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Sondervorstellung: George A. Romeros „Zombie“ („Dawn of the Dead“) in den deutschen Kinos!

verfasst am 1.November 2020 von Markus Haage

Ende Oktober fand in zahlreichen bundesdeutschen Kinos ein kleines historisches Ereignis statt. Während die US-amerikanischen Studios, deren Produktionen ansonsten die Leinwände dominieren, ihre Filme aufgrund der Corona-Pandemie abzogen, konnte George A. Romeros Kulturschocker „Zombie“ für wenige Tage ihren Platz einnehmen und nicht nur im neuen Glanz erleuchten, sondern auch an längst untergegangene Zeiten mahnen, die nicht für jeden Zuschauer mehr vollends nachvollziehbar zu sein scheinen.

Der Filmtitel der italienischen Originalfassung prangt auf deutschen Leinwänden.
(© Neon-Zombie.net)

Es existieren nur wenige Filme, die für sich reklamieren können, Klassiker ihres Genres zu sein, als Kulturschocker bezeichnet werden zu können und um deren Uraufführung eigene Mythen entstanden sind. George A. Romeros „Zombie“ („Dawn of the Dead“, 1978) gehört sicherlich dazu. Die Fortsetzung zu Romeros nicht weniger wegweisenden Horrorfilm „Die Nacht der lebenden Toten“ („Night of the Living Dead“, 1968) löste weltweit Empörung aus. In West-Deutschland konnte anno 1980 nur eine geschnittene Fassung in den Kinos von Constantin Film präsentiert werden, die später zudem indiziert und gar noch nach § 131 wegen Gewaltverherrlichung bundesweit beschlagnahmt wurde. Diese Beschlagnahmung, umgangssprachlich auch als Verbot bezeichnet, hielt bis zum Jahre 2019 an.



Koch Films sicherte sich die deutschen Vertriebsrechte und holte den Film vom Index. Nach erfolgreicher Neuprüfung kann Romeros (eigentlich Comic-hafte) Apokalypse auch in Deutschland endlich ungeschnitten präsentiert werden. Um dieses Ereignis würdig zu feiern, entschied Koch Films sich, das Werk erstmalig ungeschnitten in den deutschen Kinos zu präsentieren. Für Fans des Films ein einmaliges Erlebnis.

Das Kinoplakat zum Argento-Cut des Films.
(© Neon-Zombie.net)

Im Universum Filmtheater in Braunschweig konnten Filmfans aus der Region Romeros Untergang an Allerheiligen, oder modern Halloween, auf der großen Leinwand bestaunen. Nach einer kurzen Einführung in die besondere Schnittfassung des Films durch Clemens Williges, Chefredakteur des „35 Milimeter“-Filmmagazins, begann um 23.40 Uhr die Vorführung. In englischer Sprache mit Untertiteln wurde das Werk präsentiert. Wohlgemerkt im sogenannten Argento-Cut, der den Vor- als auch Abspann auf Italienisch präsentierte. Deswegen interessant, da die deutsche Fassung sich im Abspann eigentlich von ihr unterscheidet.

Dieser sogenannte Argento-Cut wurde vom italienischen Regisseur Dario Argento („Suspiria“) erstellt, der die Produktion frühzeitig als Finanzier unterstützte und dafür die exklusiven Vertriebsrechte im nicht-englischsprachigen Europa erhielt. Der Argento-Cut basiert vollends auf Romeros Extended Cut (auch als Cannes-Cut bekannt), nimmt sich allerdings gewisse Freiheiten. Das Bild ist abgedunkelt, die Farben entsättigt, Szenen wurden herausgeschnitten, der legendäre Score von Goblin steht im Vordergrund (im Gegensatz zu Romeros satirischer Fahrstuhl-Musik in der US-Fassung) und der Film prescht weitaus schneller voran. Aus Romeros Comic-haftem Albtraum wurde für das nicht-englischsprachige Europa eben Argentos Höllentrip. Ein Höllentrip, der vielleicht heute noch Schauer auslöst. Vielleicht.

