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„Smile – Siehst du es auch?“ (USA, 2022)

verfasst am 22.Oktober 2022 von Markus Haage

(© 2022 Paramount Pictures. All Rights Reserved.)

Der Überraschungshit des Jahres zaubert nicht nur seinen Protagonisten, sondern auch geneigten Horrorfans ein Lächeln auf das Gesicht. Eine Tour de Force der Jump Scares erwartet den Zuschauer, welche die totale Eskalation auf eine mögliche Fortsetzung verschiebt.

Offizielle Synopsis: Nachdem Dr. Rose Cotter Zeugin eines bizarren, traumatischen Vorfalls mit einem ihrer Patienten wurde, wird sie zunehmend mit erschreckenden und rätselhaften Ereignissen konfrontiert. Eine bösartige, übernatürliche Kraft scheint fortan ihr Leben zu bestimmen und sie zu terrorisieren. Ihre Mitmenschen fangen an, aus den unerklärlichsten Gründen grotesk zu grinsen. Rose ist bald geradezu umzingelt von der bösartigen Entität und muss sich den Dämonen ihrer Vergangenheit stellen.

Das offizielle deutsche Kinoplakat.
(© 2022 Paramount Pictures. All Rights Reserved.)

Nach weniger als vier Wochen konnte „Smile – Siehst du es auch?“ (2022) weltweit bereits 135 Millionen US-Dollar (Stand: 20.10.2022) einspielen und nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland den ersten Platz der Kino-Charts erobern. Und dies, obwohl das Werk vollkommen ohne bekannte Namen auskommt. Ein enorm starkes Word-of-Mouth, als auch eine simple, aber extrem effektive Marketingkampagne ließen letztlich die Kassen klingeln. Demnach ist der überraschende Erfolg auch nicht ganz unbegründet. Das Kino-Publikum ist stets für Schauermärchen empfänglich und „Smile – Siehst du es auch?“ bietet es ihnen auf wirkungsvolle Art und Weise auf. Ein Jump-Scare-Marathon erwartet den Zuschauer, welcher unter den Großproduktionen im Genrefilm-Bereich zumindest in diesem Herbst seinesgleichen sucht, auch wenn die eigentliche Storyline sich zahlreichen bekannten Konventionen hingibt. „Smile – Siehst du es auch?“ erfindet nicht viel neu, präsentiert das Gewohnte aber unheimlich effektiv.

Die Verarbeitung von Traumata wird als dramaturgischer Aufhänger genommen, um sie mit der Heimsuchung eines vorchristlichen Dämons zu vermischen, der wohl seit Jahrtausenden von Wirtskörper zu Wirtskörper springt, um seine Opfer in den Wahnsinn und letztendlich den Selbstmord zu führen. Interessant ist hierbei tatsächlich das titelgebende Smile, das Lächeln, fast schon Grinsen, das die Opfer in ihren letzten Sekunden zur Schau tragen und zu mannigfaltigen Interpretationen einlädt. Nicht nur dient es als Verhöhnung der Opfer und natürlich des Publikums im Angesicht des Grauens, sondern verbindet den übernatürlichen Horror damit auch mit realem Drama. Persönliche Vergangenheitsbewältigung und die Verarbeitung von Traumata stellen das dramaturgische Fundament für Hauptcharakterin Rose Cutter (Sosie Bacon) dar. „Smile – Siehst du es auch?“ besitzt nicht den Anspruch, eine künstlerische Interpretation einer psychologischen Studie zu sein, im Kontext eines reißerischen Horrorfilms, der Schauwerte zelebrieren will, besitzt der Streifen aber eine gewisse grausame Ehrlichkeit. Die Gesellschaft verlangt von Menschen, die unter Traumata leiden, stets weiterzumachen und ein Lächeln aufzusetzen. Wir wissen aber, dass depressive Menschen in der Öffentlichkeit oftmals ihr wahres Gemüt verstecken. Fast schon zynisch mit den Mitteln des Horrors präsentiert „Smile – Siehst du es auch?“ diese ernste Begebenheit auf seine ganz eigene Art. So ist es Rosie, deren Vergangenheit durch den Dämon nicht nur wieder Besitz von ihr ergreift, sondern sie auch zum finalen Grinsen zwingen soll. Der Selbstmord von einem Lächeln begleitet. Natürlich soll dies keine echte Aufarbeitung darstellen – letztlich ist „Smile – Siehst du es auch?“ dann doch eher „Wahrheit oder Pflicht“ („Truth or Dare“, 2018) als „Der Babadook“ („The Babadook“, 2014) –, aber nur der Horrorfilm schafft es stets, reale Probleme reißerisch und somit für ein Massenpublikum von jungen Menschen vielleicht auch zugänglicher zu präsentieren. „Smile – Siehst du es auch?“ gehört dazu, wenn man sich auf diese Interpretation einlässt. Dies gibt dem grauenhaften Spektakel genug Tiefe, um nicht an Unterhaltungswert zu verlieren, aber auch gleichzeitig nicht zu platt zu sein. Ähnlich effektvoll ging übrigens auch schon „Der Exorzist“ („The Exorcist“) anno 1973 vor, der im Kern von der Glaubensabkehr des Paters Damien Karras (Jason Miller) handelt, und der Dämon Pazuzu, letztlich „nur“ die Ereignisse auslöst. „Smile – Siehst du es auch?“ hätte inhaltlich problemlos als sogenannter „elevated horror“ wie etwa „Hereditary – Das Vermächtnis“ („Hereditary“, 2018) oder „Midsommar“ (2019) funktionieren können, richtet sich aber inszenatorisch bewusst an ein Massenpublikum.

