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Condition Red (USA, 1990)

verfasst am 30.August 2018 von Markus Haage

(© Warner Home Video)

Während des Zusammenbruchs der Sowjetunion und in den letzten Tagen des Kalten Krieges produzierte HBO den Fernsehfilm „Condition Red“, dessen interessanteste Eigenschaft es tatsächlich ist, dass der Film vielleicht die letzte große Produktion zu einem fiktiven Nuklearkrieg zwischen den traditionellen Gegenspielern des Kalten Krieges darstellt.

Von der Türkei aus wird eine Atomrakete auf die Sowjetunion abgeschossen. Deren Führung sieht dies als einen Angriff der NATO an und reagiert mit mehreren Atomraketen automatisch defensiv. Militärstützpunkte, Industriegebiete als auch Städte in den USA werden getroffen. Die USA sehen sich ebenfalls zum Gegenschlag gezwungen, doch ein Telefonat des Obersten Sowjets suggeriert, dass die erste Atombombe wohl nicht von westlichen Militärs gezündet wurde. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, bevor es zu einem noch größeren globalen Schlagabtausch kommt …

Der Präsident regiert vom Krankenbett aus.
(© Warner Home Video)

„Condition Red“ („By Dawn’s Early Light“, 1990), der in Deutschland nur auf Video erschien, zeichnet sich durch zwei Handlungsstränge aus, die eine rein politische und militärische Sichtweise darlegen. Zu einem wird der Präsident der Vereinigten Staaten begleitet, der aus dem Chaos des Atomkrieges Schlüsse ziehen muss. Ist es ein Angriff oder war es Versehen? Sollten wir zurückschlagen oder würden wir damit endgültig den Weg der Selbstvernichtung wählen? Dieser Konflikt wird nur oberflächlich behandelt, spiegelt sich aber im zweiten Handlungsstrang wider. Ein Bomberkommando mit Atomwaffen an Bord diskutiert während ihres Einsatzes, ob es überhaupt noch Sinn ergibt, die (oder weitere) Bomben abzuwerfen oder man nicht eher den Befehl verweigern sollte. Beide Handlungsstränge steuern auf einen konstruiert wirkenden Höhepunkt zu, der einen globalen Schlagabtausch in allerletzter Sekunde verhindern kann. Die Air Force One, nun angeführt vom Innenminister der USA (im Glauben der Präsident sei tot), will in Absprache mit dem ranghöchsten Militär den Schlagabtausch eskalieren lassen. Er glaubt nicht an ein Versehen und sieht in den Aussagen des obersten Sowjets, der in Kontakt mit dem schwer verwundeten Präsidenten in einem Krankenhaus steht, nur eine Hinhaltetaktik zugunsten der Sowjetunion. Die Air Force One wird in letzter Sekunde in einem Kamikaze-Angriff von einer eigenen US-Militärmaschine gerammt und somit zerstört. Der Präsident will sich nun dem Wiederaufbau des Landes widmen. Eine unrealistische Auflösung, die aber in aller Konsequenz für eine US-Produktion dennoch überraschend ist. Der Feind sitzt in der Air Force One, der Gegner ist der Präsident, der eigentlich keiner ist, und muss demnach ausgeschaltet werden.

Atombomben abwerfen oder nicht?
(© Warner Home Video)

