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„What happened to Monday?“ (USA, 2017)

verfasst am 28.August 2018 von Markus Haage

(© Splendid Film/WVG)

Eine bekannte Prämisse des Sci-Fi-Kinos der 1970er-Jahre wird neu aufgegriffen und als unterhaltsamer Action-Thriller verpackt. Spannend inszeniert, mit einigen Twists versehen, kann der Film sich am Ende aber nur zu einem unnötigen Kompromiss bereit erklären und verpasst damit eine große inhaltliche Chance zur Provokation.

Europa in der Zukunft: Zu viele Menschen auf zu wenig Raum. Die Bevölkerung wächst unaufhaltsam weiter, die Ressourcen werden knapper. Die Regierung sieht sich zu einem drastischen Schritt gezwungen. Paare dürfen nur noch ein Kind zur Welt bringen. Jedes weitere Kind wird in einen Kryoschlaf versetzt und erst dann wieder aufgeweckt, wenn die Bevölkerung spürbar abgenommen hat. Dies kann Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern. Terrence Settman (Willem Dafoe) hat Zweifel an der Methode und zieht die Siebenlinge (Noomi Rapace) seiner toten Tochter im Geheimen auf. Niemand darf von ihrer Existenz wissen. Sie teilen sich die Woche auf. Jeder Tag ist für eine Schwester gedacht. Zumindest bis eine der Schwestern mit den Namen Monday am Montag Abend nicht mehr zurückkehrt …

Eine Identität hinter der sich sieben Menschen verstecken müssen.
(© Splendid Film/WVG)

Dystopische Zukunftsvisionen holten ihre Inspiration schon immer aus den gegenwärtigen Ängsten der Gesellschaft. Atomkrieg, Umweltzerstörung, Überbevölkerung. All diese Themen wurden zahlreich behandelt, schon vor weit über vierzig Jahren. Und so ist auch die Prämisse von „What happened to Monday?“ (im Original ohne Fragezeichen) wahrhaftig nicht neu. Der Planet Erde steht vor dem Kollaps. Eine Menschheit, die nicht aufhört sich zu vermehren, beansprucht sämtliche Ressourcen. Die radikale Lösung spiegelt sich in der Realität wider. Im Film führt eine fiktive gesamteuropäische Regierung eine strikte, mit digitalen Mitteln streng überwachte Ein-Kind-Politik ein. Was sich wie eine grausame Dystopie anhört, existiert(e) vom Prinzip her bereits in anderen Ländern. Von 1979 bis 2016 versuchte sich die Volksrepublik China schon an einer Ein-Kind-Politik. Paare, die nur ein Kind auf die Welt brachten, erhielten zahlreiche Vergünstigungen (kostenloser Kindergartenplatz, Zuschläge zur Rente, Arbeitsplatzgarantie, mehr Urlaub und mehr Ackerfläche für Landwirte). Laut Augenzeugen wurden bei Paaren, die sich nicht an die Politik hielten, gar Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen vorgenommen. Letzteres auch in einem sehr hohen Schwangerschaftszeitraum. Noch im Jahre 2012 wurde eine chinesische Mutter dazu gezwungen im siebten Monat abzutreiben. Mittlerweile sind die Maßnahmen zwar gelockert, Paare dürfen wieder zwei Kinder auf die Welt bringen, doch die teils drastischen sozialen Folgen werden auf Jahrzehnte spürbar sein. Auch Ruanda erwog schon vor Jahren eine Drei-Kind-Politik und namhafte Wissenschaftler sind der Überzeugung, dass die Erdbevölkerung nicht mehr als 500 Millionen Menschen betragen darf, wenn diese im Einklang mit der Natur stehen wolle (diese These wird auch vom Gründer des Internationalen Grünes Kreuz und Ex-Sowjetführer Michail Gorbatschow unterstützt). „What happened to Monday?“ erfindet somit keine neuartige Dystopie, sondern bedient sich einem Thema, welches bereits in der Vergangenheit in der Fiktion als auch in der Realität (siehe die Georgia Guidestones) aufgegriffen und debattiert wurde. Man denke hier nur an wegweisende Science-Fiction-Filme wie „Jahr 2022 … die überleben wollen“ („Soylent Green“, 1973) mit Charlton Heston oder den weniger beachteten „Geburten verboten“ („Z.P.G.“, 1972) mit Oliver Reed. Diese Filme spiegelten eine reale Angst vor der Überbevölkerung und dessen Folgen (Umweltverschmutzung, Ressourcenknappheit, etc.) wider. Es ist demnach wohl kein Zufall, dass sie kurz vor der tatsächlich eingeführten Ein-Kind-Politik in China produziert wurden. Dies ist nicht als Kritik an „What happened to Monday?“ zu verstehen, aber der Film ist sich dessen wohl bewusst und nimmt die Angst vor der Überbevölkerung nur als bloßen Aufhänger, um einen Action-Thriller mit Sci-Fi-Elementen zu erzählen, der sich im Kern eigentlich um das Thema Identität dreht.

