Mit freundlicher Unterstützung von Universal Pictures dürfen wir euch das deutsche Presseheft zu Jim Jarmuschs Zombiekomödie „The Dead don’t die“ (2019) präsentieren. Es sei selbstredend vorab darauf hingewiesen, dass der Text aus dem Presseheft als normaler Teil der regulären Pressemappe vom Verleiher als Informationsangebot stammt und von der Redaktion aufgrund des interessanten Inhalts selbst ausgewählt wurde.
Über die Produktion
Von Regisseur Jim Jarmusch („Paterson“, „Gimme Danger“, „Only Lovers Left Alive“) kommt nun eine einzigartige Sichtweise auf die Zombie-Apokalypse, durchdrungen vom trockenen Ton und sanfter Komik, für die er seit Jahrzehnten als ikonische Stimme im unabhängigen Filmemachen bekannt ist. Der Film bringt eine, mehrere Generationen umfassende, multikulturelle Besetzung und Crew, bestehend aus bekannten Gesichtern vergangener Produktionen sowie Neubekehrte für das Jarmusch-Ensemble zusammen, wie Danny Glover, Selena Gomez oder Caleb Landry Jones. „The Dead don’t die“ ist eine Familienangelegenheit, ein zeitgemäßes und pointiertes Stück Leben, das an einem entscheidenden Punkt der amerikanischen Geschichte ankommt, bei der es sich anfühlt, als würden die Zeiten, in denen wir leben, uns bei lebendigem Leib fressen.
„The Dead don’t die“ markiert Jarmuschs zehnte Reise zur Croisette, nachdem er zuletzt 2016 mit Paterson bei den Filmfestspielen in Cannes im Wettbewerb zu sehen war. Im selben Jahr fand die Uraufführung von Gimme Danger statt, sein Dokumentarfilm über Iggy & The Stooges, der außer Konkurrenz stand. Der Filmemacher war mit den meisten seiner Filme in Cannes, darunter „Only Lovers Left Alive“, „Broken Flowers“ (Gewinner des Grand Jury Prize), „Ghost Dog – Der Weg des Samurai“, „Dead Man“, „Mystery Train“, „Down by Law“, „Stranger Than Paradise“ (Gewinner der Camera d’Or) und „Coffee and Cigarettes“, der 1993 den Preis für den besten Kurzfilm erhielten.
Bill Murray, Adam Driver und Chloë Sevigny spielen die Hauptrollen, nämlich Polizisten in Centerville, die zum Einsatz gezwungen werden, als fleischfressende Zombies in ihr kleines Dorf eindringen. „The Dead don’t die“ ist sowohl grausames Blutbad, als auch drollige Metapher für Amerikas aktuellen Zustand.
„‚The Dead don’t die‘ findet in einer Version unserer Welt statt, die für diesen Film einzigartig ist, sich aber sehr ausdrucksstark für den aktuellen Moment anfühlt“, sagt Produzent Joshua Astrachan, der auch an „Paterson“ mitarbeitete. „In Jims Erzählung führen die USA Polar Fracking durch, die Erde ist von ihrer Achse gerutscht, die Eiskappen sind geschmolzen, die Sonne bleibt während der Nacht oben, der Mond bleibt während des Tages oben und die Toten beginnen aus ihren Gräbern zu kommen.“
Jarmuschs Untote taumeln auf der Suche nach einem vergangenen Hobby oder einer vergangenen Bindung wieder zurück ins Leben und können nur ein einziges, flehendes Wort sagen. Der Grammy-prämierte Countrysänger Sturgill Simpson, der das Titellied des Films komponiert hat, tritt in einem Cameo als untoter Musiker auf, der mit einer Akustik-Elektrik im Schlepptau durch die Straßen von Centerville streift und kehlig krächzend „Gitarre“ ruft.