Kurz vor der Vorstellung.
(© Neon-Zombie.net)

Während der Vorstellung des Films verließen vier Zuschauer, zwei Paare, den Kinosaal. Eine interessante Erfahrung. War ihnen das Werk vielleicht zu brutal? Erlebten wir hier eine Art Konfrontation von Sehgewohnheiten oder Erwartungen? Hatte die raue, teils selbstironische und aus heutiger Sicht vielleicht datierte Inszenierung einfach keine Wirkung mehr auf sie? Eine Antwort konnte man darauf leider nicht erhalten, allerdings fing eine Zuschauerin mehrmals hysterisch an zu lachen. Wohlgemerkt bei Szenen, die eigentlich keinerlei komödiantischen Grundton besaßen. Dies wäre rein spekulativ, aber vielleicht wirkt der Film bei jüngeren Zuschauern, die ihn erstmalig unter ihren aktuellen Sehgewohnheiten erleben, selbst im düsteren Argento-Cut „komisch“. Wenn ja, dann wäre dies durchaus als Kompliment zu verstehen. Denn Romeros originale Intention war es tatsächlich durch drastische Übertreibung einen solchen Effekt hervorzurufen. „Dawn of the Dead“ ist in gewisser Weise „hysterisch“. In dessen US-amerikanischen Kino-Cut tritt dieses auch recht deutlich hervor. Die Apokalypse entwickelt sich zu einer blutroten Posse, in der menschenfleischfressende Tote zu Fahrstuhlmusik als neue dominante Spezies über die Erde wandeln. Man erinnere sich hier nur an das Musikstück „The Gonk“, welches im Argento-Cut komplett fehlt.

Die dominante Spezies!
(© Neon-Zombie.net)

Kenner des Films wissen dies natürlich. Demnach konnte die Aufführung des Kultklassikers ihnen diesbezüglich keine neuen Erkenntnisse abringen (auch wenn die Beobachtung der Reaktionen eines Teils des Publikums interessant war). Eben die Fans, die den Film über Jahrzehnte teils über absurde Wege und auf unterschiedlichen Medien (und Schnittfassungen) zelebrierten. Einige von ihnen nahmen sogar die Chance wahr, den Film mehrmals an einem Tag zu sehen. Ein Leser unseres Magazins schaute „Zombie“ in der deutschen Sprachfassung zuerst in Salzgitter und dann nochmal im englischen Originalton um Mitternacht in Braunschweig. Verständlich. Der Film ist eben mehr als nur ein Film. Demnach wurde die Aufführung von den Fans auch dementsprechend gefeiert.

In ganz Deutschland feierten Fans die Aufführung des Films.
(© Neon-Zombie.net)

In den sozialen Netzwerken wurden zahlreiche Bilder der jeweiligen Vorführungen gepostet. Nicht nur von den Eintrittskarten, die wie ein Siegesbanner präsentiert wurden, sondern auch von abfotografierten Filmszenen. Eigentlich nicht erlaubt, aber wer hier tatsächlich Beschwerde einlegt, hat den Film und seinen Einfluss auf die deutsche Fan-Community nie verstanden. Für mehr als nur eine Generation war „Dawn of the Dead“ eben nicht einfach nur ein kurzweiliger Film oder flüchtiges Phänomen, sondern ein Lebensgefühl. Sicherlich heute auch eine Erinnerung an längst untergegangene Zeiten, vielleicht auch eine Art nostalgische Eskapade. Die Monroeville Mall, Hauptschauplatz der Handlung, fühlte sich auf der großen Leinwand wie eine Rückkehr nach Hause an. Dieser kurze Moment, bevor man die Türschwelle ins alte Elternhaus übertritt, der hier aber für zwei Stunden anhält. Ein einmaliges Erlebnis, welches nicht rational, sondern nur emotional zu erklären ist. Wer beim Anblick der Monroeville Mall kein „Heimweh“ bekommt, kann die Faszination des Werks, die weit über die Leinwand hinausgeht, wohl nicht nachvollziehen.

„Dawn of the Dead“ ist nun im ungeschnitten Argento-Cut frei erhältlich. Dies ist auch gut so. Der Film stellt einen Meilenstein des Horrorkinos dar. Einen Kulturschocker sondergleichen. Die limitierten Kino-Vorführungen waren für ein junges Publikum sicherlich eine neue Erfahrung, für die alten Fans natürlich ein Erlebnis. Egal, ob sie ihn in einem Autokino oder klassischen Filmtheater sahen. Ob in Braunschweig, Hamburg, Dortmund oder München. In den letzten Tagen war die Fan-Community des Films vielleicht zum letzten Mal vereint. Auch dies gehört zur Rückkehr nach Hause, oder hier zur Rückkehr in die Monroeville Mall, dazu: irgendwann muss man sich verabschieden. Die Freigabe und bundesweite Vorführung war das Ende eines Kapitels, wird aber vielleicht auch der Anfang eines neuen sein. Hoffen wir, dass viele neue Fans nun den gleichen Zugang zu dem Werk finden können, wie wir damals. In den 1970er-Jahren. Oder 1980er-Jahren. Oder 1990er-Jahren. Oder 2000er-Jahren. Die Kino-Vorführungen waren dafür zumindest die beste Grundlage.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!