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The End? (Italien, 2017)

verfasst am 31.August 2018 von Markus Haage

(© EuroVideo Medien GmbH)

Das italienische Genrekino, welches vor allem in den 1970er- und -80er-Jahren bestimmend war, kehrt mit einer traditionellen Zombieproduktion zurück. Sicherlich zu lang und mit einigen produktionsbedingten Engpässen, aber durchweg unterhaltsam und eine wohlige Erinnerung an längst untergegangene Zeiten. Die Kritik enthält starke Spoiler.

Der junge Claudio steckt in einem Fahrstuhl fest. Eigentlich kein großes Problem, versichert ihm der Hausmeister, wenn es sich denn heute um einen ganz normalen Tag handeln würde. Dies tut es natürlich nicht. Von den zu einem Spalt geöffneten Fahrstuhltüren aus, muss Claudio mit ansehen, wie um ihn herum die Welt untergeht. Eine Zombie-Epidemie ist ausgebrochen und seine Arbeitskollegen verwandeln sich in willenlose Monstren. Solange er im Fahrstuhl bleibt, kann ihn erst einmal nicht viel passieren. Doch wie lange kann er dort ohne nennenswerte Vorräte überleben ..?

Noch sieht alles gut aus.
(© EuroVideo Medien GmbH)

In den 1970er- und 80er-Jahren hat eine ganze Generation von italienischen Filmemachern das europäische Genrekino maßgeblich definiert. Eine scheinbar unaufhaltsame kreative Kraft entwickelte sich, die sich Themen widmete, die vor allem in Deutschland als Tabu galten. Dämonen, Untote, Hexen, Geister! Nichts war den Italienern heilig, alles war möglich! Große dystopische Zukunftsvisionen, psychedelische Horrortrips, grafische Exploitation oder auch spektakuläre Low-Fantasy! Das italienische Genrekino schaffte es sogar spannende und teils reißerische Geschichten aus dem Phantastischen Kino vor deutscher Kulisse überzeugend zu erzählen. Etwas, dass sich nicht einmal deutsche Filmemacher in dieser Intensität und Selbstverständlichkeit trauten. Hierbei sei als Erinnerung nur Dario Argentos „Suspiria“ (1977) oder Lamberto Bavas „Dämonen 2“ („Demoni“, 1985) genannt. Besonders letzterer funktionierte aufgrund seiner Prämisse unheimlich gut. In einem in sich abgeschotteten West-Berliner Kino mussten sich die Zuschauer gegen eine Dämonen-Epidemie zur Wehr setzen. Als die wenigen Überlebenden das Kino verließen, stand West-Berlin bereits in Flammen. Auch Daniele Misischias „The End?“ („In Un Giorno La Fine“, 2017) verfolgt eine grob ähnliche Struktur und mahnt inhaltlich als auch inszenatorisch an längst untergegangene Zeiten des italienischen Genrekinos. So ist auch hier unser Protagonist einer unerwarteten Apokalypse ausgesetzt. Sein Gefängnis ist der Fahrstuhl, der ihn anfangs schützt, aber letztlich zu seiner Todesfalle werden könnte. Als er diesen dann endlich verlassen kann, erwartet ihn das bereits menschenleere Rom, welches nur noch von Leichen übersät ist. Kein vollends hoffnungsloses Ende, aber der Anbeginn einer neuen Ära. Der Vergleich zu Bavas „Dämonen 2“ drängt sich auch in der Darstellung der Zombies auf, falls man sie überhaupt so bezeichnen möchte. Denn ob es lebende Tote, wie aus Romeros Werken bekannt, oder gar Infizierte oder Tollwütige, wie man sie aus Boyles „28 Days later“ (2003) kennt, sind, wird nicht geklärt. Es könnten somit eben auch Dämonen sein, denn die Mimik und Gestik als auch die Verhaltensweisen und die Gestaltung, erinnert extrem an Bavas Monstren. Vielleicht nur eine kleine Hommage, vielleicht wünscht man sich diese Verbindung als Zuschauer auch und möchte es demnach darin erkennen. Wenn gewollt, eine schöne Erinnerung an die italienischen B-Movies der 1980er-Jahren, aber natürlich sollte sich der Film darauf nicht verlassen können und muss letztlich für sich alleine stehen.

Der Fahrstuhl, ein sicheres Gefängnis.
(© EuroVideo Medien GmbH)

„The End?“ kann in vielen, aber leider nicht allen Bereichen überzeugen. Als Zuschauer muss man natürlich bestimmte genre-übliche Limitierungen akzeptieren. Das Budget für solche Filme ist eben immer begrenzt. Auch hier kommt das CGI-Blut sichtlich zum Einsatz und besonders das Ende in den leeren Straßen Roms schreit nur danach, an einem Sonntagmorgen gedreht wurden zu sein. Abstriche gelten übrigens auch für die deutsche Synchronisation, die lediglich bei den beiden Hauptcharakteren noch überzeugen kann. Hier geht viel Atmosphäre verloren. Man muss leider auch festhalten, dass der Film über einige Stellen zu lang ist und die einfache Ausgangssituation zu sehr streckt, auch wenn man versucht dies durch die Einführung weiterer Charaktere sowie der Kommunikation nach außen via Smartphone aufzulockern. Dies funktioniert aber nur bedingt, auch weil es sich oftmals gewollt anfühlt oder sich bestimmte Situationen schlichtweg wiederholen. Die Monotonie des Fahrstuhl-Settings, die dem Regisseur anscheinend selber bewusst war, soll durch die Kommunikation nach außen oder durch redundante Angriffe der Zombies zwanghaft unterbrochen werden, ohne eben dieses Setting aufgeben zu müssen, da dies schließlich der Aufhänger der Geschichte ist. Man besaß eine Idee, aber keine wirkliche Handlung, zumindest nicht für einen abendfüllenden Spielfilm. Vielleicht macht sich hier auch noch die Kurzfilmkarriere des Regisseurs bemerkbar. Demnach wäre es wohl ratsamer gewesen, den Protagonisten aus seiner Falle entweder früher zu entlassen, ihm somit eine echte Aufgabe zu geben, oder die Geschichte auf ihre Höhepunkte zu reduzieren, was sicherlich durch einen weitaus härteren Schnitt gelungen wäre. Mit einer Laufzeit von 103 Minuten wirkt „The End?“ leider viel zu lang, auch weil Misischia das volle Potenzial der Geschichte atmosphärisch nicht vollends ausnutzt.

Immerhin ein Rohr.
(© EuroVideo Medien GmbH)

Trotz seiner ausgewalzten Spielzeit und einiger inszenatorischer Unzulänglichkeiten kann „The End?“ durchaus als kleiner Schocker funktionieren, der, wie eingangs erwähnt, die Sehnsucht nach dem vergangenen italienischen Horrorfilm beflügelt (und auch etwas davon lebt). Der Film wird wohl für kein Revival sorgen, zeigt aber eben auch auf, dass europäisches Genrekino, auch mit limitierten Produktionsbedingungen im Independent-Bereich, zwar nicht immer innovative aber kontinuierlich interessante Unterhaltung abliefern kann.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!