Das Thema eines fiktiven Dritten Weltkrieges wird im Grunde als Vorlage für einen inhaltlich ordinären aber inszenatorisch sehr kompetenten Action-Thriller genutzt. Die wohl beabsichtigte Warnung, dass ein solcher Konflikt durch Irrtümer schnell ausbrechen könne, wird durch teils absurde Handlungen und konstruierte Zufälle etwas konterkariert. Dies soll natürlich der Handlung dienen und weniger einen realistischen Verlauf nehmen. Es müssen eben Schauwerte geboten werden, die Entertainment garantieren. Ein gewisser Unterhaltungsfaktor und Spannungsbogen steht im Vordergrund, aber im Grunde hätte man die Intention der Handlung weitaus einfacher und damit effektiver umsetzen können. 1983 kam es zur einer Falschmeldung bei der sowjetischen Raketenabwehr. Die Computer zeigten einen anstehenden Nuklearangriff der USA an. Es ist einem sowjetischen Soldaten zu verdanken, dass dieser den Angriff nicht ernst nahm und gegen sein Protokoll handelte. Die sowjetischen Atomraketen stiegen nicht gen Himmel auf, ein Schlagabtausch konnte verhindert werden. Die simple Realität ist weitaus erschreckender. Somit besitzt auch der mit zahlreichen bekannten Gesichtern gespickte Cast (unter anderem Powers Boothe, Rebecca De Mornay, James Earl Jones, Martin Landau und Rip Torn) zu wenig Material, um ihr Talent zu zeigen. Dies mag auch daran liegen, dass man sich strikt auf die politische oder militärische Perspektive konzentriert. Dies besitzt zwar einen Charme und Reiz, lässt aber die Konsequenzen des Handels außen vor. So fehlt ein dramaturgisches Gegengewicht. Die jeweiligen Schauplätze sind zwar durchaus interessant gewählt, werden aber kaum spielerisch oder inszenatorisch genutzt. Der gesamte Konflikt bezieht sich auf drei Personengruppen, was sicherlich seinen erzählerischen Charme besitzen kann, sich hier aber in Großaufnahmen verschwitzter Gesichter manifestiert, die sich gegenseitig anschreien. So ist, wie eingangs erwähnt, der interessanteste Aspekt des Films tatsächlich der Produktionszeitraum.

Letzter Ausweg: Kamikaze.
(© Warner Home Video)

Jack Sholders „Condition Red“ stellt ein gewisses Kuriosum dar. Die Fernsehproduktion für den Pay-TV-Sender HBO entstand zu einem Zeitpunkt, als die Sowjetunion sich bereits im Niedergang befand. Die Berliner Mauer war gefallen, die BRD und die DDR befanden sich im Wiedervereinigungsprozess, die Ostblockstaaten rebellierten offen gegen die Vorherrschaft der UdSSR. Der Warschauer Pakt befand sich in der Auflösung und die ersten Sowjetrepubliken lösten sich vom Mutterstaat Russland ab. Der Film, der auf dem Roman „Trinity’s Child“ von William Prochnau aus dem Jahre 1983 basiert, muss dies inhaltlich anerkennen, und läutet damit, vielleicht sogar unbewusst, ein neues Zeitalter ein. Denn wie sich in einer Texttafel am Ende herausstellt, war es eine russische Terrorgruppe, die den Erstschlag auslöste. Ein Vorbote der echten innenpolitischen Umwälzungen, die der Sowjetunion und ihrem Nachfolgestaat, der russischen Föderation, in den 1990er-Jahren bevorsteht. Zu nennen seien nur der Augustputsch in Moskau von 1991 oder der Bürgerkrieg in Tschetschenien. So stellt „Condition Red“ eine der letzten großen US-Produktionen über einen fiktiven Dritten Weltkrieg im Rahmen des Kalten Krieges auch eine Art Übergangsfilm dar, der fast schon prophetisch kommende Sicherheitskonflikte als Rahmenhandlung nutzt. Filme wie „Projekt: Peacemaker“ („The Peacemaker“, 1997) oder „Der Anschlag“ („Sum of all Fears“, 2002) nutzten dies später ebenfalls, aber gingen hierbei dann natürlich auf damals aktuelle Ängste ein. Eben putschende Ex-Sowjets, Terrorgruppen, Warlords, die das brachliegende Atomarsenal der Sowjetunion nutzen, um einen Dritten Weltkrieg zu provozieren.

„Condition Red“ läutet endgültig das Ende eines ganzen Subgenres ein und schafft es mit einer für damalige Verhältnisse prophetischen Prämisse neunzig Minuten lang sehr solide Thriller-Unterhaltung zu genieren, auch wenn zahlreiche Situationen zwar für sich alleinstehend interessant, aber eben im gemeinsamen Zusammenspiel etwas konstruiert wirken. Als wohl letztes nuklear-apokalyptisches Untergangsszenario mit den traditionellen Gegenspielern dennoch nicht nur für Fans einen Blick wert.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!