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Hollywood Boulevard, Los Angeles (Dezember 2018)

verfasst am 3.März 2019 von Markus Haage

Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, die für jeden Filmfan ein Muss darstellen. Der legendäre Hollywood Boulevard gehört sicherlich dazu. Doch die oftmals romantisch verklärte Vorstellung kann täuschen und muss manchmal einer brutalen Realität weichen…

Das TCL Chinese Theatre am Hollywood Boulevard. Eines der cineastischen Wahrzeichen von Los Angeles.
(© Neon-Zombie.net)

Der Hollywood Boulevard ist das Herz der Traumfabrik, denn nur dort vereinen sich Glanz und Glamour! Flugscheinwerfer erstrahlen den Himmel! Konfetti fliegt durch die Luft! Stars drängen sich durch ein Blitzlicht-Gewitter über den Gehweg! Zumindest, wenn man den über Jahrzehnte im Gedächtnis hängen gebliebenen Momentaufnahmen und Erinnerungsfetzen in Schwarz/Weiß Glauben schenken mag. Ja, dies ist der Boulevard auf dem Marilyn Monroe und Lauren Bacall wandelten, um die Weltpremiere von „Wie angelt man sich einen Millionär?“ („How to Marry a Millionaire“, 1953) in Technicolor zu feiern. Es ist auch derselbe Boulevard zudem Hal B. Wallis 1943 fuhr, um sich bei den Academy Awards den Oscar in der Kategorie „Bester Film“ für „Casablanca“ abzuholen oder auf dessen Gehweg Burt Lancaster 1958 als einer der ersten Künstler einen Stern auf dem Walk of Fame erhielt. All diese Erinnerungsfetzen in Schwarz/Weiß sausten durch meinen Kopf, als ich den North Orange Drive Richtung Norden hochging und sich bereits am linken Ende auf der Kreuzung zum besagten Hollywood Boulevard das legendäre Roosevelt Hotel offenbarte. Ein beeindruckender Art-déco-Bau, der tief mit der Geschichte der Traumfabrik verwoben ist. Doch zwischen den Straßenschluchten, an dessen Horizont sich der Hollywood Boulevard schon anbahnte, blitze bereits die Reklametafel eines Ramschladens auf: „Everything $10! Luxury Accesoires“! Meine romantisch verklärte Fiktion wurde von einer brutalen Realität eingeholt. Als ich mir für die finalen Meter des Weges zum Prachtboulevard eine Zigarette anzündete, wollte ich mir unbedingt vorstellen, wie Humphrey Bogart seine Kippen auf dem Fußweg ausdrückte und in einer nahe gelegenen Bar einen Scotch bestellte. Nun musste ich feststellen, dass schon das Anzünden einer Zigarette argwöhnische Blicke der sich im Fitness-Wahn befindlichen Einheimischen nach sich zog, die in einer Hand ihr Smartphone hielten und in der anderen Hand einen Frappuccino.

