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„Halloween Ends“ (USA, 2022)

verfasst am 15.Oktober 2022 von Markus Haage

(© 2022 Universal Studios. All Rights Reserved.)

Mit „Halloween Ends“ startet nach 44 Jahren der nunmehr dreizehnte Film der gesamten Reihe in den Kinos. Es soll nicht nur der Abschluss der neuen Legacy-Trilogie sein, die nur John Carpenters Meisterwerk aus dem Jahre 1978 als Kanon einstufte, sondern wohl auch ein endgültiger Abschied von den Charakteren und der Welt des Originals. Es wäre das nunmehr dritte „wirklich endgültige Finale“ der Filmreihe; falls es dies tatsächlich ist. Denn Halloween endet bekanntlich nie …

Offizielle Synopsis: Die letzte Nacht des Grauens bricht an! Mit „Halloween Ends“ erreicht das meistverehrte Horrorfranchise der Filmgeschichte seinen mörderischen Höhepunkt. Vier Jahre nach dem letzten Blutrausch von Michael Myers werden Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) und ihre Enkelin Allyson (Andi Matichak) erneut gezwungen, sich dem ultimativen Bösen zu stellen – und es endgültig auszulöschen!

Es ist nicht das letzte Mal, soll es aber erneut sein: ein großes Finale der Halloween-Reihe, indem das unerklärliche Böse in Gestalt von Michael Myers (James Jude Courtney) endgültig besiegt wird. Diesen Anspruch besaß man schon mit „Halloween II – Das Grauen kehrt zurück“ („Halloween II“, 1981) als auch „Halloween H20 – 20 Jahre später“ („Halloween H20: 20 Years Later“, 1997). Letztlich war die Reihe allerdings stets finanziell zu erfolgreich, um von ihr zu lassen. Im vierten Teil, „Halloween IV – Michael Myers kehrt zurück („Halloween 4: The Return of Michael Myers“, 1988), stand der Schlitzer von Haddonfield von den Toten wieder auf, indem man schlichtweg erklärte, dass er im originalen zweiten Teil nie starb – gleiches galt übrigens für Dr. Loomis (Donald Pleasence) –, und im achten Film der Reihe, „Halloween: Resurrection“ (2002), der mittlerweile als Tiefpunkt der gesamten Serie gewertet wird, stellt sich heraus, dass Myers im vorangegangenen Film gar nicht geköpft wurde, sondern Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) einen unbescholtenen Bürger mit Myers-Maske ermordete. Für Strode bedeutete dies letztlich den Tod in einer Irrenanstalt, aber nicht das Ende ihrer Reise. Selbst die Helden mussten somit schon sterben und wieder auferstehen. Die Filmreihe nahm viele Wendungen, war stets für Experimente offen, erfand sich teils vollkommen neu und riss hierbei Altes brachial nieder. Dies führte gar zu zahlreichen unterschiedlichen Zeitlinien innerhalb der gesamten Serie, die aus Filmen bestanden, die ihre Ereignisse gerne gegenseitig ignorierten.

Mit dem Neubeginn der Horror-Saga ab „Halloween“ (2018) klammerte man nicht nur sämtliche Werke nach dem ersten Film aus, sondern interpretierte auch das Ende von John Carpenters Originalfilm neu, um erweiterte Handlungsstränge für die direkte Fortsetzung „Halloween Kills“ (2021) zu generieren. Auch wenn nicht alle Fans mit der Neuausrichtung dieser Legacy-Trilogie, die nun mit „Halloween Ends“ (2022) ihr Ende finden soll, glücklich waren, sprach das Box-Office eine vollkommen andere Sprache. „Halloween“ spielte 2018 mehr als 256 Millionen US-Dollar weltweit ein (inflationsbereinigt 2022: rund 306 Millionen US-Dollar). Die Fortsetzung konnte zumindest die Hälfte dessen verbuchen (rund 132 Millionen US-Dollar), startete 2021 allerdings in den USA auch gleichzeitig auf dem Streaming-Dienst Peacock. Dasselbe Vertriebskonzept wird nun auch für „Halloween Ends“ angewandt, und man kann davon ausgehen, dass es abermals zu einem Erfolg wird. Ob dies dann doch noch eine weitere Fortsetzung generieren wird, sei einmal dahingestellt, denn ob Halloween (im Kontext des Film-Universums) tatsächlich enden kann, wäre wahrhaftig nicht einmal ein Spoiler. Zur Promotion des aktuellen Films kokettierte selbst Jamie Lee Curtis mit der Idee einer weiteren Fortführung.

