Nach 33 Jahren wird eine afro-amerikanische Komödie fortgesetzt und die Reaktionen darauf könnten nicht hysterischer ausfallen. 44 % der offiziellen Kunden-Bewertungen auf Amazon stellen mittlerweile 1-Stern-Bewertungen dar, die unter anderem behaupten, dass die Fortsetzung als ein „misslungenes Werk propagandistischer Federführung à la Goebbels“ oder als „Kasperletheater in einem Umerziehungslager“ zu bezeichnen sei und wohl von „arbeitslosen, marxistischen Redenschreibern“ verfasst wurde. Begriffe wie „Woke Propaganda“, „Gleichmacherei“ als auch „Gender-Müll“ werden als Bewertungsfazit angeführt. Andere wiederum empören sich wegen Gags über vegane Ernährung im Film oder die humoristische Darstellung von „schwierigen afrikanischen Themen“ wie etwa „rituelle Beschneidung, traditionelle Riten, Kindersoldaten, terroristische afrikanische Generäle, Sexismus, uneheliche Kinder usw.“. Auch in Deutschland sind wir nun mitten im Culture War angekommen.
Wir leben in verrückten Zeiten. Gefühlt vergeht kaum noch ein Tag, indem es nicht in irgendeiner Ecke des Internets wenigstens einen Empörungssturm irgendeiner politischen Bewegung gibt. Erst im Januar wurde lauthals gefordert die weitere Publikation der Comicfigur The Punisher aus dem Hause Marvel einzustellen. Im Februar sollte Ex-Präsident Donald J. Trump aus alten Fernsehserien und Filmen herausgeschnitten werden und im März muss nun „Der Prinz aus Zamunda“ aufgrund seiner Fortsetzung eine Art von Review-Shitstorm über sich ergehen lassen. Dies geschieht aber vordergründig nicht in den sozialen Netzwerken, wie Twitter, Facebook und Co., sondern diesmal vor allem in der Review-Sektion des Anbieters Amazon. Dies ist das von den Usern meist-empfohlene User-Review (Stand: 9. März 2021). Man beachte die wirre Überschrift.
Hätte man noch vor einer Woche gesagt, dass das Sequel einer 33 Jahre alten Komödie solche Reaktionen hervorruft und quasi Teil des sogenannten Culture Wars wird, so hätte man diese Person wahrscheinlich für verrückt gehalten. Nach den Erfahrungen des letzten Wochenendes kann man nun zumindest aus wirtschaftlichen Kalkül nachvollziehen, warum die großen Hollywood-Studios immer mehr Produktionen in Auftrag geben, denen sämtliche Ecken und Kanten abgeschliffen werden, damit sich bloß niemand daran stört. Die Veröffentlichung von „Der Prinz aus Zamunda 2“ („Coming 2 America“, 2021) hat entgegen aller Erwartungen nicht nur diesen teils irritierend aggressiven Wutsturm losgelöst, sondern in dessen Kritik wird auch der erste Teil als argumentative Waffe nachträglich neu interpretiert und somit gegen das aktuelle Sequel eingesetzt. Eine gute Gelegenheit kurz auf das (mittlerweile nostalgisch verklärte) Original zurückzublicken.
In den Reviews zur Fortsetzung von einflussreichen, deutschsprachigen YouTube-Formaten ist die Rede von einem „familienfreundlichen Märchen“, obwohl „Der Prinz aus Zamunda“ nicht nur ein R-Rating erhielt – die nächste Stufe wäre damals ein X-Rating gewesen, welches gleichzusetzen war mit Hardcore-Pornografie –, sondern sich auch auf teils derbste Weise immer an ein erwachsenes Publikum richtete. Der Begriff Märchen wird aber nun verwendet, um einen Kontrast zum angeblich „obszönen“ oder „vulgären“ Sequel herzustellen und den wohl angeblich familienfreundlichen Charakter des Originals zu unterstreichen, der eigentlich nie wirklich vorhanden war. Man erinnere sich nur an die Musical-Einlage am Anfang des Films, als dem Prinzen eine Frau feierlich serviert wird, die ihm nicht nur als Sex-Sklavin dienen soll, sondern auch „frei von Infektionen“ ist („She is your queen to be, […] completely free of infections, to be used at your discretion, waiting only for your direction.“). Zu Hochzeiten der AIDS-Pandemie in Afrika ein harter Gag, der für die deutsche Sprachfassung übrigens nie übersetzt wurde und vielleicht auch deswegen unterging.
