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„Halloween“ (2018) – Wie Michael Myers zu seinen Wurzeln zurückkehrt und damit die Fangemeinde spaltet

verfasst am 17.Februar 2019 von Markus Haage

Es ist interessant zu lesen, wie der neue „Halloween“ (2018) die Fangemeinde teilweise spaltet. Der Konsens der Kritiker und des Großteils des Publikums scheint sehr positiv zu sein, dies muss klar angemerkt werden, aber es existiert wohl auch ein lautstarker Teil unter den Fans, die den neuen Film ablehnen. Dies kann zahlreiche Gründe haben. Bemerkenswert sind allerdings die ablehnenden Kommentare, die explizit die Figur des Michael Myers in der aktuellen Fortsetzung kritisieren. Über die Jahre hat sich wohl eine Fangemeinde gebildet, die die Fortsetzungen von Teil 4-6 stark bevorzugt, wahrscheinlich weil sie schlichtweg mit dieser Figur aufgewachsen sind. Ähnliche Phänomene existieren auch in anderen Franchise, wo sich die Hautpfigur über die Jahre eben auch wandelt. Die Darstellung des Michael Myers in den Teilen 4-6 hat mit der ursprünglichen Figur nicht mehr viel zu tun. Es könnte auch ein anderer Killer sein. All seine bedeutenden charakterlichen Trademarks mussten über Bord geworfen werden, um die Handlung weiterzuführen oder noch spannend zu gestalten. Gleich gilt auch für „Halloween: H20“ (1997) und „Halloween: Resurrection“ (2002), sowie die beiden Remake-Filme von Rob Zombie.

Bei der Bewertung von „Halloween“ (2018) scheint oft vergessen zu werden, dass dieser eben ein Sequel zum Originalfilm von 1978 darstellt. Wohlgemerkt der Kinofassung des Originals. Bereits die erste Fortsetzung „Halloween II – Das Grauen kehrt zurück“ (1981) bricht derbe mit der etablierten Figur von Myers aus Teil 1. Alle weiteren Interpretationen, mit Ausnahme der aktuellen Fortsetzung, stellen streng genommen „nur“ Killer dar, die auf der Figur des Michael Myers basieren.

Herr Myers im achten Teil der Reihe.
(© Constantin Film)

Carpenter selber bereut es zutiefst, die erste Fortsetzung „Halloween II – Das Grauen kehrt zurück“ als auch neue Szenen für den Extended-TV-Cut des Originalfilms überhaupt geschrieben zu haben und sagt in Interviews, dass er ziemlich besoffen gewesen war, als er eben dies tat. Es waren höchstens Auftragsarbeiten, die er neben seiner Arbeit an „The Fog – Nebel des Grauens“ (1980), „Die Klapperschlange“ (1981) und „Das Ding aus einer anderen Welt“ (1982) erledigte. Carpenter war ein Workaholic. Was nebenbei herauskam, wie das Drehbuch zu „Halloween II“, sollte man nicht zu hoch werten.

Als NBC den Originalfilm für die TV-Auswertung kaufte, wollten sie rund zehn Minuten mehr Material. Dieses wurde erst beim Dreh zu „Halloween II – Das Grauen kehrt zurück“ nachgedreht. Hier wurde auch der Twist eingefügt, dass Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) Myers‘ Schwester sei. Somit gab man Myers in nachgedrehten Szenen mehrere Jahre nach der Veröffentlichung des Originalfilms eine Motivation für seine Taten. Strode ist somit kein zufälliges Opfer mehr, sondern wird von Myers aufgrund der verwandschaftlichen Verhältnisse gezielt verfolgt. Wie erwähnt, bereut Carpenter dies zutiefst. Der Extended-Cut sollte demnach nicht einmal als offizielle Fassung angesehen werden.

„Well, okay. Here’s how it was. I made Halloween, and then Halloween was sold to NBC to show it. But it was too short—they needed it to be a certain length. So I had to go back and shoot some more footage to make it longer. And I was absolutely stuck. I didn’t know what to do. I mean, the movie is the movie—I don’t want to touch it. But everybody will be happy with me, and they’ll make money, and that’s great. So I had to come up with something. I think it was, perhaps, a late night fueled by alcoholic beverages, was that idea. A terrible, stupid idea! But that’s what we did.“
– John Carpenter, 2018

Auch bei der Fortsetzung wusste Carpenter nicht wirklich, was er noch erzählen sollte, weswegen er die Handlung direkt an den Originalfilm anschloss. Es erschien ihm wohl irgendwie logisch. Auch bemerkte er schon frühzeitig, dass er wohl beim Drehbuchschreiben nichtmal wusste, was er hier tat.

„… mainly dealt with a lot of beer, sitting in front of a typewriter saying ‚What the fuck am I doing? I don’t know.'“
– John Carpenter

Die aktuelle Fortsetzung versteht sich auch nur als Sequel zur originalen Kinofassung des Originals und negiert die Verwandschaftsverhältnisse zwischen Myers und Strode komplett. Es ist auch bezeichnend, dass Myers im neuen Film Laurie Strode eben NICHT von sich aus aufsucht, sondern Strode ihn finden und zur Strecke bringen will. Der finale Twist verstärkt dies noch einmal. Im Trailer sagt Laurie Strode sogar sehr deutlich:

„Ich habe jede Nacht dafür gebetet, dass er ausbricht.“

Auch die Rückkehr nach Haddonfield ist nicht als echte Motivation zu verstehen. Es ist der einzige Ort außerhalb des Gefängnisses, den Myers kennt. Mit Ausnahme seiner frühen Kindheit und den 48 Stunden in „Halloween – Die Nacht des Grauens“ (1978) lebte er nie in Freiheit oder woanders. Das Böse hat keinen anderen Bezugspunkt und auch keine andere Heimat.

