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Sunshine Reggae auf Ibiza (Deutschland, 1983)

verfasst am 1.Juni 2010 von Markus Haage

„Gelobt sei, was den Motten schmeckt.“

Ehrfürchtig schloßen sich mehrere Filmwebsites zusammen um gemeinsam im Quartals-Rhytmus schreckliche Schlachten zu schlagen. Meine Damen, meine Herren…wir präsentieren ihnen: Die Ritter der Schwafelrunde!

(© Neon-Zombie.net)

Ein Thema! Sechs Webseiten! Keine Furcht!
Heutiger Quest (01.06.2010): „Wo man singt, da legst di’ nieder!“

Deutsche Heimats-, Schlager- und Sexklamotten der 70er
+++ Einen Überblick über alle teilnehmden Webseiten und ihrer Reviews findet ihr hier +++

Während sich andere Websites mit Lederhosen und Schulranzen beschäftigen, verschlägt es die VideoRaiders nach Ibiza – Quell der Jugendlichkeit des deutschen Bürgertums Anfang der 80er. Was heute Malle ist, war damals Ibiza. Und selbstredend zog das Inselchen im Atlantik nicht nur Horden germanischer Touris an, sondern diente auch als Kulisse zahlreicher Klamotten. Der Gewinner hierbei war stets die lokale Tourismus-Behörde. Der Verlierer: der Zuschauer…sofern er einen Hauch von guten Geschmack besitzt. Das tun wir nicht. Somit ist die Gehirnschlag-Gefahr auf ein Minimum gesenkt…

(© Marketing Film)

Der gute Karl hängt an den Zitzen seiner Linda. Eine Kuh mit Eutern größer als Mosambik. Aber viel lieber würde er an den Zitzen einer anderen Linda hängen – Linda Lu, Schlagerstar mit Kreischstimme auf höchstem Pegel. Diese gastiert auf der spanischen Urlaubsinsel Ibiza. Laut katholischen Reise-Dienst die Hölle auf Erden, für das deutsche Bürgertum der 80er ein Refugium aus der germanischen Biederkeit. Für einen geistig stabilen Niedersachsen – wie mich – insbesondere rückblickend eine Ansammlung an Merkwürdigkeiten. Von daher dürfte der gute Karl dort nicht großartig auffallen, doch sein ganz eigener Charme lässt ihn sprichtwörtlich in jedes Fettnäpchen regelrecht versinken. Wie die Titanic – nur noch tiefer.

(© Marketing Film)
(© Marketing Film)

Papa: „Komm’ nicht zu spät zum Abendbrot!“
Karl: „Papa, ich fahr’ nach Ibiza!“
Papa: „Es gibt keine Pizza, es gibt Grünkohl!“

Grund für sein Erscheinen auf der Insel der gescheiterten Existenzen ist natürlich seine Linda Lu – die will er nicht nur aufspüren, sondern gleich heiraten. Eine unterschriebene Autogrammkarte hielt er wohl für eine Einladung in ihre Unterhose. Aber Linda kennt ihn natürlich nicht, lässt sie doch alle ihre Autogrammkarten von ihrer Managerin Gudrun.

(© Marketing Film)
(© Marketing Film)

Gudrun ist der Angelpunkt der Vernunft in dieser verwirrenden Geschichte, gestrickt aus Sketchen und Laiendarstellern – die sich irgendwie alle zufällig vor der Kamera wiederfinden. Ob sie wissen wo sie sich befinden, darf angezweifelt werden.

(© Marketing Film)
(© Marketing Film)

Während Karl nun seiner Linda hinterherrennt, wird uns ein buntes Potpourri an bundesrepulikanischen Charakteren der Unterhaltungsindustrie aufgeführt. Sei es Mutti die, die Jungfräulichkeit ihrer Tochter Barbara mit verteidigt (bei den Namen und der Frisur darf man übrigens anmmerken, dass die Jungfräulichkeit nicht wirklich in Gefahr sein sollte)…

(© Marketing Film)
(© Marketing Film)

Mutter: „Barbara, du nimmst die Pille?“
Barbara: „Klar, Mama. Wer garantiert mir denn nochmal zwei Jahre Glück?“

Oder der coole Johnny, der mit seinem Sidekick-Buddy Slowly, verstockter Abiturient und Musikzar aus der gehobenen Bürgerschicht, Ibiza unsicher machen will. Keine Frage, Johnny ist der lockere Charmeur, dem Frauenherzen und -unterhosen hinterherfliegen – trotz seiner äthiopischen Körpermasse (man darf zu dem auch noch anmerken, dass der gute Johnny der Sohn von Udo Jürgens ist – in der Realität wohlgemerkt)…

(© Marketing Film)
(© Marketing Film)

Slowly: „Ibiza ist echt stark, du. Genauso wie ich es mir vorgestellt habe. Kein Zwang, keine Verbote – jeder kann tun und lassen was er will. Riesig!“

Nicht zu vergessen Bea Fiedler, Sex-Starlett der 70er, die auch hier in ihre a-typische Charakterrolle als nymphomanisch-veranlagte Ehefrau Rita schlüpfen darf – sehr zum Unmut ihres Mannes Gottlieb Wendehals…

(© Marketing Film)
(© Marketing Film)

Rita: „Kratz’ mich, beiß’ mich – gib mir Tiernamen! Sag’ was wildes!“
Slowly: „W-w-w…Wildsau!“

Als Krönung dieses Kleingarten-Varietés kommt auch noch Uncle Bernie, Johnnys Onkel, daher. Als Ibiza-Öhi lebt er in seiner eigenen Fortress of Solitude – nur umgeben von Hühnern und spartanischen Lebensverhältnissen. Denkt man zuerst, dass er der Casanova des Films wäre, so haben die Drehbuchautoren seinen Charakter – verhältnismässig – tiefsinniger angelehnt (wobei tiefsinnig nicht ernsthaft bedeutet). Grund für sein Einsiedler-Leben: eben die Weiber. Irgendwann, irgendwo brach eine Geliebte dem über-maskulinen Zottel das Herz. Seitdem meidet er jeglichen Kontakt mit weiblichen Geschöpfen.