„Der Prinz aus Zamunda“ lebte eben auch von infantilen und vor allem vulgären Witzen, die sich nicht davor scheuten auch die sozialen und kulturellen Eigenheiten der afro-amerikanischen Community humorvoll zu kritisieren. Hierzu gehörte natürlich auch die überzogene Darstellung eines afrikanischen Königreichs, die sich parodistisch auch realer Vorbilder wie den Diktaturen von Charles Taylor, Idi Amin oder Robert Mugabe bediente. Es war eine andere Zeit und eine andere Art von Humor. Diese Comedy aber nun nostalgisch zu verklären, gar zu einem „familienfreundlichen Märchen“ umzudichten, um die Fortsetzung plumper dastehen zu lassen, irritiert enorm (aber vielleicht wird das Sequel in 33 Jahren auch ohne jeglichen historischen Kontext als „familienfreundlich“ durchgewunken). Gerade diese nostalgische Verklärung des Originals spiegelt sich in vielen Bewertungen des Films wider. Auch in den aggressivsten Reviews, die zweifelsohne politisch oder ideologisch motiviert sind. Die Bezeichnung „Märchen“ für den Originalfilm ist natürlich nicht verkehrt, suggeriert aber ein anderes Werk. Ein Märchen muss nicht familienfreundlich sein, auch wenn man den Begriff heutzutage oftmals damit verbindet.
In dem Originalfilm steckt all die Tragik und Sehnsucht des schwarzen Amerikas nach Anerkennung und Respekt (in der komödiantischen Überhöhung findet auch immer eine gewisse Bestandsaufnahme der realen Verhältnisse statt). So zum Beispiel die schlichte Sehnsucht nach einer kulturellen Identität, die ihnen durch die Versklavung ihrer Vorfahren geraubt wurde. Auch wenn „Der Prinz aus Zamunda“ komödiantisch mit Stereotypen und den teils aus afro-amerikanischer Sicht vollkommen überhöhten Vorstellungen der afrikanischen Kultur spielt, hinterließ eben diese überhöhte Darstellung einen bleibenden Eindruck. Noch 2018 schrieb die Heinrich-Böll-Stiftung: „Zamunda ist klein, abgeschnitten und zeitlos, so wie ein Disney-Märchenschloss es eben ist: eine aufgeblasene Miniatur-Version einer Welt, die in einer Schmuckschatulle gefangen ist.“. Im Zuge der Veröffentlichung des Marvel-Films „Black Panther“ (2018) wurde „Der Prinz aus Zamunda“ im direkten Vergleich stets zitiert. Dies zeigt auch auf, wie „arm“ die afro-amerikanische Mythologie gemacht wurde. Zwischen „Black Panther“ und „Der Prinz aus Zamunda“ liegen fast drei Jahrzehnte, in denen auf die Sehnsüchte des afro-amerikanischen Publikums kaum Rücksicht genommen wurde. Eddie Murphy und Arsenio Hall griffen dies 1988 auf und verarbeiteten es als junge Comedians (Murphy war gerade einmal 27 Jahre alt) auf teils hysterische Art und Weise, indem sie drastische Wunschvorstellung (Zamunda) auf die drastische Realität (Queens) treffen ließen. Die Fortsetzung greift dies lediglich erneut auf (ob gelungen oder nicht, ist wiederum eine andere Frage).
