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Cineways Filmfestival: Deodato Midnight Special (September 2018)

verfasst am 3.September 2018 von Markus Haage

Das Cineways Filmfestival lud zum sogenannten Midnight Special in den Delphin-Palast Wolfsburg ein. Ruggero Deodatos Lebenswerk sollte in dessen Anwesenheit zelebriert werden. Nach einem etwas chaotisch-amüsanten Anfang entwickelte sich der Abend zu einem charmanten Event, welches man als Genrefan nicht hätte verpassen sollen.

Ruggero Deodato mit dem Zombie-Magazin.
(© Neon-Zombie.net)

Mit der nun mehr siebten (oder zweiten) Auflage des Cineways Filmfestival begab man sich nach Wolfsburg, Heimat des Volkswagen-Konzerns. Wer das Festival in der Vergangenheit verfolgt hat, weiß, dass es bereits an unterschiedlichen Orten und unter unterschiedlichen Namen veranstaltet wurde. Zumindest legt der Veranstalter Wert darauf, dass sein Filmfestival als eine Fortführung des „Vorgängers“ Cinestrange verstanden wird. Aufgrund interner Differenzen innerhalb der Festivalleitung kam es 2017 zum Split. Das Cineways-Festival 2017 ward geboren und man verlegte es in das Universum-Kino in Braunschweig und kooperierte aktiv mit dem James Bond Club Deutschland e.V., wodurch eine starke Partnerschaft entstand, die sich aber natürlich auf Werke aus der Welt des britischen Geheimagenten fokussiert. Dieses Jahr entschied man sich für Wolfsburg als neuen Austragungsort. Während das Hauptprogramm im Cinemaxx stattfand, wählte man den Delphin-Palast, um für die Fans des italienischen Genrekinos ein sogenanntes Midnight Special mit Kultregisseur Ruggero Deodato zu präsentieren. Eine gewagte Idee, denn das inhaltliche Spannungsverhältnis hätte nicht größer sein können. Während im Cinemaxx im Smoking mit Sektglas die Welt von 007 zelebriert wurde, standen im Foyer des (großartigen) Delphin-Palastes die Genrefans mit ihren Blu-rays bereit, um diese von Exploitation-Legende Ruggero Deodato signieren zu lassen. Zumindest die wenigen Fans, die aufgrund des schwachen Marketings im Vorfeld von der Veranstaltung gehört haben.

Um 22:40 Uhr warteten die Besucher etwas ratlos im Foyer des Delphin-Palastes. Kein Vertreter des Festivals oder gar der Festivalleitung war anwesend. Man wusste nur, dass das sogenannte Deodato Midnight Special um 23 Uhr offiziell beginnen sollte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Delphin-Palastes versorgten die Gäste zwischenzeitlich sehr freundlich und zuvorkommend mit Snacks und Drinks, konnten allerdings keinerlei Aussage über den Ablauf der Veranstaltung machen. So war es leider auch nicht möglich, im Delphin-Palast Karten für die Veranstaltung direkt zu erwerben. Dies ging nur an der offiziellen Festivalkasse im Cinemaxx, die allerdings seit 20 Uhr geschlossen war und nach Aussage anderer Festivalbesucher tagsüber auch nur sporadisch besetzt gewesen ist. Dass es keine Abendkasse für diese Sonderveranstaltung geben würde, wurde im Vorfeld über die sozialen Netzwerke zwar auf direkter Nachfrage kommuniziert, für weiter her angereiste Genrefans, die sich nur für diese eine Veranstaltung interessierten, stellte dies aber tatsächlich ein Problem dar, da es für sie somit schlicht unmöglich gewesen ist, eine Karte kurzfristig oder spontan zu erwerben. Dadurch, dass man keine Karten vor Ort an der Abendkasse kaufen konnte, ging sicherlich viel Potenzial verloren. Auch weil, zumindest geschätzt, gut ein Drittel der anwesenden Fans im Foyer eben noch keine Karte besaß und wohl deswegen auch schon frühzeitig anwesend war, teilweise mehr als eine Stunde vor offiziellem Beginn. Dank Ash, einem freien Mitarbeiter des Delphin-Palastes, der dort auch regelmäßig die populären Kultfilm-Nächte veranstaltet (mittlerweile mehr als nur ein Geheimtipp), konnte zumindest Kontakt zum Cineways Filmfestival hergestellt werden. Deodato sei bald auf dem Weg, hieß es via Telefon. Es würde sogar doch noch eine Mitarbeiterin des Festivals spontan vorbeischauen, die eine Abendkasse dabei hätte.