Jetzt ist es zu spät; sie hat das „Lächeln“ gesehen.
(© 2022 Paramount Pictures. All Rights Reserved.)

Besonders in der internationalen Bewerbung wurde „Smile“ als Horrorfilm mit zahlreichen Twists verkauft. Dies stimmt nur bedingt. Auch wenn diese vorhanden sind, so kommen sie mit einer gewissen Erwartung seitens des Zuschauers einher. Die Wendungen sind Teil der Mythologie – vor allem in Bezug auf die Vortäuschung einer alternativen Realität –, der Film kokettiert damit eben nicht nur, sondern bereitet diese auch inhaltlich vor. Der Zuschauer spürt, wenn man ihn hinters Licht führen will. Man kennt die Grundregeln und narrativen Mechanismen des Horrorfilms eben gut. Da diese aber oftmals zu den inszenatorischen und fast schon exploitativen Höhepunkten des Films führen, von denen einige leider bereits im Werbematerial ausgeschlachtet wurden, bieten sie selbst für genre-erfahrene Filmfans noch einen Unterhaltungswert auf.

Der Film entscheidet sich für den brachialen Weg, bis es zum großen effektvollen Finale zu einer vollkommenen Enthüllung des Bösen kommt. Geschieht dies, verliert das Werk natürlich an Kraft. Das Unvorstellbare wird vorstellbar. Ein CGI-Monstrum bahnt sich seinen Weg durch die traumatischen Hallen der Vergangenheit der Hauptdarstellerin, bis es sich vollkommen entblößt. Dafür kann das Werk allerdings ein extrem konsequentes Ende aufbieten, welches selbstredend zu einer Fortsetzung führen könnte. Gemessen am hohen Box-Office, dürfte ein Sequel wahrhaftig keine Überraschung darstellen. Eine sinnvolle Weiterführung wäre allerdings nur möglich, wenn es dann zur totalen Eskalation kommen würde. Ob dies der Plan von Regisseur Parker Finn ist oder nicht, kann an dieser Stelle selbstredend nur vermutet werden.

Die Stimmung ist aufgeheizt. Das Haus auch.
(© 2022 Paramount Pictures. All Rights Reserved.)

„Smile – Siehst du es auch?“ setzt effektvoll auf eine Tour de Force der Jump Scares, die lediglich durch ihren Einsatz von CGI in bestimmten Schockmomenten etwas an Wirkung verlieren. Dank der dramaturgischen Unterfütterung kann der Film sich allerdings von zahlreichen Genrevertretern abheben und bietet damit gar genug Spielraum für eigene Interpretationsansätze, auch wenn das Werk letztlich den erzählerischen Konventionen des Horrorfilms folgt. Man weiß stets, was passieren wird, aber wenn dies dann passiert, ist es verdammt unterhaltsam inszeniert.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!