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„Captain Marvel“ und Rotten Tomatoes: Wie selbst der Diskurs um simple Blockbuster gezielt vergiftet und politisch aufgeladen wird

verfasst am 2.März 2019 von Markus Haage

In Hollywood gibt’s mal wieder ordentlich Trubel. Brie Larson, Hauptdarstellerin aus dem kommenden Film „Captain Marvel“ (2019), hat sich bei einem Event gesellschaftspolitisch geäußert und auch zur Aussage hinreißen lassen, dass ihre Filme, wie etwa „A Wrinkle in Time“ (2018), nicht für „weiße Typen um die 40“ gemacht wurden sind, die diesen Film angeblich mehrheitlich als Filmkritiker negativ bewerteten. Die gesamte Rede findet sich hier.

„I do not need a 40-year-old white dude to tell me what didn’t work for him about ‘[A] Wrinkle in Time.’ It wasn’t made for him. I want to know what it meant to women of color, to biracial women, to teen women of color, to teens that are biracial.“

Sie fordere deswegen mehr Diversität in der Kritikerlandschaft, da sie wohl der Überzeugung ist, dass ein „weißer Typ“ ihre Filme nicht fair bewerten oder überhaupt verstehen könnte, und merkte bedauernd an, dass Filmkritiken überhaupt einen so großen Einfluss hätten. Sie erwähnt danach zwar noch, dass gute Reviews auch helfen können, allerdings offenbart dies bereits eine problematische Grundeinstellung zur unabhängigen Presse und generellen Kulturkritik.

„It really sucks that reviews matter, […].“

Es sei übrigens nebenbei erwähnt, dass das Zielpublikum des Films „A Wrinkle in Time“ diesen sogar auf allen unabhängigen Rating-Sites, wie RottenTomatoes.com, IMDb.com oder Metacritic.com, schlechter bewertete als besagte Filmkritiker. Es ist eben leicht immer und immer wieder auf die Presse einzuschlagen, wenn ein Produkt nicht den gewünschten Erfolg hat. Allerdings lässt sich auch nicht wegdiskutieren, dass die Berichterstattung von bestimmten Genres von „weißen Typen“ („white dudes“) tatsächlich dominiert wird (zumindest nummerisch). Mehr Diversität, und damit in diesem speziellen Fall einhergehend eine reichere Diskussionskultur, ist sicherlich mehr als nur wünschenswert. So hat Larson eben nicht ganz unrecht. Auch ich persönlich bin immer und immer wieder überrascht, wie wenige Frauen als Filmkritiker besonders in Genre-Bereichen (Horror, Science-Fiction, Fantasy) aktiv sind. Dies könnte natürlich zu einem bestimmten Teil auch auf unterschiedliche Milieus und kulturell oder sozial geprägte Präferenzen bestimmter Gruppen zurückzuführen sein, aber so sehr wägt das Internet nicht ab… Eine echte (oder seriöse) Debatte ist im Netz über ein solches Thema kaum noch vorstellbar. Es wird nur noch geschrien.

Brie Larson als Captain Marvel.
(© Marvel Studios)

Natürlich ist es müssig, jedes Statement eines Hollywood-Stars oder Künstlers zu kommentieren oder jedes Wort von ihnen auf die Goldwaage zu legen. Tut man dies, dann könnte man wohl keinen Film mehr schauen. Kurt Russel gehört nach eigener Aussage der „extremen Rechten“ an (wichtig: im US-amerikanischen LIBERTÄREN Sinne). Also, so wenig Staat wie nur denkbar möglich. Ähnliches gilt für John Milius, Schöpfer des ewigen Meisterwerks „Conan der Barbar“ (1981). Kunst lebt von gewissen Extremen, die überhöhen und verzerren, sonst wäre sie langweilig. Und eben hinter dieser Kunst stehen oftmals extreme Charaktere. Man muss darauf nicht immer explizit eingehen, dennoch werden Larsons Aussagen nun von vielen Seiten auch gesellschaftspolitisch genutzt, um eine eigene Agenda zu pushen und in einen direkten Zusammenhang mit ihren Film „Captain Marvel“ zu stellen, da dieser Film eben die Tage anläuft. Die einen stimmen ihr zu, die anderen stimmen dagegen. Das übliche Spiel. Natürlich immer unter reißerischen Schlagzeilen. Egal, ob von unabhängigen YouTubern („BRIE LARSON IS KILLING CAPTAIN MARVEL BEFORE IT’S EVEN OUT!“) oder seriösen Publikationen („Sexist Trolls Are Already Waging War Against Captain Marvel With Negative Reviews“), das Netz ist voll mit Meinungen, die wie aus einem Maschinengewehr rausgefeuert werden. In diesem spezifischen Fall hat es nun in aller Konsequenz dazu geführt, dass Rotten Tomatoes sein Wertungssystem änderte, da der „Want to see“-Score angeblich negativ beeinflusst wurde. Dieser Score besagt, ob die Zuschauerinnen und Zuschauer einen Film sehen wollen. Er stellt keine echte Bewertung des fertigen Produkts dar, auch wenn es in der Kommentarsektion dazu fast immer zu Wertungen kam. Der „Want to see“-Score zu „Captain Marvel“ fiel nach Larsons Aussagen auf bis zu 28%. Desaströs. In einem Pressestatement erklärte Rotten Tomatoes die Entscheidung:

„We are disabling the comment function prior to a movie’s release date. Unfortunately, we have seen an uptick in non-constructive input, sometimes bordering on trolling, which we believe is a disservice to our general readership. We have decided that turning off this feature for now is the best course of action. Don’t worry though, fans will still get to have their say: Once a movie is released, audiences can leave a user rating and comments as they always have.“

Ob dieser tatsächlich beeinflusst wurde oder nicht, lässt sich von außen nur schwer feststellen. Es schwirren vereinzelte Kommentare von der Rating-Sektion durchs Netz, die als Exempel herhalten sollen, dass „Captain Marvel“ im Vorfeld gezielt aufgrund von Larsons Aussagen negativ bewertet wurde. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass keine repräsentative Auswertung vorliegt. Zumindest keine, die halbwegs wissenschaftlichen Prinzipien standhalten könnte. Dennoch: Es wäre nicht überraschend. Natürlich werden auch große Kulturprodukte mittlerweile in den Fokus gezielter Troll-Attacken gerückt. Der Sinn dahinter ist recht simpel: Eine Gesellschaft im ewigen Streit zu halten und Zwietracht zu säen. Manch einer wird schmunzeln und glauben, dass dies ja nicht sein kann, doch die Vergangenheit hat bereits belegt, wie auch popkulturelle Debatten gezielt von Troll-Fabriken angeheizt wurden. In Hochzeiten seien bis zu 50% des gesamten Netztraffics von Bots generiert, die reviewen, viewen, kommentieren und bewerten.

Ob man Brie Larsons Aussagen, die in einigen Punkten inhaltlich fragwürdig formuliert wurden sind („It really sucks that reviews matter, […].“), zustimmt oder diese ablehnt, sei einmal dahingestellt. Der ganze Vorfall kann aber wenigstens exemplarisch für den Zustand der Diskussionskultur herhalten und zeigt demnach auf, wie sehr mittlerweile schon simple Fantasy-Blockbuster gezielt von allen Seiten für das Pushen politischer Agenden genutzt werden. Und in der Mitte des Streits stehen die Zuschauerinnen und Zuschauer, die eigentlich nur einen Film sehen wollten, um einmal für zwei Stunden abzuschalten und aus dem Alltag zu entfliehen.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!