„So ziemlich die gesamte Menschheit ist als Zombie vertreten“, sagt Tilda Swinton, die zum vierten Mal in die Jarmusch-Familie zurückkehrt und die fulminante, schottische Leichenbestatterin Zelda Winston spielt. „Wir haben Handy-Zombies, Modezombies, jede Art von Zombie, die man sich vorstellen kann. Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten in unserem aktuellen Klima nicht wach zu sein, für Jim war es ein Kinderspiel das alles für seinen Film einzufangen.“
Larry Fessenden, der Kult-Horrorregisseur (Depraved) und langjährige Jarmusch-Landsmann, der in „The Dead don’t die“ als Motelbesitzer Danny Perkins auftritt, fügt hinzu: „Jims Filme haben immer diese episodische Qualität und zeigen Menschen, die durchs Leben gehen und versuchen, die Eigentümlichkeit der Welt zu vermitteln. Fügt man dem noch Zombies hinzu, erhält man etwas köstlich Launisches und ziemlich Böses. Es gibt Gewalt, fast bis zum Wahnsinn – das ist etwas, dass Jim im Moment über die Menschheit zu sagen hat. Aber es gibt auch diese zurückhaltende Melancholie, die in seinen letzten beiden Filmen aufgetaucht ist. Ich weiß nicht, ob es für die Spezies funktionieren wird, scheint er zu sagen, ich weiß nicht, wie wir das in Ordnung bringen können.“
Zombie Apokalypse Jetzt
Jarmusch begann vor einigen Jahren darüber nachzudenken, einen Zombiefilm zu schreiben, bevor er Paterson drehte, seine nachdenkliche Komödie von 2016 über einen Busfahrer und Dichter aus New Jersey, gespielt von Adam Driver. Der Autor/ Regisseur vermischt gern die Genres in Filmen, wie zum Beispiel beim psychedelischen Western („Dead Man“), seinem Samurai/ Gangster-Mashup („Ghost Dog – Der Weg des Samurai“), einen existenziellen Actionfilm („The Limits of Control“), eine Variation der romantischen Komödie („Broken Flowers“) und seiner bohemian Vampirkomödie in Detroit und Tangier („Only Lovers Left Alive“), mit Swinton in der Hauptrolle.
Jarmusch entschied sich für ein Thema, das in der Populärkultur allgegenwärtig geworden ist, nicht weniger als 55 zombiebezogene Filme oder Fernsehsendungen wurden allein 2014 veröffentlicht. „Während Vampire verführerische Kreaturen sind, sind Zombies, die unmenschlich sind, nicht so interessant“, sagt Jarmusch. „Jede Zombie-Geschichte ist jedoch irgendwie metaphorisch, da sie die menschliche Konformität oder eine andere Tendenz darstellt – laufende Wesen ohne Seelen.“
Während er 2016 „Gimme Danger“ drehte, seinen Dokumentarfilm über Iggy und die Stooges (Iggy kehrt in „The Dead don’t die“ übrigens zur Familie Jarmusch zurück und spielt einen Zombie, der es vor allem auf Kaffee abgesehen hat), bemerkten der Filmemacher und seine Produzenten Handy-Zombies auf den Straßen von Miami, als wären sie filmende, vergessliche Fußgänger, die an ihren Smartphones klebten und über Gehwege und Kreuzungen schlafwandelten. Die Vision schlug Wurzeln, als Jarmusch nach der Fertigstellung von „Gimme Danger“ und „Paterson“ zu schreiben begann und die Frage aufkommen ließ: Was wäre, wenn die Untoten wieder zum Leben erwachten und sich nach genau den Dingen sehnten, die sie gemacht haben, als sie lebendig waren?
„Wir sind alle an Dinge der materiellen Welt gebunden und wir sind alle Zombies in der einen oder anderen Form. Es ist nicht so abwegig, dass wir uns nach genau den gleichen Dingen sehnen würden, wenn wir von Toten auferstehen würden“, sagt Carter Logan, Jarmuschs langjähriger Produzent und SQÜRL-Bandgefährte, der mit Jarmusch am atmosphärischen Soundtrack von „The Dead don’t die“ arbeitete. „Es ist lange her, dass Jim absichtlich eine ‚Komödie‘ geschrieben hat und obwohl es eine Art körperlichen Humor im Film gibt, benutzt er Horror-Genre-Konventionen, um über die Absurdität unserer Gegenwart zu lachen. Das ist Jims erneute Rückkehr zum Genre-Filmemachen: er stellt den Zombiefilm auf den Kopf und entwickelt seine eigene, einzigartige Vision davon, was eine Zombie-Komödie sein kann.“
Swinton fügt hinzu: „Alle Zombiefilme handeln von Menschen und deshalb lieben wir sie, sie handeln von Katastrophen, bei denen sich alle so fühlen, als ob sie am Rande stehen und es nicht schlimmer werden kann, aber das wird es. Dafür sind Horrorfilme da und diejenigen von uns, die Zombiefilme lieben, lieben sie aus diesem Grund. Es ist gut für uns, uns die Untoten vorzustellen und dann morgens aufzuwachen und uns daran zu erinnern, dass es nur ein Film oder ein schlechter Traum war.“
Jarmuschs Interesse für Zombies reicht zurück bis zu den frühen Klassikern aus dem Horror-Kanon, darunter der 1932er Film „White Zombie“, der vermutlich erste Zombiefilm, mit Bela Lugosi als weißem, haitianischen Voodoo-Meister Murder Legendre, der eine junge Frau in eine lebende Tote verwandelt. Er hat auch eine Vorliebe für „Ich folgte einem Zombie“, dem 1943er B-Movie von Jacques Tourneur, der von Sklaven-Zombies auf einer abgelegenen karibischen Insel handelt, denen der Wille fehlt, etwas für sich selbst zu tun – eine beunruhigende Reflektion des menschlichen Lebens während eines Weltkriegs, der die fatalistische Botschaft der Sackgasse der Menschheit in „The Dead don’t die“ widerspiegelt.
