun. Da der Film in gewisser Hinsicht ein offenes Ende besitzt, dürfte eine weitere Evolution sicherlich folgen.

Natürlich kann „Army of the Dead“ von seinen untoten Antagonisten und der bombastischen Inszenierung alleine nicht leben. Die Handlung muss trotz der zahlreichen neuen Eigenschaften, die die Untoten innehaben, immer noch von Charakteren getragen werden, mit denen der Zuschauer sich identifizieren kann. Snyder fokussiert sich deswegen vor allem in den ersten 45 Minuten seines Films auf die Hintergrundgeschichte seiner Hauptfiguren und verknüpft diese mit dem Haupthandlungsort Las Vegas. Leider irritiert diese Gewichtung hierbei etwas. Zahlreiche Figurenkonstellationen basieren auf einem gewissen Zufall, der in manchen Momenten fast schon unglaubwürdig erscheint und dem Werk damit etwas erzählerische Kraft raubt. Dies macht sich vor allem beim Finale deutlich, welches unnötig die überraschende Konsequenz der Storyline hinauszögert. Und so endet auch „Army of the Dead“ mit einem fast schon genretypischen Cliffhanger, der ein mögliches Sequel vorbereitet. Die Evolution endet somit nicht.

Mit „Army of the Dead“ zelebriert Regisseur Zack Snyder ein kunterbuntes mit popkulturellen Referenzen und gar mythologischen Verweisen gefülltes Horror-Feuerwerk, welches in der White-Trash-Culture von Las Vegas visuell vollends aufgeht, und versucht damit dem müden Zombie-Genre auf teils drastische Weise neue Aspekte abzuringen. Mit einer epochalen Laufzeit von fast 150 Minuten stellen sich zeitweise dennoch einige Längen ein, die den Film inhaltlich nicht schlechter machen, aber die stets voranpreschende Handlung zeitweise unnötig zurückhalten. Manchmal ist weniger mehr, aber dann wäre es nicht Snyder und würde vielleicht auch gar nicht mehr zur künstlich-aufgeblasenen Trash-Welt von Las Vegas passen.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!