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Das Kino in der Corona-Krise

verfasst am 24.März 2020 von Markus Haage

Die Corona-Krise hat das soziale Leben nicht nur in Deutschland, sondern der gesamten westlichen Welt lahmgelegt. Als Notmaßnahmen beschlossen die Regierungen teils drastische Ausgangsbeschränkungen und Schließungen von Lokalitäten. Ein Stillstand des gesellschaftlichen Lebens in dessen Mittelpunkt natürlich auch das Kino steht. Dies kann drastische Folgen weit nach der Krise haben. Nicht nur für das Kino als Begegnungsstätte, sondern auch für das Medium Film.

Die Schließung sämtlicher Lichtspielhäuser in der westlichen Welt, wird das Medium Film wohl nachhaltig verändern. Maßnahmen, die noch vor zwei Wochen als vorerst undenkbar galten, sind nun bereits Normalität. So hat sich Universal Pictures dazu entschieden, die aktuellen Kinofilme „The Hunt“ (2020) und „Der Unsichtbare“ („The Invisible Man“, 2020) als auch das Drama „Emma“ (2020) als Video-on-Demand für 19,99 US-Dollar anzubieten. Der Animationsfilm „Trolls 2 – Trolls World Tour“ („Trolls World Tour“, 2020) wird sogar seine Premiere als Video-on-Demand feiern. Erstaunlich, war der erste Teil aus dem Jahre 2016 mit einem Einspielergebnis von rund 340 Millionen US-Dollar doch ein weltweiter Hit. Die Entscheidung, den Kino-Run auszusetzen, sorgte bei der gebeutelten US-Kinoindustrie verständlicherweise für Empörung, da sie fest mit einem einspielstarken Hit gerechnet haben und diesen nach der Krise auch dringend benötigen werden.

„The Invisible Man“ bereits via Amazon Prime abrufbar.
(© Amazon.com)

Doch die zahlreichen Verschiebungen vieler, vieler Blockbuster sorgen für einen regelrechten Stau im Release-Kalender nach der Krise. Schon frühzeitig entschied sich Sony Pictures deswegen den neuen Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ („No time to die“, 2020) von April auf November zu verschieben. Disney und Marvel Studios haben den Start ihrer Highlights „Mulan“ (2020) und „Black Widow“ (2020) auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Universal Pictures verschob den mittlerweile neunten Teil des „Fast & Furious“-Franchise um fast ein ganzes Jahr auf April 2021. Auch wenn die vielen großen Blockbuster dann irgendwann in den Kinos laufen werden, so werden sie natürlich in direkter Konkurrenz zu den regulär angekündigten Filmen stehen. Eine Art Selbstzerfleischung könnte beginnen. Vielleicht nur abzufangen durch den erzwungenen Produktionsstopp zahlreicher Filme und Serie. Man munkelt, dass die vierte Staffel von „Stranger Things“ (2016–) nicht mehr dieses Jahr veröffentlicht werden kann.

Für die Streaming-Dienste könnte diese Krise vielleicht einen Game-Changer darstellen. Denn die großen Studios haben wie jedes Unternehmen laufende Kosten, die gedeckt werden müssen. Ob gedreht wird oder nicht, wenn eine der Haupteinnahmequellen wegbricht, müssen sie sich diesem neuen Markt anpassen und neue Absatzmöglichkeiten finden. Die Premiere als Video-on-Demand wäre zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nur konsequent. Auch weil niemand mit Sicherheit sagen kann, wann die Krise überwunden ist. Warner Bros. weist zwar darauf hin, dass sie zwar das digitale Release von einigen aktuellen Filmen vorziehen – so wird „Birds of Prey“ bereits diese Woche, sechs Wochen nach Kinostart, als Video-on-Demand releast werden –, aber offiziell wollen sie bei noch nicht veröffentlichten Produktionen, wie etwa „Wonder Woman 1984“ (2020) noch an einem Kinostart festhalten.