Aber es ist George Romeros 1968er Schocker „Die Nacht der lebenden Toten“, der Jarmusch beim Schreiben und Filmen seines neuesten Spielfilms am meisten inspirierte. Sorgfältige Zuschauer von „The Dead don’t die“ werden zahlreiche Referenzen und Verweise auf den amerikanischen Low-Budget Horrorklassiker entdecken, der sich im Laufe der Jahre von einem Down-and-Dirty-Indiefilm, über eine soziale Allegorie für die Ära Vietnam und die Bürgerrechte, zu einer Metapher für Spätkapitalismus und Konsumismus entwickelt hat. Das Original in schwarz-weiß, das für 114.000 Dollar produziert wurde, markierte auch das erste Mal, dass Zombies gezeigt wurden, die sich mit Fleischfressen beschäftigten sowie mit erschreckenden gesellschaftspolitischen Implikationen. Turbulente Zeiten fressen uns wieder einmal auf.
„‚Die Nacht der lebenden Toten‘ ist ein brillanter Film, der mit unglaublichen Einschränkungen gemacht wurde und wir zitieren den Film mit vielen kleinen Details und Referenzen, die der aufmerksame Zuschauer erkennen wird“, sagt Jarmusch und hebt den 1968er Pontiac Le Mans hervor, der von Selena Gomez im Film gefahren wurde, genau das gleiche Fahrzeug wie in Romeros Debüt, ebenso wie der Verweis auf den Palmetto Green Lackjob. „In unserem Film, wie in ‚Dawn of the Dead‘, Romeros Fortsetzung von ‚Die Nacht der lebenden Toten‘, kehren die Zombies an Orte und Dinge zurück, von denen sie als Lebende besessen waren und versuchen, die eine Sache zu finden, an die sie sich bei lebendigem Leib klammerten. Ich war fasziniert von der Idee, reanimierter Menschen, die wie einzellige Organismen funktionieren, sich kannibalistisch von Fleisch oder Gehirn ernähren, aber keinen wirklichen Willen haben.“
„‚The Dead don’t die‘ ist an seiner Oberfläche eine Zombie-Komödie, aber darunter liegt ein Subtext, nicht anders als bei ‚Die Nacht der lebenden Toten‘, der eine gesellschaftspolitische Botschaft hat, die ich für wichtig halte“, sagt Carter Logan. „Wir sind übersättigt mit Filmen und Fernsehsendungen, die einer bestimmten Formel folgen. Es gibt in letzter Zeit so viel vom Zombiegenre, das an eine Seifenoper grenzt, mit Menschen, die versuchen, die Zombie-Apokalypse zu überleben. Unser Film berücksichtigt das, aber da ist Jim, der den Zombiefilm auf seine berühmteste Iteration zurückführt. Es geht darum, dass die Menschheit, trotz der großen Katastrophe, in der Welt nie ihren Sinn für Humor verliert.“
Zustand der Nation
„The Dead don’t die“ spielt im winzigen Dörfchen Centerville, einer sprichwörtlich Drei-Polizisten-Stadt, die von der Interstate isoliert ist, sich auf einer Hauptstraße mit Diner, Baumarkt und Motel befindet und Bewohnern beherbergt, die mit einem einzigartigen jarmuschianischen Touch zum Leben erweckt wurde. „Es ist eine kleine Stadt, irgendwo im unbekannten, generischen Amerika“, sagt Jarmusch, „und jeder kennt sich untereinander. Es ist eine fiktive Stadt und der Film handelt von diesen unterschiedlichen Charakteren, denen unsere Geschichte folgt.“
Diese Form weicht von einigen seiner anderen Filmen ab, in denen vorher eine zentrale Figur eine Rolle spielt, wie Johnny Depps Buchhaltungs-Protagonist aus „Dead Man“ oder Bill Murrays seelenverlorener Rentner in „Broken Flowers“, der eine Solo-Odyssee durch eine surreale Landschaft beginnt und dabei andere Charaktere trifft. „Während sich dieser Film auf die drei Polizisten konzentriert, springen wir immer wieder zu anderen Figuren“, sagt Jarmusch. „Aus diesem Grund wurde es im Schneideraum etwas komplizierter.“
Jarmusch nahm den Namen Centerville aus Frank Zappas 1971er Filmmusical „200 Motels“, einer surrealistischen Odyssee, bei der er mit den Mothers of Invention durch Amerika tourte und in einer kleinen Stadt namens Centerville Halt machte („A Real Nice Place to Raise Your Kids Up“ – Zappa besteht im Film darauf), mitten im Wahnsinn vom Leben auf der Straße. Als direkte Hommage an Zappas gesellschaftspolitisches Ausflippen machte Jarmusch „A Real Nice Place“ zum Slogan seines eigenen Centerville, sichtbar auf dem Willkommensschild der Stadt in der Eröffnungsszene des Films.