Und was nun?
(© Neon-Zombie.net)

Durch ein nur wenige Meter entferntes Bierfest in der Innenstadt von Wolfsburg drückte sich Deodato mit seinem Tross kurz nach 23 Uhr an den feiernden Wolfsburgern vorbei, um zum Veranstaltungsort zu gelangen. Ein Schmunzeln lag auf den Gesichtern aller mit ihm mitgereisten Personen, zu denen auch sein Dolmetscher gehörte. Bei diesem handelte es sich allerdings um den sympathischen Produzenten Ruggero de Virgiliis, dessen Film „A Rose in Winter“ im Rahmen des Festivals präsentiert wurde, und der dankenswerterweise freiwillig die Übersetzung übernahm, da wohl kein offizieller Dolmetscher zur Verfügung stand. Als Deodato dann das Foyer betrat, herrschte kurz eine irritierende Stille. Die angereisten Fans wussten wohl nicht, wie sie auf die überraschende Situation reagieren sollten, als plötzlich der Kultregisseur des Skandalschockers „Cannibal Holocaust“ (1980) ohne Ankündigung nur ein, zwei Meter von ihnen entfernt stand. Zur Erleichterung fing einer der Besucher an zu klatschen, um die Stille nach wenigen Sekunden akustisch zu übertünchen. Auch Deodato schien etwas irritiert gewesen zu sein. Wahrscheinlich erwartete auch er eine Art von Begrüßung durch einen offiziellen Mitarbeiter des Festivals. Da er allerdings reichlich Erfahrung mit Conventions, Messen und Events besitzt, suchte er schnell selber den humorvollen Kontakt mit dem anwesenden Publikum. Sogar zu einem Foto mit unserem Print-Magazin erklärte er sich bereit, verdeckte allerdings den Titel „Zombie“, da er scherzhaft meinte, dass er Zombies nicht möge, sondern nur Kannibalen. Auch gab Deodato sogar kurzfristig Autogramme an die anwesenden Fans, obwohl dieses gar nicht eingeplant gewesen war. Wohl auch, weil das Publikum eigentlich schon längst im Kinosaal sitzen sollte, um ihn unter Applaus im selbigen zu empfangen. Aber dies war ja leider nicht möglich, da die anwesenden Gäste noch auf den Kartenverkauf warten mussten.

Eine Mitarbeiterin des Cineways Filmfestivals erschien kurze Zeit später ebenfalls mit einem Bündel Eintrittskarten in der Hand. Diese packte sie auf einen leerstehenden Tisch, um damit die Abendkasse des Festivals wohl offiziell zu eröffnen. Dies geschah wohlgemerkt mehrere Minuten nach 23 Uhr, also dem eigentlich offiziellen Beginn der Veranstaltung. Leider hatte sie keinerlei Wechselgeld dabei, so dass man passend zahlen musste. Nicht alle Beteiligten nahmen dies mit Humor. Diejenigen, die es aber taten, konnten sich dann endlich auf einen unterhaltsamen Abend freuen. Dies lag wohlgemerkt an der professionellen Improvisation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Delphin-Palastes sowie von Deodato und seinem Team als auch den anwesenden Referenten, die mit der inhaltlichen Gestaltung des Rahmenprogramms beauftragt wurden. Bis zur letzten Minute, um weit nach vier Uhr morgens, erschien leider kein offizieller Vertreter der Festivalleitung vor Ort.