Die Krise wird wohl auch den Handel mit physischen Datenträgern verändern. Amazon stellt nur in den USA 100.000 Mitarbeiter mehr ein, hat allerdings bereits angekündigt, dass sie den Versand von Lebensmitteln, Hygieneprodukten oder den Bedarf des alltäglichen Lebens absolut priorisieren werden. Filme auf DVD und Blu-ray gehören nicht dazu. Bis zu einem Monat kann der Versand aufgeschoben werden. Händler berichten bereits, dass Amazon für physische Unterhaltungsmedien keine Lagerfläche mehr zur Verfügung stellt. Gleichzeitig wird mit dem Release von aktuellen Kinofilmen eine neue Sparte eingeführt: Amazon Prime Cinema. Sonys Comic-Verfilmung „Bloodshot“ (2020) mit Vin Diesel in der Hauptrolle, der erst am 5. März in die deutschen Kinos kam, soll am 24. März auf Amazon Prime sogar in UHD für deutsche Kunden abrufbar sein.

Produzent Jason Blum, der in den letzten Jahren zahlreiche große Hits mit der Produktion von Genrefilme feiern konnte, sagte in einem aktuellen Interview, dass er es nicht für realistisch hält, dass die Filmstudios in Zukunft sich noch leisten könnten, vier Monate nach dem Kino-Release mit der digitalen Veröffentlichung zu warten. Netflix und Amazon stellen letztlich auch eine Konkurrenz dar, die massiv auf Eigenproduktionen setzen. Somit könnt die Krise viele Studios wachgerüttelt haben. Die brutale Abhängigkeit zu den Mitbewerbern im Streaming-Bereich wird ihnen nun deutlich bewusst, denn am Streaming von „Der Unsichtbare“ verdienen die Rivalen natürlich mit, die mit den Erlösen in aller Konsequenz ihre Eigenproduktionen mitfinanzieren.

„I think it’s not realistic to think all the studios are going to wait four months before they put a movie at home. They just can’t compete, they’re going to have to compete with Amazon and Netflix and Apple in a different way. There’s going to be shifts. The consumer is going to be more used to staying at home. Something is going to give, there has to be something that’s going to happen post-corona. The movie business will look different after the coronavirus.“

Ein weiterer unbeabsichtigter Nebeneffekt: der Handel mit physischen Datenträgern wird wohl weiter sinken, die Kundenbindung an digitale Inhalte wird verstärkt und dadurch sicherlich das digitale Angebot steigen. Und hierzu besitzt Amazon eben die Infrastruktur und Power. Für den US-Markt stellte Amazon bereits vierzig Kinderserien und achtzig Filme gratis für alle Besucher online.

Nischen-Unternehmen werden es somit immer schwerer haben. Selbst der Playboy hat seine alt-ehrwürdige us-amerikanische Print-Ausgabe nun offiziell eingestellt. Dies war zwar schon länger angedacht, doch in der Ankündigung wurde das Corona-Virus explizit als einer der Gründe genannt. Auch Diamond Comics Distributors, Inc. wird ihre Pforten schließen. In den USA eine der führenden Vertriebe für Popkultur-Artikel. Das Coronavirus wird ebenfalls als finaler Sargnagel beschrieben:

„As everyone knows, the world faces ever-increasing challenges related to the COVID-19 pandemic. Its effects on the comics & collectibles and tabletop gaming industries have been felt far and wide. We are hearing from thousands of retailers that they can no longer service their customers as they have in the past, many of them forced to close by government action or resort to in-person or curbside delivery.“

Man kann nur darüber spekulieren, wann diese Krise beendet ist, aber es scheint sicher zu sein, dass sie wie ein Brandbeschleuniger für eine bereits gebeutelte Branche wirkt. Print-Medien, Labels, Kinos – sie alle werden die Folgen der Krise doppelt und dreifach zu spüren kriegen. Für viele wird es vielleicht leider das Ende sein. Um allerdings den Artikel nicht vollkommen negativ zu beenden, möchte ich zumindest auf eine Aktion hinweisen, die euer Kino direkt unterstützen kann. Auf hilfdeinemkino.de könnt ihr euch Kino-Werbung anschauen, die ansonsten eben im Kino gelaufen wäre. Ein Teil des Erlöses wird eurem Kino zugute kommen.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!