In „The Dead don’t die“ verändert sich die Welt einer amerikanischen Kleinstadt auf immer surrealere Weise für ein paar Tage. Unbemerkt für die Bewohner von Centerville, hat ein, vom Menschen verursachtes, kosmisches Ereignis (im Zusammenhang mit hydraulischen Frakturen, dem Bohren von Öl im Polarkreis – im Film von den Behörden als „Polarfracking“ bezeichnet) die Pole der Erde von ihrer Achse verdrängt und die Erdrotation gestört. Da sich die Sonne weigert, ihren erwarteten Zeitplan einzuhalten, besuchen der Polizeichef Cliff Robertson (Murray) und sein Stellvertreter Ronnie Peterson (Driver) den Wald vor Centerville, um den streitsüchtigen Einsiedler Bob (Tom Waits) nach einigen vermissten Nutztieren des rassistischen Farmers Miller (Steve Buscemi) zu befragen.
Für den Rest von Centerville geht der Alltag weiter, während die Welt draußen unsichtbar auf ihren Untergang zuläuft. Der Baumarktbesitzer Hank Thompson (Glover) trifft sich im lokalen Diner, das von Fern geleitet wird, gespielt von Eszter Balint, die als schlagfertige Teenagerin Eva in Jarmuschs 1984er FIlm „Stranger Than Paradise“ auftrat. Es ist der erste von vielen Cameo-Auftritten in „The Dead don’t die“, die die bisherigen Werke des Filmemachers widerspiegeln. Sogar Rapper RZA, Leiter des Staten Islands Wu-Tang Clan, der den Soundtrack für Jarmuschs „Ghost Dog“ produziert hat und in „Coffee and Cigarettes“ auftrat, ist vor Ort und spielt (wen sonst?) den lokalen Wu-P.S. Liefermann.
Jarmuschs Markenzeichen, die exzentrische Komödie, wird in „The Dead don’t die“ in voller Länge gezeigt: Die schottische Leichenbestatterin Zelda Winston (Swinton) spielt mit ihren Samuraischwertern in ihrem buddhistisch geprägten Versteck, wo sie ungewöhnlich hochmodische Make-ups für Verstorbene im Ever After Funeral Home anbietet. Ein typisch trocken-humoriger Bill Murray hält mit einem Augenzwinkern Recht und Ordnung in einer Bilderbuch-Kleinstadt aufrecht, deren einzigartiger Abtrünniger der schlecht gelaunte Hermit Bob zu sein scheint, Verursacher für einige Verdächtigungen in der Stadt
Jarmusch hat in seinen Filmen häufig Musiker besetzt und neben RZA und Tom Waits, fügt er in „The Dead don’t die“ eine Gruppe glänzender, weltbekannter Popstars hinzu, wie die Schauspielerin Selena Gomez, die er als junge Reisende besetzt, die pünktlich zur Zombie-Apokalypse nach Centerville kommt. Jarmusch ist, wer hätte das gedacht, ein Fan von Gomez‘ Musik, darunter unter anderem von ihrem Hit „Bad Liar“, den er als „unbestreitbar meisterhafte, bahnbrechende Popmusik“ bezeichnet.
„Ich habe mir junge, schöne Menschen auf einem Roadtrip vorgestellt, die zufällig in Centerville landen“, sagt Jarmusch. „Ich wollte verschiedene Generationen in den Film einbeziehen und Selena repräsentiert, zusammen mit ihren Reisegefährten Austin Butler und Luka Sabbat, die Altersgruppe der Zwanzigjährigen.“
Während Gomez und ihre Freunde unverblümte Freiheit und Unbekümmertheit symbolisieren, die in Centervilles nüchterne und hartnäckige Einfachheit eindringen, deutet ein weiteres Trio junger Charaktere, gespielt von den Newcomern Maya Delmont, Taliyah Whitaker und Jahi Winston, auf etwas Düstereres hin. Sie sind inhaftierte Minderjährige, die in Centerville festsitzen und sich von ihrem Gefängnis aus im Fernsehen ansehen, wie der gesellschaftliche Zusammenbruch das Land insgesamt und dann Centerville im Besonderen erfasst.