Prof. Dr. Stiglegger mit Ruggero Deodato.
(© Neon-Zombie.net)

Nach diesen amüsanten Startschwierigkeiten konnte der Abend dann endlich beginnen. Für nur 15 Euro Eintritt erwartete den Besucher ein volles Programm. Demnach ist es tatsächlich sehr schade, dass nur an die 25 Zuschauerinnen und Zuschauer vor Ort waren. Nach einer kurzen und charmanten Einleitung von Ash wurde das Rahmenprogramm vor den Filmvorführungen von einem halbstündigen Vortrag von Prof. Dr. Marcus Stiglegger von der DEKRA Hochschule für Medien gestaltet. Unter dem Titel „I wonder who the real cannibals are?“, ein Zitat aus „Cannibal Holocaust“, wurde den Zuschauern ein kompakter und umfassender Überblick über das Werk Deodatos gegeben. Anschließend folgte ein humorvolles Q&A, bei dem das Publikum Fragen an Deodato persönlich stellen konnte. So erzählte er, dass Fans auf einer bestimmten Convention immer ein und dieselbe Holzbox zu seinem Schocker-Klassiker „Cannibal Holocaust“ von ihm signiert haben wollten. Er ging zu einem Händler und fragte, ob er einen Preisnachlass auf diese Holzbox kriegen würde, weil er ja schließlich der Regisseur sei. Der Händler glaubte ihm nicht und verneinte. Seitdem, so meinte er scherzhaft, würde er diese Edition nicht mehr signieren. Das gesamte Panel ging auf unserer Facebook-Seite als Live-Stream online und ist auch weiterhin abrufbar (die Bild- und Ton-Qualität unterlag leider den Streaming-Bedingungen via Smartphone).

Endlich wieder auf der großen Leinwand!
(© Neon-Zombie.net)

Nach dem Rahmenprogramm begannen die Filmvorführungen. Neben „Mondo Cannibale, 2. Teil – Der Vogelmensch“ („Ultimo mondo cannibale“, 1977) wurde ebenfalls „Der Schlitzer“ („La casa sperduta nel parco“, 1981) gezeigt. Beide Projektionen fanden zwar „nur“ von der DVD als Quelle aus statt (35mm-Kopien mit deutscher Synchronisation konnten nicht mehr ausfindig gemacht werden), allerdings minderte dies den Unterhaltungsfaktor keineswegs. Es war ein durchaus interessantes Erlebnis diese alten Exploitation-Streifen auf der großen Leinwand erleben zu dürfen. Auch die Auswahl dieser beiden Filme war nicht minder interessant. So entstand „Mondo Cannibale, 2. Teil – Der Vogelmensch“ vor Deodatos wegweisendem Schocker „Cannibal Holocaust“, der das Genre des Kannibalenfilms definierte, während „Der Schlitzer“ sich klar als Reaktion auf Wes Cravens „Mondo brutale / Das letzte Haus links“ („The Last House on the Left“, 1973) verstand. Der große Kinosaal des Delphin-Palastes ist zudem perfekt für solche Vorführungen geeignet und darf an dieser Stelle jedem Cineasten und Kinofreund nur wärmstens empfohlen werden.

Für Fans des italienischen Genrekinos stellte das Deodato Midnight Special sicherlich einen äußerst gelungenen Abend dar, auch wenn die Startschwierigkeiten vollkommen unnötig waren (im Nachhinein aber immerhin für amüsante Momente sorgten). Dies ist auch deswegen schade, weil das Event durch das hervorragende Rahmenprogramm und die großartige Location weitaus mehr Beachtung im Vorfeld verdient hätte. So bleibt zu hoffen, dass dieses nicht nur wiederholt, sondern auch mit mehr Engagement und Enthusiasmus seitens des Festivals bedacht wird. Ein befreundeter Zuschauer reiste nur für das Midnight Special an und investierte dafür (mit Übernachtung und Anreise) rund 140 Euro. Interesse wäre definitiv vorhanden gewesen. Eine Neuauflage des Midnight Specials im Delphin-Palast wäre demnach nur wünschenswert. Aber wenn nicht, gibt es ja noch die Kultfilm-Nächte von Ash, bei denen im selben Haus immer drei alte Genreklassiker gezeigt werden. Diese Veranstaltungen, die mit keinen anwesenden Stars aufwarten können, sind übrigens bis zu acht Wochen vor Beginn ausverkauft.

Im Anhang folgt noch eine kleine Bildergalerie zum Deodato Midnight Special.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!