Auf den ersten Metern des Hollywood Boulevards angekommen, erlaubte ich mir einen Rundblick. Eine Art von Innehalten. Dies ist sie also, die sagenumwobene öffentliche Bühne der Hollywood Royalty, aber bereits nach wenigen Sekunden machte sich eine gewisse Ernüchterung breit: Der Prachtboulevard von Los Angeles, auf dem jährlich die Academy Award-Verleihungen im Kodak-Theatre und Filmpremieren in den zahlreichen traditionsreichen Kinos stattfinden, versprühte zumindest in den ersten Morgenstunden eine gewisse Jahrmarkts-Tristess. Die Geschäfte öffneten erst noch, die Kehrmaschinen beseitigten die letzten Reste des nächtlichen Trubels. Die Neonleuchten waren weitestgehend ausgeschaltet, die ersten noch schlaftrunkenen Touristen betraten in kurzen Bermuda-Shorts, zu engen Polohemden und zu langen Tennissocken den Boulevard, um mit ihren Smartphones und Tablets die Sehenswürdigkeiten festzuhalten. Die ersten Sightseeing-Busse fuhren vor. Vereinzelt bauten Händler ihre Stände bereits auf. Der nicht untergehende Verkaufsschlager neben dem bekannten Tinnef, wie T-Shirts, Kaffee-Tassen und Miniatur-Oscars: die berühmten Maps to the Stars. Straßenkarten von Los Angeles, die (angeblich) die Wohnhäuser der bekannten Hollywood-Prominenz markieren sollen. Überprüfen lässt sich dieses freilich nicht, aber der schiere Glaube, dass in einem bestimmten Wohnhaus in unmittelbarer Nähe eine bekannte Persönlichkeit lebt, scheint gewisse Käufergruppen bereits zu begeistern. Für nicht weniger Begeisterung schienen die ersten Darsteller zu sorgen, die recht unmotiviert zum Chinese Theatre schlenderten, wo sie sich als bekannte Filmfiguren gegen Geld ablichten ließen. Als ich meinen Weg über den Boulevard begann, trottete ein Chewbacca-Darsteller lustlos vor mir hin. Der Reißverschluss seines Kostüms war am Rücken noch offen. Darunter ein verschlissenes weißes Baumwoll-T-Shirt, welches unelegant in eine Boxershorts gestopft wurde. Überall bricht eben die Realität durch die Illusion und sei es nur in Form einer ausgewaschenen Unterhose.

Die Zementplatte vor dem Chinese Theatre mit den Handabdrücken und Signaturen der klassischen Enterprise-Crew.
(© Neon-Zombie.net)

Einige Meter weiter füllte sich langsam der Vorhof des TLC Chinese Theatres. Das altehrwürdige Kino ist nicht nur durch seine „chinesische“ Architektur bekannt, sondern war auch schon Schauplatz zahlreicher Filmproduktionen. Vor dem imposanten Eingang dürfen sich auch ausgewählte Stars in Zement verewigen. Aufgrund ihres überraschenden Todes konnte es Carrie Fisher leider nicht mehr tun. Dafür widmete man ihre eine Marmorplatte mit Gravur. Einige Hand- und Fußabdrücke lassen sich allerdings kaum erkennen. Zu viele Menschen wanderten über die Jahrzehnte wohl über sie her und trugen mit ihren Sohlen nach und nach die Gravuren ab. Eine der ältesten Platten, datiert auf 1933, ist nur noch schwer lesbar. Schade, stammte sie doch von den legendären Marx-Brothers. Nicht zu verwechseln mit den Gravuren vor dem Chinese Theatre ist der Hollywood Walk of Fame, der in unterschiedlicher Form in allen möglichen Städten der Welt schon nachgeahmt wurde. Dieser ziert mit seinen Sternen die Gehwege beider Straßenseiten des Hollywood Boulevards. Manche Sterne sind verdreckt und abgewetzt, andere besitzen noch keinen Namen. Dies liegt wohl daran, dass man einen Stern auf den Walk of Fame eben nicht wirklich verliehen bekommt, sondern sich kaufen muss. Bis zu 40.000 US-Dollar soll die Ehrung kosten. Dennoch überraschend, für Fans des Phantastischen Kinos finden sich einige Genrestars, die man dort nicht zwingend vermuten würde. Rod Serling, Schöpfer der „Twilight Zone“, ist auf dem Walk of Fame genauso vertreten, wie etwa Stop-Motion-Magier Ray Harryhausen, der japanische Schauspieler Toshiro Mifune und eben Horror-Altmeister George A. Romero, dessen Stern sich in Front eines Perückenshops befindet.