Die Idee hinter „Halloween – Die Nacht des Grauens“ (1978) und des Antagonisten Michael Myers war recht simpel. Myers war schlichtweg das Böse, für dessen Motivation oder Taten es keinerlei Erklärung gab. Und dieses Böse bricht für eine Nacht über die Kleinstadt Haddonfield, Myers Heimat, herein. Deswegen auch das offene Ende im Originalfilm, indem Myers plötzlich verschwunden ist, nachdem er sechs Mal von Dr. Loomis (Donald Pleseance) angeschossen wurde. Das Böse kam, das Böse ging. So schnell wie es auftauchte, war es auch wieder verschwunden. Halloween ist vorbei. Im Originalfilm wird sogar mehrmals auf die Natur von Myers hingewiesen. So sagt Dr. Loomis:

„Ja, ja… Ich hab‘ ihn… Ich hab‘ ihn vor fünfzehn Jahren kennengelernt. Man sagte mir, er sei ein hoffnungsloser Fall. Kein Verstand, kein Gewissen und auch nicht das elementare Differenzierungsvermögen zwischen Leben und Tod, zwischen Gut und Böse, Recht oder Unrecht. Ich traf auf ein sechsjähriges Kind, mit einem blassen, farblosen, emotionslosen Blick und den schwärzesten Augen. Teuflischen Augen. Ich habe acht Jahre lang versucht mit ihm Kontakt zu bekommen, dann nochmal sieben Jahre um zu verhindern, dass er jemals wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Ich wusste zu gut, was sich hinter diesen Augen verbirgt: das absolut Böse“

Das ist Michael Myers. Das Böse in Menschengestalt. Weder hatte er eine schlechte Kindheit, noch wurde er zu seinen Taten gedrängt oder besaß irgendeinen Plan. Es gibt keine rationale Erklärung für sein Handeln. Das Böse existiert. Myers ist die Personifikation davon. Es ist auch kein Zufall, dass Myers‘ Spitzname „The Shape“ ist. So sagte Carpenter zur Produktionsankündigung der neuen Fortsetzung:

„Michael Myers is not a character. He is a force of nature. He is not a person. He’s part supernatural, part human. He’s like the wind, an evil wind. If you start straying away from that, and you get into explaining, then you’ve lost. So hopefully we can guide it back in the original direction.
– John Carpenter, 2017″

Die Regie übernahm Carpenter bei Teil 2 schon nicht mehr und die Halloween-Reihe wollte er dann nur noch als Producer einer Anthologie-Serie weiterführen (siehe „Halloween III“ anno 1982). Als er das Angebot bekam, die Reihe mit „Halloween IV – Michael Myers kehrt zurück“ (1988) fortzusetzen, lehnten er und Debra Hill dankend ab. Es gab schlichtweg keinen Grund für sie, mit der Figur Michael Myers zu brechen. Und das hätten sie für weitere Sequels tun müssen. Als „Halloween II“ erschien, erklärte Carpenter im Twilight Magazine auch, dass Michael Myers, sowie Dr. Loomis tot seien.

„The Shape is dead. Pleasence’s character is dead, too, unfortunately.“
– John Carpenter, 1982

Alle Fortsetzungen mussten somit eine Motivation erfinden, damit Myers zurückkehrt. In Teil 4 erschuf man eine künstliche Blutlinie, um Myers Nichte Jamie Lloyd (Danielle Harris) einzuführen. Frei nach dem Motto: Das Böse wird genetisch vererbt. In „Halloween V – Die Rache des Michael Myers“ (1989) wird wird wiederum die Thorn-Sekte eingeführt. Nun kommen nicht nur spirituelle Erklärungen hinzu, der Untertitel spricht gar von einer Rache Myers. „Halloween VI“ (1995) besaß gar den Untertitel „Der FLUCH des Michael Myers“. In „Halloween: H20“, der die Teile 4 bis 6 ignoriert, ist es Myers der Laurie Strode weit entfernt aufsucht. In den Remakes versuchte man sich hingegen an einem psychologischen Ansatz. Myers hatte eine schlechte Kindheit und ist deswegen ausgetickt. Die Tagline auf dem Kinoplakat sprach gar von einem Schicksal („Evil has a Destiny“). Das alles steht aber vollkommen im Kontrast zur ursprünglichen Vision von Michael Myers. Und die neue Fortsetzung fängt eben diese perfekt ein. Oder wie Carpenter es formulierte:

„Michael Myers is not a character. He is a force of nature.“

Im neuen Film wird dieser Wissensdurst nach Michael Myers‘ Natur übrigens durch die beiden Journalisten und den Psychiater repräsentiert. Auch sie wollen hinter die Maske blicken, Myers‘ Motivation nachvollziehen und für alles eine Erklärung finden. Sie scheitern selbstverständlich.

Natürlich wuchsen viele Fans mit dem Myers aus den Teilen 4 bis 6 auf. Die Filme besitzen von daher für sie eine gewisse Bedeutung. Dies sollte man auch respektieren. Ich selber kehre gerne zu ihnen zurück. Aber sie stellen eben auch eine gewisse Neuinterpretation der Figur Myers dar, die mit dem Originalfilm nicht zwingend deckungsgleich ist. Und so scheint es, als ob es mehrere Gruppierungen unter den Halloween-Fans gibt. Eine interessante Entwicklung.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!