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Ready Player One (USA, 2018)

verfasst am 30.Mai 2018 von Markus Haage

(© 2018 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)

„Ready Player One“ gehört vielleicht zu den eigenwilligsten und populärsten Romanen der letzten Jahre. Ein sozialkritisches Mekka der 80er-Jahre-Popkultur, eingebettet in eine klassische 70er-Jahre-Dystopie, welche die digitalen Welten der 2000er-Jahre hinterfragt. Nun hat sich Steven Spielberg höchstpersönlich dem Werk angenommen und muss sich hierbei selber referenzieren…

Die Zukunft ist bunt. Zumindest in der digitalen Realität. Millionen von Menschen gehören mittlerweile zu den sogenannten „lost millions“. Diejenigen, die verloren sind. Sie leben in der Oase, einem digitalen Zauberland, indem alles möglich zu sein scheint. Die Realität hingegen ist grau und kalt. Armut bestimmt das Bild. Als der Erfinder der Oase überraschend verstirbt, hinterlässt er seinen Millionen von Usern drei Quests. Wer diese gewinnt, erbt seine Anteile an der Oase und damit die Macht über diese. Daran sind nicht nur die User interessiert, sondern auch konkurrierende Unternehmen…

2009 erschien Ernest Clines Roman „Ready Player One“, der innerhalb kürzester Zeit die Bestseller-Listen erklomm und teils überschwänglich positive Kritiken erhielt. Mittlerweile wurde der Roman in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und erfreut sich besonders bei einer Gruppe immenser Beliebtheit: Männer über 35 Jahre. Denn der Roman zehrt unheimlich von einer 80er-Jahre-Nostalgie. Fast alles Relevante was zur Popkultur dieses Jahrzehnts zählt, wird referenziert. Der inhaltliche Kniff: Die Story gibt die ewige Referenz vor. Die drei Quests der Oase (unter anderem als Hommage an ein klassisches Pen&Paper-Rollenspiel) stellen einen Trip in die Vergangenheit dar, der gekonnt mit modernen (oder hier: futuristischen) digitalen Mitteln unternommen wird. Aufgrund seines Kult-Charakters galt die Vorlage oft als unverfilmbar. Steven Spielberg, dessen Werk innerhalb des Romans selber referenziert wird, sah dies wohl anders und machte aus dem dytopischen Nostalgie-Trip für Erwachsene ein mahnendes Adventure für Kids.

Aus der analogen in die virtuelle Realität...<br>
Aus der analogen in die virtuelle Realität…
(© 2018 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)

Auch wenn die Verfilmung von der Vorlage in einigen bedeutenden Punkten abweicht halte ich sie dennoch für absolut gelungen. Es war ein Fest dieses Nerd-Massaker auf der großen Leinwand sehen zu dürfen, auch weil Spielberg die richtige Gewichtung gesetzt hat. Die Charaktere und Message (als auch die Kritik an der digitalen Revolution) stehen im Mittelpunkt. Teils viel subtiler als man es erwartet hätte. Sicherlich stellt der Film die Auswirkungen dieser digitalen Gesellschaft schwächer, vielleicht sogar beschönigender dar, als es der Roman eigentlich tut – vielen Fans der Vorlage stieß dies zumindest negativ auf -, aber da die Vorlage sich als Hommage an die 80er-Jahre-Nostalgie versteht, ist er damit eigentlich auch gleichzeitig sehr konsequent. Ich glaube auch nicht, dass die Zielgruppe junge Erwachsene, geschweige denn 35-Jährige sind, sondern der Film sich wirklich versucht an ein kindliches Publikum zu richten, welches man vielleicht mit den drastischsten Aspekten des Romans nicht zu sehr belasten wollte. Es ist ein Film für 12-jährige Kids, nicht für 35-jährige Männer, ob bewusst oder unbewusst, und damit eben ein typisches 80er-Adventure mit Botschaft (was aber natürlich nicht bedeutet, dass man den Film als Erwachsener nicht lieben kann). Die Welt in Clines Vorlage ist düsterer. Die Oase wird eben nicht nur als Spiel angesehen, sondern dient auch der Befriedigung „erwachsener“ Gelüste. Sexuelle Ausbeutung gehört genauso dazu, wie etwa Drogenkonsum. Dies sind Inhalte, die sicherlich für Kids zu komplex gewesen sind. Spielberg entschied sich bewusst dies abzuschwächen (auch wenn es visuell referenziert wird) und sich auf die grobe Kritik an der digitalen Revolution zu orientieren, die für ein junges Publikum bereits sehr komplex sein kann. Überwachung, falsche Identitäten, eine gefälschte Realität, die überbrodelnde Macht digitaler Konzerne, Aushöhlung des demokratischen Rechtsstaat, die soziale Verwahrlosung, Flucht vor Verantwortung und Entscheidungen, der Verlust realer, intimer Momente,… All dies findet sich bereits als Kern-Kritik im Film wieder. Die Entmenschlichung ist sogar einer der handlungstreibenden Plotpoints. So ist es der Schöpfer der Oase, der die Protagonisten auf eine Art Selbstfindungs-Quest schickt, um an seinem Beispiel zu erfahren, was es heißt, sich im digitalen Rausch zu verlieren und welche reale Chancen man dadurch verpasst. Demnach wird der Film vielleicht auch von einigen Zuschauern unter den falschen Erwartungen geschaut. Es ist ein Kinderfilm, der die Kids mit grundsätzlicher Kritik am digitalen Wandel konfrontiert, ohne diesen aber zu verdammen. Da muss man das junge Publikum nicht (wie in der Romanvorlage) noch mit Sex, Spionage und Drogentoten überfordern.