(© Marketing Film)
(© Marketing Film)

Bernie: „Und genauso warne ich euch vor den Weibern! Sie sind unser Unglück und machen uns Männer zu Idioten! Und bescheißen uns hinten und vorne! Glaubt mir, ich weiß was ich sage. […] Bevor ich eines dieser langhaarigen Monster an mich heranlasse, kauf’ ich mir eher einen Strick – oder erschieß’ mich!“

Natürlich wird allen Charakteren eine befriedige Katharsis garantiert. Sie werden ihr Seelenheil auf der Insel Ibiza finden – in Form von Fun, Fun, Fun. Bescheidene Charaktere erfordern eben bescheidene Lösungen, die sie nicht überfordern (gleiches gilt auch für die Zielgruppe). Damit das ganze Geplänkel aber nicht bereits nach fünf Minuten zu Ende ist – denn soviel gibt die Story ausfüllend her – wird der Rest mit Situationskomik, Sketchen, Zoten aus der Restekammer Fips Asmussens und unzähligen Kalauern gefüllt. Ein paar sexuelle Zoten dürfen selbstredend auch nicht fehlen – nach dem Motto „Brust raus“ wird das weibliche Geschlecht hier auf ihr äußeres Minimum reduziert. Wer dahinter eine anti-feministische Agenda vermutet, ist allerdings fehl am Platz. Letztlich ist es doch nur ein friedliebendes Zoten-Karussel auf dem nur diejenigen mitfahren dürfen, die bereits eine Lobotomie hinter sich gelassen haben.

(© Marketing Film)
(© Marketing Film)

Zum Glück haben wir es. Sind wir ehrlich – „Sunshine Reggae auf Ibiza“ ist ein sehr schnell heruntergekurbeltes Komödchen, welches nur ein Minimum an Handlung aufweist, um Karl Dall sketchartig im Fünf-Minuten-Takt von einem Fettnäppchen ins Nächste tappen zu lassen. Dies geht sogar soweit, dass sich die eigentliche Handlung daran orientiert und unser Karl die Mitte des Films – die eigentlich dazu dient die Charaktere neu zu positionieren und für das Finale vorzubereiten – damit verbringt, Geld auf Ibiza zu verdienen. Natürlich in abstrusen Jobs – als Kellner oder Matador. In diesen darf sein Charakter mit altbackenen Gags scheitern.

(© Marketing Film)
(© Marketing Film)

Gast: „Herr Ober, was können sie mir empfehlen?“
Karl Dall: „Ein anderes Lokal, höhö.“

Wirklich Zeit genommen hat sich für den Film anscheinend niemand. Im gleichen Jahr spielte Dall mit fast demselben Ensemble in dem sehr ähnlichen Zoten-Knaller „Dirndljagd am Kilimandscharo“ mit. Laut eigener Aussage betrug die Drehzeit eine Woche. Mehr dürften die Macher für „Sunshine Reggae auf Ibiza“ auch nicht einberechnet haben – insbesondere wenn man sich vor Augen hält, dass der Streifen komplett nachsynchronisiert wurde (oder werden musste) – und dies obwohl er sich wirklich nur an simplen Sketchen und inhaltslosen Dialogen, die eben die simplen Sketchen miteinander verbinden sollen, aufgehängt hat. Gerade soviel um die Handlung irgendwie voranzutreiben. Aufgefüllt ist der Rest zusätzlich noch mit Sangeseinlagen seitens Dalls und Wendehals’ (Klar, wenn man den Gottlieb schon ans Set karrt, kann er auch wenigstens noch 5 Minuten mit seinem Polonese-Song rauskitzeln).

Was ist der Kram nun wert? Genaugenommen alles. Bei „Sunshine Reggae auf Ibiza“ von einer Anarcho-Komödie zu sprechen wäre unsinnig – dennoch überrascht die Lässigkeit des gesamten Teams schon. Schließlich ist der Streifen mit allen Pomp in den bundesdeutschen Kinos gelaufen – und später auf Video und im Fernsehen verwertet wurden. Nun ist es nicht so, dass der Großteil der Zuschauer eine tiefgründige Komödie erwartet hätte – aber die Macher mussten im Vorfeld trotzdem wissen, was sie hier taten. Irgendwer muss das Drehbuch nicht nur geschrieben, sondern auch verteilt, gelesen und Investoren davon überzeugt haben. Können wir froh sein, denn sonst würde uns dieser Zoten-Knaller gänzlich fehlen.

Und man hätte folgenden Herrn im Hintergrund für die Nachwelt niemals auf Zelluloid bannen können…

(© Marketing Film)

Ein Fellbikini. In einer Disco. Kein Darsteller. Keine Requisite. Kreisch. Und wo wir schon einmal bei kreisch waren…Doppel-Kreisch:

(© Marketing Film)

Fatality:
So unlustig, das es schon wieder lustig ist – und dies ist so positiv gemeint, wie man es nur meinen kann. Der Streifen ist, wie er ist, ungefähr so…

Und, hey, was kann man dagegen schon haben?

Markus Haage

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Über Markus Haage 2272 Artikel
Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!