Willem Dafoe spielt den Großvater der Settman-Siebenlinge.
(© Splendid Film/WVG)

Die schwedische Schauspielerin Noomi Rapace, vielen Sci-Fi-Fans am ehesten wohl aus Ridley Scotts „Prometheus“ (2011) bekannt, spielt Karen Settmann, und somit auch die sieben individuellen Identitäten, die hinter dieser Kunstfigur für die Öffentlichkeit (oder eher dem Überwachungsstaat) stehen. Das Spiel sowie die visuelle Umsetzung sind nahezu perfekt. Noch vor wenigen Jahren mussten Schauspieler in einer Doppelrolle vor Green Screen agieren und sich technisch aufwendig in einer vorhandenen Szene kopieren lassen. Nahtlos gelang das nie, man nahm es im Detail immer wahr. Dies ist hier anders. Dank der digitalen Revolution lässt sich eine Schauspielerin in siebenfacher Form nicht nur in eine Einstellung sauber und absolut überzeugend integrieren, auch schafft es Rapace all diesen Charakteren eine Individualität zu geben, die sie voneinander unterscheiden, aber nicht befremdlich oder künstlich wirkt. Nach wenigen Minuten hat der Zuschauer bereits vergessen, dass es sich hierbei um nur eine Schauspielerin handelt und es akzeptiert, dass es unterschiedliche Charaktere sind. Ein Verdienst nicht nur von Rapace oder der Tricktechnik, sondern auch der Inszenierung von Regisseur Tommy Wirkola, der vormals mit Indie-Horror wie „Dead Snow“ („Død snø“, 2009) auf sich aufmerksam machte. In seiner eigenen Vita stellt der Film künstlerisch einen Quantensprung dar, sodass man sich auf zukünftige Projekte ähnlicher Ausrichtung freuen darf. Wirkola inszeniert „What happened to Monday?“ als rasanten Action-Thriller und versieht die eigentlich simple Handlung mit einigen überraschenden Twists, die einige Figuren sogar neu definiert. Dennoch merkt man dem Film das geringe Budget an einigen Stellen leider an. Die Schauplätze sind sorgfältig gewählt, um das Maximum aus der Produktion herauszuholen. Der Charme Ost-Europas als dystopische Zukunftsgesellschaft (inklusive der architektonischen Überreste der kommunistischen Diktatur) durchdringt alle Szenen. Dies sollte man dem Film nicht zwingend negativ ankreiden, aber es reicht für das geschulte Auge aus, dies zu erkennen und aus der filmischen Realität zu reißen.