Manch einer wird des Weiteren monieren, dass Spielberg für den Regieposten nicht die richtige Wahl gewesen ist, da er im Grunde sein eigenes Werk referenzieren müsste. Dem kann man nicht vollends widersprechen, und vielleicht hätte tatsächlich ein anderer Regisseur dem Material inhaltlich mehr abgerungen, allerdings möchte ich anmerken, dass dem Autor der Vorlage auch immer ein popkulturelles Adventure mit sozialkritischen Tönen vorschwebte. Was Spielberg umsetzte, entspricht (weitestgehend) der Intention des Autors (zumindest nach dessen eigener Aussage), auch wenn jeder sicherlich aufgrund der Romanvorlage seine eigene Oase im Kopf hat und vielleicht eben auch inhaltlich bestimmte Aspekte anders gewichtet hätte.

Selten: Ein Treffen in der Realität.
Selten: Ein Treffen in der Realität.
(© 2018 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)

„Ready Player One“ wäre vielleicht nicht so beliebt, wenn es nicht von den zahlreichen popkulturellen Referenzen, mythologischen Bezügen und technischen Verweisen zehren würde. Und bereits die Einblendung des Amblin-Logos, Steven Spielbergs eigenes Produktionsstudio, stellt im Grunde schon eine Referenz dar. Kaum ein anderes Studio (und ein anderer Regisseur) steht so sehr für das US-amerikanische Kino der 1980er-Jahre wie Steven Spielberg und Amblin. Es ist aber ein Trugschluss zu denken, dass Vorlage als auch Verfilmung nur wegen den Referenzen so gut funktionieren würden. Denn diese ganzen popkulturellen und mythologischen Verweise sind am Ende „nur“ Beiwerk. Auch ohne Kenntnis funktioniert der Film. Dies wird vor allem in der Shining-Sequenz deutlich, in der im Film die Protagonisten sich durch eine Quest kämpfen müssen, die eine gesamte visuelle Referenz an Stanley Kubricks Romanverfilmung „The Shining“ (1980) darstellt (interessant ist hierbei, dass dieses Meisterwerk des Horrorfilms ebenfalls eine sehr freie Adaption von Stephen Kings Romanvorlage darstellt). Man muss „The Shining“ nicht kennen, um Spaß an der absurden Horror-Achterbahn zu haben. Als Abschluss dieser Sequenz wird zudem ein rein fiktives Videospiel des Charakters Halladay von inhaltlicher Bedeutung sein. Dieses kann natürlich niemand kennen. Es funktioniert trotzdem und die Message dieser Szene kommt beim Zuschauer an. „Ready Player One“ lebt also nicht von der ewigen Referenz, sondern diese bereichert (bei Kenntnis) den Film aber immens.