Es ist bemerkenswert, wie viele kleine Händler sich am Hollywood Boulevard noch halten können. Natürlich sind die großen Marken mit ihren Präsentationsläden gut sichtbar vertreten, aber zwischen ihnen pochten dann eben doch noch die unabhängigen Einzelhändler auf, die sich eisern halten. So auch Larry Edmund’s Bookshop. Ein Second-Hand-Buchladen, der sich natürlich ganz spezifisch dem Thema Film gewidmet hat. Filmbücher aus zweiter Hand (aber natürlich auch Neuware) lassen sich hier aus allen Jahrzehnten finden. Eine Goldgrube für Cineasten. Der Weg dorthin ist bestückt mit Museen, Merchandise- und Kuriositätenläden. Das Guinness-Buch der Rekorde stellt dort genauso aus wie dessen amerikanisches Pendant „Ripley’s Believe It or Not!“. Ein Tyrannosaurus Rex auf dem Dach soll für Aufmerksamkeit sorgen. Natürlich findet man auch Wachsfiguren-Museen, Stripshows, Tattoo-Läden und Kneipen. Selbst Scientology ließ es sich nicht nehmen, direkt am Hollywood Boulevard eine Zentrale aufzuschlagen, die zudem über einen Nebenhof verfügt, auf dem passend zur Jahreszeit eine kleine Weihnachtswelt für Kinder aufgebaut wurde. Die Absicht dahinter sollte klar sein.

Aufmerksamkeit um jeden Preis.
(© Neon-Zombie.net)

Von weitaus größerem Interesse waren für mich allerdings die klassischen Kinos, die bereits vor fast einhundert Jahren mit einer reißerischen Architektur um die Zuschauer buhlten. Man denke hierbei nur an das legendäre Grauman’s Egyptian Theatre, welches sich, wie der Name es bereits verrät, ganz einer alt-ägyptischen Bauweise hingibt. Zumindest soll der Eindruck erweckt werden. Doch auch hier wurde der Charme der Kino-Tradition von den funkelnden Leuchtreklamen eines nahe gelegenen Striplokals überstrahlt, welches mit großen Namen der Pornoindustrie für sich warb. Auf dem Rückweg zum Chinese Theatre, welches ebenfalls vom Architekten Sid Grauman entworfen wurde, verflog der Nebel der Zirkus-Attraktionen schnell und ich bemerkte, wie sich mein Augenmerk auf die wahren Sehenswürdigkeiten des Boulevards richtete: Die unvergessliche Architektur des Art déco, des Spanish Colonial Revivals und der Streamline-Moderne, die das „alte“ Los Angeles in seiner vielleicht eigentlichen Gründerzeit der 1920er- und -30er-Jahre am ehesten einfängt. Ein wilder kultureller Mix von hoher künstlerischer Qualität, der des Nachts, wenn der Hollywood Boulevard zum Leben erwacht, durch die Neonreklamen, Flutlichter und Leinwände vollkommen überstrahlt wird.

Das El Capitan-Theatre im Stile des Spanish Colonial Revivals.
(© Neon-Zombie.net)

Die morgendlichen Sonnenstrahlen, die alsbald von einer Wolkendecke abgefangen wurden, waren gnadenlos und offenbarten alles. Aber die Prachtmeile von Los Angeles muss tagsüber eben nicht nur die unschönen Seiten der Moderne, sondern eben auch die Erinnerungen an einen anderen Hollywood Boulevard, welcher schon längst untergegangen ist, preisgeben. Ein Hollywood Boulevard, auf dem zumindest in der wohl nostalgisch verklärten Vorstellung aus gefilterten Erinnerungsfetzen, Clark Gable und Errol Flynn ihre Zigaretten auf dem Gehweg ausdrückten und in einem Phantom Corsair stiegen, um zu einer Filmpremiere ins Egyptian Theatre vorzufahren. Eine schöne Vorstellung, ein schöner Traum, der sich bei aller durch die Morgendämmerung hervorgerufenen Ehrlichkeit auch nicht durch den Anblick von Chewbaccas abgewetzter Unterhose zerstören lässt.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!