Glenn Close, Schöpferin der Ein-Kind-Politik im Film.
(© Splendid Film/WVG)

Möchte man „What happened to Monday?“ etwas vorwerfen, dann ist es sicherlich doch das recht kompromissbereite Ende, welches kaum Risiken eingeht und versucht allen Zuschauergruppen gerecht zu werden. Es folgen Spoiler bezüglich des Endes. Die Kinderzuteilungsbehörde (Child Allocation Bureau, fortan: CAB) versetzt die Kinder nicht in einen Kryoschlaf, sondern ermordet sie nach einer Betäubung. Sie spüren zwar keinerlei Schmerz, doch ist dies im Angesicht der Millionen von Opfern nicht einmal ansatzweise ein Trost. Verantwortlich für die Einrichtung und somit das gesamte System der Ein-Kind-Politik ist die Evolutions-Biologin Nicolette Cayman, gespielt von Oscar-Preisträgerin Glenn Close. Ihre Taten werden offenbart, die Ein-Kind-Politik beendet. In der finalen Szene sehen wir eine Geburtsstation voller schreiender Kinder. Es soll wohl ein Happy End suggerieren, wobei sich der Zuschauer eigentlich gewiss sein müsste, dass damit die Probleme der Überbevölkerung auf Kosten der Natur und Tierwelt weitergehen werden. Man könnte dies somit als ein Verweis von Regisseur Wirkola sehen, dass er sich über die bitterböse Ironie dieses Happy Ends bewusst ist, doch leider nutzt er den moralischen Konflikt nicht aus und agiert viel zu mutlos. Nach der Offenbarung ihrer Taten spricht Cayman nur ein paar kurze Worte der Rechtfertigung, die allerdings nicht ausreichen, um den Zuschauer die brutale Logik ihres Vorgehens wirklich zu verdeutlichen. So wird sie zu einer simplen Antagonistin reduziert, die es lediglich auszuschalten galt. Eine Art von Final Boss, wie man es aus zahlreichen B-Movies kennt. Andere Filme, wie der bereits erwähnte „Jahr 2022 … die überleben wollen“, gingen hier bereits vor 45 Jahren weitaus mutiger vor. Natürlich betrieb Cayman im Grunde Völkermord, der nicht zu rechtfertigen sein kann. Millionen, wenn nicht sogar Milliarden von Menschen, hauptsächlich Kinder oder gar Neugeborene, wurden vernichtet. Dennoch droht auf der anderen Seite die Vernichtung der gesamten Menschheit, wenn diese sich wie in dem vorliegenden Werk so drastisch weiter vermehrt. Die Kunst soll überhöhen, muss kontrovers und aufmüpfig sein, unbequeme Fragen stellen und überzeichnen. Dies traut sich der Film auf den letzten Metern nicht. Cayman und ihre Vasallen werden vom Rechtsstaat, der anscheinend überraschend wieder eingesetzt ist, zum Tode verurteilt und die Ein-Kind-Politik mit einem Federstrich abgeschafft. Das Problem ist damit nicht gelöst, es wird auch keine Frage nach einer komplexeren Lösung gestellt, aber der Zuschauer wird bequem in den Feierabend entlassen und erhält seine gemäßigte und nur oberflächlich befriedigende Auflösung des Action-Thrillers ohne hierbei in irgendeiner Art und Weise emotional oder gar moralisch herausgefordert zu werden. Wenn die Kunst aber bei einem solchen Dilemma nicht provoziert, wer soll es dann tun?

„What happened to Monday?“ stellt letztlich einen kompetent und durchweg unterhaltsam inszenierten Action-Thriller dar. Der Sci-Fi-Aufhänger zwingt nicht nur Hauptdarstellerin Noomi Rapace zu Höchstleistungen, sondern auch Regisseur Tommy Wirkola, der sich mit diesem Film für weitere hochdotierte Projekte des Phantastischen Kinos empfiehlt. Lediglich bei der Auflösung seiner Geschichte enttäuscht der Film, weil ihm der Mut zur Kontroverse fehlt.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!