„You can kill every character and still find a way to continue their stories. So as long as they’re successful, […] stories will find ways to carry on, I’m certain.“
– Jamie Lee Curtis im Interview mit SFX, Oktober 2022

Wie diese nach „Halloween Ends“ aussehen könnte, wird an dieser Stelle selbstredend offen gelassen – falls diese wirklich angedacht ist oder überhaupt möglich erscheint –, selbst wenn es wohl kein Spoiler wäre. Bereits „Halloween Kills“ machte es deutlich, dass Michael Myers kein normaler Mensch sein kann. Mit einer solchen Idee spielte die Reihe stets – Fortsetzungen wie „Halloween VI – Der Fluch des Michael Myers“ („Halloween: The Curse of Michael Myers“, 1995) beuteten diese quasi komplett aus –, die Legacy-Trilogie scheint sich diesem Konzept zumindest im Geiste anzuschließen und verneigt sich damit vor der Intention des Originals. Schon Dr. Loomis (Donald Pleasence) wusste in „Halloween – Die Nacht des Grauens“ („Halloween“, 1978) zu berichten:

„Man sagte mir, er sei ein hoffnungsloser Fall. Kein Verstand, kein Gewissen und auch nicht das elementare Differenzierungsvermögen zwischen Leben und Tod, zwischen Gut und Böse, Recht oder Unrecht. Ich traf auf ein sechsjähriges Kind mit einem blassen, farblosen, emotionslosen Blick und den … schwärzesten Augen. Teuflischen Augen! Ich habe acht Jahre lang versucht mit ihm Kontakt zu bekommen, dann nochmal sieben Jahre um zu verhindern, dass er jemals wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Ich wusste zu gut, was sich hinter diesen Augen verbirgt … das absolut Böse.“
– Dr. Loomis (Donald Pleasence) in „Halloween – Die Nacht des Grauens“ (1978)

Auch laut Schöpfer Carpenter ist Myers eine „unaufhaltbare, fast schon übernatürliche Naturgewalt, die man nicht töten kann“ („almost a supernatural force — a force of nature. An evil force that’s loose […].“, „unkillable“); die Bewohner Haddonfields versuchten es in „Halloween Kills“ trotzdem, riefen hysterisch „Evil dies tonight!“ und scheiterten auf glorreiche Weise. Im Film-Universum sind seitdem vier Jahre vergangen. Genug Zeit für Herrn Myers seine Batterien aufzuladen, um abermals mit größtmöglicher Brutalität ein allerletztes Mal zuzuschlagen.

Das offizielle deutsche Kinoplakat.
(© 2022 Universal Studios. All Rights Reserved.)