Als 12-Jähriger hätte ich „Ready Player One“ wohl geliebt, genauso wie ich „Tron“ (1982), „Die Goonies“ (1985), „Explorers – Ein phantastisches Abenteuer“ (1985) oder „Die Reise in Ich“ (1987) liebte. Der Unterschied zu Heute: Damals gehörten diese Filme noch Kindern, die nun natürlich erwachsen sind. Bei „Ready Player One“ habe ich das Gefühl, dass eine der Kritikpunkte des Films sich in der realen Welt wiederspiegelt. Die ewige Nostalgie der Romanvorlage, das sehnsüchtige Gefühl nach bekannten und somit behüteten Verhältnisse, wie man sie aus der eigenen Kindheit kennt, wird hier konsequent inhaltlich umgesetzt, indem sich der Film eben ehrlich an Kinder wendet. Jeder sehnt sich nach seiner Kindheit zurück, die oftmals nicht in besseren Zeiten liegt, aber eben in Zeiten die man selber erlebt hat. Man kennt sie. Die negativen als auch positiven Seiten. Das schafft Geborgenheit und Geborgenheit schafft Sicherheit.

„We’re not gonna take it!“
(© 2018 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)

So unterhaltsam und beeindruckend der Trip in die Oase ist, muss man aber wohl in aller Konsequenz die Darstellung der Hauptcharaktere kritisieren, die eben nicht ansatzweise der Vorlage entspricht. Aus den übergewichtigen Jugendlichen sind nun durchtrainierte Mid-Twenties geworden, die sich optisch sicher besser vermarkten lassen, so zynisch dies auch klingen mag. Hier wirkt der Film unheimlich unehrlich. Beide Schauspieler spielen ihre Rollen überzeugend, aber die Vorlage hatte hier eben noch einen weiteren sozialkritischen Aspekt abgearbeitet: Nämlich der Wunsch sich selber zu belügen. Man kann sein, wer man will. Der Avatar muss nicht der Wirklichkeit entsprechen. Und so können eben, wie es heute bereits der Fall ist, die User ein Bild von sich erstellen, welches unehrlich oder gar eine glatte Lüge ist, weil sie sich für ihr reales Ich schämen (oder glauben schämen zu müssen, da es nicht dem propagierten Standard entspricht). Damit verbunden sind im Roman auch die vollkommen falschen Vorstellungen, die man von einer anderen Person hat. Man glaubt sie zu kennen, aber am Ende kennt man nur die digitale, geschönte Kopie. Im Film wird dieser Aspekt relativ kurz in einem Streitgespräch angedeutet. Eine sicherlich vertane Chance.

Davon losgelöst, stellt die Verfilmung aber ein durchweg unterhaltsames Abenteuer für ein junges Publikum dar, welches auch Dank der schauspielerischen Leistung mancher Nebendarsteller (vor allem Mark Rylance) weitaus mehr Tiefe und Eleganz verliehen bekommen hat, als die Trailer es vermuten ließen. Grundsätzlich ist die Marketing-Kampagne im Nachhinein als ein kompletter Reinfall zu bezeichnen. Erst der vierte Trailer kurz vor Kinostart, untermalt mit einer orchestralen Version von A-Ha’s „Take on me“, konnte einen gewissen Sense of Wonder versprühen, der aber wohl keinerlei Hype mehr auslösen konnte. Mit einem weltweiten Einspiel von 500 Millionen US-Dollar ist „Ready Player One“ sicherlich kein Flop, blieb aber wohl hinter den Erwartungen zurück. Ironie der Geschichte: Man könnte vermuten, dass der Film als Stream ein weitaus größeres Publikum finden wird, denn hier ist das Publikum, oder die Hauptzielgruppe, vorhanden. Er muss also in die digitalen Sphären gleiten, um von den Usern wahrgenommen zu werden. Ob die teils bezaubernd-hypnotisierenden Welten der Oase auch auf dem kleinen Bildschirm in 2D genauso gut funktionieren wie auf der großen Leinwand in 3D, sei einmal dahingestellt.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!