Es gibt sicherlich einiges, was man handwerklich an der Fortsetzung kritisieren kann, muss und sollte. Das Sequel wird (im Gegensatz zu Teil 1) wohl keine Oscar®-Nominierungen erhalten. Dennoch kann man kaum noch glauben, dass diese Masse an teils drastischen und aggressiven Negativ-Reviews vor allem aus dem User-Bereich sich wirklich noch um das eigentliche Werk drehen. Der Höhepunkt der Wutwelle stellt wohl die Review-Sektion auf Amazon dar, in dieser der Film ideologisch auseinander genommen wird. Mittlerweile stellen 44 % aller dortigen „Kritiken“ 1-Stern-Bewertungen dar, weitere 11 % wiederum 2-Stern-Bewertungen (Stand: 12. März 2021). Ein signifikanter Anteil davon bewertet das Werk schlichtweg aus der Perspektive der Weltanschauung des jeweiligen Reviewer. Eine hundertprozentige Objektivität ist natürlich grundsätzlich ausgeschlossen – wir alle sind Produkte unserer Umwelt –, die Aggressivität mit der diese Kritiken allerdings verfasst wurden, lässt tatsächlich erheblichen Zweifel daran aufkommen, dass es sich hierbei wirklich noch um seriöse Kritik um den Film handelt (interessant ist übrigens auch die Tatsache, dass viele Kritiker wert darauf legen, den Film nach nur wenigen Minuten ausgeschaltet zu haben). Dass ein Klamauk wie „Der Prinz aus Zamunda 2“ eine solche Wut freisetzt, hätte man kaum für möglich halten können. Deswegen zeigt dieses Beispiel auch so gut auf, wie mittlerweile anscheinend Kulturprodukte als Abregung herhalten müssen. Es belegt aber auch eine gewisse Wertlosigkeit ungefilterter Meinungen, die schnell zu Propagandazwecken ausgenutzt werden können. Auch Amazon ist davon nicht befreit.
Auffällig oft, wird bei diesen 1-Stern-Bewertungen davon geredet, dass „Der Prinz aus Zamunda 2“ reine „New-Age-“ oder „Woke-Propaganda“ sei. Teilweise wird den Filmemachern sogar „Rassismus gegen Weiße“ vorgeworfen. Dies irritiert enorm, da ein weißer Darsteller in nur einer Szene auftaucht, die zudem auch Seitenhiebe auf die afroamerikanische Community (und ein wunderschönes Easter-Egg auf John Landis’ „Die Glückritter“) enthält. Grundsätzlich teilt „Der Prinz aus Zamunda 2“ gegen alle Seiten aus. Dies sollte dem Zuschauer vor allem in der Barbershop-Szene bewusst werden, indem man sich nicht nur über die Woke-Welle und die Alt-Right-Bewegung, sondern sogar auch über die Ausschreitungen und Plünderungen während der Black Lives Matters-Proteste lustig macht.
Aber die wütenden Kritiker lassen sich oftmals von einer einzigen Szene triggern, die aus dem Kontext gerissen wird und für das gesamte Werk herhalten soll. So braucht man sich dann auch nicht mehr wundern, wenn Studios Drehbücher schon vor Produktionsstart auf jeden Dialogfetzen regelrecht durchscannen, um jede mögliche Kontroverse von vornherein auszuschließen, oder aber auch jahrzehntealte Filmklassiker nachträglich abändern. Ein Reviewer brach den Film ab, weil man sich in der Eröffnungsszene über vegane Burger lustig machte, …
… während eine andere Kritikerin es als „schwierig“ bezeichnete, dass afrikanische Themen wie „rituelle Beschneidung, traditionelle Riten, Kindersoldaten, terroristische afrikanische Generäle, Sexismus, uneheliche Kinder“ verballhornt wurden.