Doch nach seinem Killing Spree im vorangegangenen Film überrascht „Halloween Ends“. Im Fokus der Handlung steht nicht zwingend Michael Myers, sondern die Auswirkungen seiner Taten. Dies wurde bereits durch die Hysterie in „Halloween Kills“ thematisch aufgegriffen, doch nun setzt die Ruhe nach dem Sturm ein, und sämtliche Bewohner müssen nicht nur den von Myers ausgelösten Horror, sondern auch ihre eigenen Handlungen verarbeiten. Manche wählen den Suizid, andere suchen nach Schuldigen für das unerklärliche Böse und ihren eigenen daraus resultierenden Taten und finden sie in ihren Nachbarn und Freunden. Myers säte aber nicht nur Misstrauen und Wut, sondern setzte auch eine Spirale der Gewalt frei, die sich jetzt auf eine neue Generation überträgt. Das Böse stirbt eben nie und Myers als „The Shape“ ist letztlich nur eine Manifestation dessen. „Halloween Ends“ traut sich thematisch der erwachsenste Film der Reihe zu sein, der sich nicht davor scheut, auch die Überlebenden vorangegangener Werke und ihr grausames Schicksal zu zeigen, sondern ebenfalls vollends anerkennt, dass Myers‘ Taten Nachwirkungen haben, selbst wenn man glaubt, ihn besiegt zu haben. Sein Erbe lebt weiter. Und sei es nur im Geiste.

„Halloween Ends“ versucht somit Horror als auch Drama zugleich zu sein. Die Balance gelingt nicht immer vollends – und letztlich wird „The Shape“ selbstredend wieder in Erscheinung treten –, der Mut für dieses Konzept ist aber gerade für das festgefahrene und von Klischees und Konventionen bestimmte Horrorgenre bemerkenswert; auch, wenn die Idee dahinter nicht zwingend neu ist. Bereits die „Freitag der 13.“-Filmreihe versuchte auf ähnliche Weise vorzugehen und präsentierte mit „Freitag der 13. – Ein neuer Anfang“ („Friday the 13th: A New Beginning“, 1985) gar ein Werk, welches vollends ohne seinen Schlächter Jason Voorhees auskommen sollte. Ein Nachahmer zog sich die Hockey-Maske über und suggerierte bis zum offenbarenden Ende lediglich, dass der Macheten-Killer von den Toten wieder auferstanden wäre. Es war kein Erfolg, weder bei Publikum noch Kritikern, dennoch ein inhaltlich spannendes Experiment, welches die Reihe letztlich bereicherte. „Halloween Ends“ ist im Kontext der eigenen Serie nicht weniger konsequent und demnach dazu prädestiniert, Kontroversen auszulösen.

Was wäre Halloween ohne Kürbisse?
(© 2022 Universal Studios. All Rights Reserved.)

Nicht nur die Eröffnungsszene, sondern auch die Titelsequenz verraten bereits, dass das Werk ausgerechnet im finalen Kapitel den alten Pfad verlassen will. Nach einer zweiminütigen Kamerafahrt zerplatzt der ikonische Kürbis und offenbart einen Neuen, noch ganz ohne hereingeritzte Horror-Fratze. Eine Saat des Bösen wurde gelegt, die nun aufblühen wird. Aber auch der Titelschriftzug, nun in der Schriftart „Standard CT Extra Bold“ bläulich eingefärbt, setzt sich von den direkten Vorgängern der Legacy-Trilogie ab und mahnt nicht nur an die mittlerweile inhaltlich negierte Halloween-Timeline der Filme 4 bis 6 (1988–1995), als man, wie eingangs erwähnt, versuchte, die Mythologie um Michael Myers mehrmals einschneidend zu erweitern, sondern erinnert stilistisch enorm an „Halloween III“ („Halloween III – Season of the Witch“, 1982). Der Halloween-Film, indem Michael Myers gar nicht auftaucht und eine vollkommen neue Geschichte erzählt. Ein klarer Verweis auf die Intention des Regisseurs: im Finale soll nicht alles, aber vieles anders werden. Vielleicht war dies auch von Anfang an das Konzept, denn – so viel sei verraten – das radikale Ende von „Halloween Ends“ hätte perfekt oder zumindest besser zu „Halloween Kills“ gepasst. Der Fokus der Handlung liegt demnach nicht (nur) auf Myers. Er ist der berühmte Schatten, der sich auf ewig über Haddonfield legt und auch dessen Bewohner buchstäblich beeinflusst (es folgen Spoiler).

