Sterbende Kleinstädte, verlorene Generationen, modernde Clowns: Eli Craigs Jugendbuchverfilmung „Clown in a Cornfield“ ist nicht nur überraschend blutig, sondern auch ironisch und reflektiert inszeniert. Eine kurzweilige Persiflage auf das populäre Slasherkino; zwar mit kleinem Budget verfilmt, aber vor den großen Klassikern verbeugend.
Amerikanische Kleinstädte stell(t)en stets einen fruchtbaren Boden für populäre Mythen und lokale Volkssagen dar. Sie dienten als Schauplatz für modernen – oder inzwischen klassischen – Horror; das Fundament eines jeden guten Gruselfilms vergangener Tage. Doch mit der Deindustrialisierung und der dadurch erzwungenen Abwanderung der Jugend in urbane Gefilde erleiden diese vergessenen Orte einen schleichenden Tod. Ein morbider Charme umhüllt sie. Leerstehende Geschäfte, verwaiste Parkplätze; eine unheimliche Stille erdrückt diese Städte. Sie sterben buchstäblich aus; und damit auch ihre speziellen Traditionen, regionalen Eigenheiten, generationenübergreifenden Mythen.
Auch das fiktive Städtchen Kettle Springs ist von diesem Niedergang betroffen. Die alteingesessenen Bewohner, die die Stadt nach der Schließung der Baypen Corn Syrup Factory, der lokalen Maissirup-Produktion, nicht verlassen haben, klammern sich an ihren alten Traditionen und Normen. Sie leben nicht in der Vergangenheit; sie leben die Vergangenheit. Die Jugend, die noch nicht weggezogen ist, weiß allerdings, dass nur ein radikaler Neuanfang eine Zukunft für sie bereiten kann. Just in diesem Moment, inmitten dieses bestehenden Konflikts der Generationen, zieht nicht nur die junge Quinn (Katie Douglas) mit ihrem Vater Dr. Maybrook (Aaron Abrams) ins Städtchen, auch ein Killer in einer Clownsmaske schleicht herum. Sein Name: Frendo. Bereits 1991 hat er zugeschlagen, nach 34 Jahren ist er nun zurückgekehrt.

(© Constantin Film. All Rights Reserved.)
Die Prämisse ist bekannt. „Clown in a Cornfield“ will das Subgenre des Slasherfilms nicht neu erfinden. Vielmehr spielt der Film mit dessen Konventionen, persifliert sie stellenweise und setzt durch kleine Twists frische Akzente. Die Vorlage würde etwas anderes auch kaum hergeben. „Clown in a Cornfield“ basiert auf der gleichnamigen Jugendbuchreihe von Adam Cesare, die mittlerweile drei Romane umfasst. Eine Buchreihe, deren Zielgruppe damit auch klar definiert und eher als Gruselstory im Stile der „Goosebumps“-Geschichten zu interpretieren ist. Bei der Adaption für die Leinwand nahm sich Regisseur Eli Craig, der vorab kleine Genreperlen wie „Tucker & Dale vs Evil“ (2010) inszenierte, dies auch zu Herzen.
„Clown in a Cornfield“ zelebriert zwar sämtliche Slasher-Klischess, ohne dabei allerdings je zu einer Schlachtplatte zu mutieren. Craig spielt mit den Klischees; der Erwartungshaltung des Zuschauers und kann diese teils geschickt unterwandern. Welcher Mord ist real und welcher nicht? Im ersten Moment ist dies absichtlich unklar gehalten. Oberflächliche inhaltliche Kritik am Medienkonsum junger Menschen wird geübt, die versuchen der Tristesse ihrer Kleinstadt zu entfliehen, indem sie TikTok-Reels und YouTube-Shorts mit selbst inszenierten Morden produzieren. Inszenierungen, die früher vielleicht in der lokalen Mall stattgefunden hätten, heutzutage allerdings in alten Industriestätten und verlassenen Häusern. Ruinen eines anderen „Smalltown, Americas“, das diese junge Menschen, die weit nach dem Millennium geboren wurden, nur noch aus Erzählungen kennen.

(© Constantin Film. All Rights Reserved.)
Das geringe Budget – in den Medien werden rund 800.000 US-Dollar kolportiert – ist spürbar, wird aber durchaus einfallsreich genutzt. Es ist auffällig, wie oft (kreativ) umgeschnitten wird und das manch ein Effekt offensichtlich fake ist, der im Film-Universum nicht fake sein soll. Möchte man aber mehr (oder vielleicht zu viel) hineininterpretieren, so kann man auch charmant eine augenzwinkernde Meta-Ebene erkennen. Dem Film-Universum ist bewusst, dass es eine überhöhte Persiflage und jugendgerechte Hommage auf die populären Einträge des alten Slasherkinos darstellt; darunter vielleicht auch Stephen Kings „Kinder des Mais“ („Children of the Corn“).
Die Kurzgeschichte diente als Vorlage für den Spielfilm „Kinder des Zorns“ („Children of the Corn“, 1984), in dem Kinder, angestiftet von einem Dämon im Maisfeld, alle Erwachsenen ihrer Kleinstadt töten. Die Vergangenheit wird ausgemerzt, die neue Zukunft tritt ein. Die Parallelen sind auffällig, bloß, dass bei „Clown in a Cornfield“ der Spiez (im wahrsten Sinne des Wortes) umgedreht wird. Die Alten kämpfen für ihre ewige Vergangenheit und wollen die unausweichliche Zukunft, die Jugend, zur Strecke bringen. Diese will eine andere Zukunft für ihre Kleinstadt; möchte etwas Neues aufbauen. Wie groß der Einfluss von Kings Schauermär oder dessen Adaptionen auf die Verfilmung war, sei einmal dahingestellt, aber analytisch sind die Parallelen durchaus interessant. Stiglegger, übernehmen sie!
Mit den Limitierungen im Effektbereich wird demnach kreativ kokettiert, aber auch inszenatorisch ist das verhältnismäßig geringe Budget bemerkenswert. Es zeigt eindrucksvoll auf, welch hohe Qualität mittels moderner Filmtechnik mittlerweile produziert werden kann, wenn – so steril es sich auch lesen mag – engagierte Fachkräfte am Werk sind, die vielleicht gar günstiger arbeiten (müssen), aber deswegen nicht zwingend schlechtere Arbeit mit den ihnen gegebenen Mitteln abliefern wollen. Erinnerungen an die goldene Ära der Direct-to-DVD-Zeit werden wach, als begnadete Genre-Regisseure wie Jeff Burr oder Anthony Hickox ihr Talent in dieser speziellen Nische einsetzten (und verbrauchten).

(© Constantin Film. All Rights Reserved.)
Eli Craig hat mit der Verfilmung des ersten Romans bewiesen, dass er an diese Zeiten anknüpfen will und kann. Für Horror-Aficionados, die über die Eigenheiten ihrer eigenen Lieblingsfilme lachen können, eine klare Empfehlung. Aufgrund des Nischen-Erfolges des ersten Films, werden die anderen Romane sicherlich auch verfilmt werden. Dann aber hoffentlich mit höherem Budget. Cast und Crew hätten dies verdient.
‐ Markus Haage