Nebenbei: Nicht nur macht die Kritikern „uneheliche“ Kinder zu einem „afrikanischen“ Thema (was auch immer dies ihrer Meinung nach bedeuten mag), sondern der Film geht genau auf dieses Vorurteil mit einem Gag ein. Es deutet sich aber auch so, als ob afro-amerikanische Comedians sich vorab eine Genehmigung einholen müssten, wenn sie sich über Eigenheiten der eigenen Community lustig machen wollen. Besonders die Beerdigungsszene von König Joffer (James Earl Jones) wurde allerorts als geschmacklos empfunden. Da kann man aber froh sein, dass Eddie Murphy und Arsenio Hall sich nicht getraut haben, einfach nur die Realität zu imitieren …
Dieser Logik nach, dürften sich deutsche Comedians auch nicht über kulturelle Phänomene von Bajuwaren, Schwaben oder Sachsen lustig machen. Comedy wäre damit gar nicht möglich. Es irritiert, wie schwarze Künstler oftmals belehrt werden.
Die mit Abstand überwältigende Mehrheit der politisch-motivierten Reviews entstammt aber wohl der rechtsgerichteten Ecke und kritisiert die Fortsetzung als angebliche „Woke Opera“ mit „klimaneutralen, veganen und identitätslosen Powerrangermädels“. Hierbei spricht man auch von „Goebbelscher Propaganda“, die „vollgestopft mit Gender-Müll“ ist, um die „Gleichmacherei“ voranzutreiben. Um nur einmal rein exemplarisch darzulegen, welche Art von Kritik mittlerweile die Bewertungen (und somit auch den Erfolg und Misserfolg) von Filmen offiziell beeinflusst, „einige“ Screenshots der wildesten Reviews (man nehme sich einen Pott Kaffee …). Interessant ist auch, wie sich die Wahrnehmung der jeweiligen Kritiken teils arg widerspricht (siehe erstes Review im Kontrast zu den darauf folgenden).
Ähnliche Kritiken finden sich auch unter den 2-Sterne-Bewertungen, was den Anteil rein politisch oder ideologisch motivierter Negativ-Kritiken noch erhöht. Es fällt schwer, selbst solche unreflektierten Reviews beiseitezuschieben, da sie letztlich das öffentliche Bild des Films und dessen Wahrnehmung formen. Nur ein Bruchteil der Zuschauerinnen und Zuschauer werden die Review-Sektion durchstöbern, um zu erfahren, warum der Film eine schlechte Bewertung erhielt. Sie sehen lediglich die Gesamtwertung unter dem Titel und treffen darauf basierend ihre Entscheidung.
Vielleicht sollte auch Amazon eine stärkere Gewichtung auf verifizierte Kritiker legen, die den rein ideologischen Shitstorms entgegengestellt werden können. Auch Filmkritik, oder Kulturkritik im Allgemeinen, braucht Zeit und eine gewisse Muße (ob dies aber selbst bei den professionellen Kritikern wirtschaftlich noch möglich ist, ist sicherlich ein anderes, aber nicht weniger wichtiges Thema). Damit sollte man keineswegs die Meinung des Publikums ignorieren, aber in diesem speziellen Fall zeigt sich eben deutlich auf, dass eine Form der politischen Agitation mittlerweile auf allen Ebenen betrieben wird. Selbst in der Review-Sektion von Amazon zu einen vielleicht nicht guten, aber letztlich harmlosen Klamauk.
Eine perfekte Lösung wird es nicht geben, aber nun die wohl endgültige Gewissheit, dass der Culture War jetzt auch in deutschen Landen von allen Seiten auf allen Ebenen ausgetragen wird. Und Kulturprodukte, seien es Filme, Musikstücke oder Romane, stehen im Fokus dieses absurden „Krieges“. Hoffen wir, dass es genug interessierte Zuschauerinnen und Zuschauer geben wird, die gewillt sind, sich mit den Eigenheiten von Kulturprodukten auseinanderzusetzen und auf Distanz zu denjenigen gehen, die entweder ihre Wut aus dem realen Leben nur noch ins Netz kotzen oder zu politischen Zwecken gezielt Propaganda betreiben wollen.
‐ Markus Haage
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