Ein Unfall lässt den jungen, aufgeweckten Corey (Rohan Campbell) ins gesellschaftliche Abseits rutschen. Von der Kleinstadt-Gemeinschaft verstoßen, schlägt er sich durch das Leben. Haddonfield zu verlassen, scheint keine Option zu sein. Zu dominant ist sein Elternhaus, welches ihm jegliches Selbstbewusstsein genommen hat. Doch das, was er nicht war – ein Mörder, der den Tod eines Kindes absichtlich verursachte –, soll er letztlich werden. Die Stadt sah in ihm die zweite große Tragödie nach Myers an Halloween, die Stadt soll letztlich recht behalten. Eine selbsterfüllende Prophezeiung. Das Böse nimmt erneut Form an, eine neue Generation wird nicht geboren, sondern erschaffen. Ein ambitioniertes Konzept, welches inhaltlich dem eigenen Anspruch aber leider nicht immer gerecht wird – letztlich muss auch dieses Werk gewisse Slasherfilm-Konventionen bedienen und seien es nur die obligatorischen Kills –, aber der Reihe tatsächlich eine Zukunft geben kann. Der erste Teil ist 44 Jahre alt. Myers wird in Rente geschickt und selbst wenn man dies nicht täte, so wäre nur die ewige Wiederholung eine Option für kommende Filme. Eine stete Rückkehr nach Haddonfield, die letztlich dem Bösen die Kraft nehmen und sich in bester Slashier-Manier nur noch durch austauschbares Kanonenfutter in Form von Jugendlichen und deren wohl genre-typisch zelebrierten Tode unterscheiden würde. Regisseur David Gordon Green trifft eine krasse Entscheidung, die die Reihe inhaltlich bereichert und ausbaut. Wer allerdings nur die exploitativen Charakteristika erwartet, dem seien zumindest die letzten dreißig Minuten von „Halloween Ends“ ans Herz gelegt, die tatsächlich an die Glanzzeiten des Fun-Splatters der späten 1980er-Jahre erinnern und damit in einem totalen Kontrast zum vorangegangenen Horror-Drama stehen. Ihre comichafte Brutalität wirkt im Kontext des Handlung fast schon irritierend, als ob man zwei unterschiedliche Werke sehen würde. Der Film will sich zum Abschluss seiner Genre-Wurzeln wohl dennoch besonders bewusst sein, auch wenn es etwas dem inhaltlichen Anspruch zu widersprechen scheint.

Demzufolge stellt „Halloween Ends“ auch tatsächlich den finalen Kampf zwischen Laurie Strode und Michael Myers dar. Es kann keine erneute Rückkehr geben, aber einen Neuanfang. Nicht nur für die Protagonisten, sondern auch den eigentlichen Antagonisten: das absolut Böse, welches stets neue Formen annimmt und in uns allen schlummert.

Der Showdown zwischen Michael Myers und Laurie Strode findet seinen Höhepunkt.
(© 2022 Universal Studios. All Rights Reserved.)

„Halloween Ends“ stellt Anfang und Ende zugleich dar. Der Zuschauer erlebt die Geburt einer neuen Generation und den Untergang der alten. Ein Film, der aufgrund seiner mutigen inhaltlichen Ausrichtung dazu prädestiniert ist, unter Fans des Genres (und natürlich des Franchises) für massive Kontroversen zu sorgen. Sicherlich auch, weil der Zuschauer eben nicht nur die ewige Wiederholung des bekannten Grauens serviert bekommt, sondern einen interessanten, unkonventionellen Ansatz, der die alte Filmreihe mit zig Timelines bestehend aus ewigen Neuinterpretationen tatsächlich in eine andere Richtung lenken kann. Das Böse stirbt eben nie; es nimmt nur neue Formen an. Damit ist „Halloween Ends“ an Carpenters ursprünglicher Intention des Originalfilms weitaus näher dran, als seine vielen Vorgänger und vielleicht auch als manch einem Zuschauer bewusst sein will.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!