Jarmusch fertigt eine leichte Komödie mit einer starken Botschaft über die Notlage der Jungen und Andersartigen und zeigt dabei eine spürbare Zuneigung zu den jüngsten Charakteren in „The Dead don’t die“. „Ich liebe Teenager und ich fühle mit ihnen. Junge Menschen haben uns kulturell in Musik, Stil und Mode geführt, sei es Mary Shelleys ‚Frankenstein‘, die Hälfte von Mozarts Geschriebenem oder das Werk von Rimbaud, einem der größten Dichter aller Zeiten“, sagt Jarmusch.
Als die Nacht in Centerville hereinbricht, geht plötzlich die Zombie-Apokalypse los und die Anwohner erheben sich aus ihren Gräbern, auf der Suche nach ihrem leiblichen Wohl und menschlichem Fleisch und richten Zeitlupenverwüstung an der belagerten, hoffnungslos unvorbereiteten menschlichen Bevölkerung an. Einer der frühesten gezeigten Zombies ist eine schelmische Stadttrunkene, gespielt von Nationalschatz Carol Kane, die Jarmusch in Alexandre Rockwells 1992er Spielfilm „In the Soup“, mit Steve Buscemi in der Hauptrolle, besetzte. Kane und Buscemi sind zwei von vielen ehemaligen Jarmusch-Kollaborateuren, die erneut in der Besetzung, dieses Mal in seiner bisher umfangreichsten Produktion, aufgenommen werden.
Eine Familienangelegenheit
Jarmusch schrieb viele der Charaktere in „The Dead don’t die“, mit Blick auf bestimmte Freunde und Schauspieler, darunter die drei Polizisten von Centerville, die im Mittelpunkt der Geschichte stehen und die zentralen Protagonisten in dieser Ensembleproduktion bilden.
„Jim liebt es, eine Familie aus Schauspielern und Crew zu bilden und diesen Geist während der Dreharbeiten zu fördern“, sagt Carter Logan. „Er wendet sich an Schauspieler, die er für bestimmte Rollen im Sinn hat, was die Dinge auf gewisse Weise schneller laufen lässt. Er muss nicht Wochen mit Proben verbringen.“
Bill Murray hat bereits drei Mal mit Jarmusch zusammengearbeitet, an „Broken Flowers“, „The Limits of Control“ und „Coffee and Cigarettes“. In einer ironischen Wendung auf den Namen seiner flirtenden Figur in „Broken Flowers“ – das war Don Johnston – entschied sich Jarmusch diesmal dafür, seinen Hauptpolizisten Cliff Robertson nach einem anderen Hollywood-Star zu benennen.
„Ich war begeistert, als ich das Drehbuch bekam, was ziemlich lustig war, denn ich wusste nicht, dass Jim Komödien in dieser Form schreiben kann“, sagt Murray. „Nachdem ich bereits in dem, meiner Meinung nach, größten Zombiefilm aller Zeiten, ‚Zombieland‘, aufgetreten war, hatte ich das Gefühl, dass mich ‚The Dead don’t die‘ fast typisieren könnte. Vielleicht werde ich zum Synonym für das Zombie-Horrorgenre!“
Auch Adam Driver kehrte zur Jarmusch-Familie zurück, nachdem er erst kürzlich im letzten Film des Filmemachers, „Paterson“, die Hauptrolle übernommen hat. Während der Dreharbeiten zur poetischen Komödie scherzte der Schauspieler und Regisseur darüber, eines Tages einen Actionfilm namens „Peterson“ zu drehen, der einen gewalttätigen, soziopathischen Charakter hat, er im krassen Gegensatz zu „Patersons“ nachdenklichen, poetischen Protagonisten steht. Als Jarmusch „The Dead don’t die“ mit Driver im Sinn für Centervilles Deputy schrieb, taufte er seine Figur sofort Peterson.
Chloë Sevigny erschien in Jarmuschs „Broken Flowers“, nachdem sie 2002 zunächst mit dem Regisseur an seiner Episode des Kurzfilms Omnibus „Ten Minutes Older“ gearbeitet hat, mit dem Titel „Int. Trailer. Night.“. Als sanftmütige Polizeibeamtin Mindy Morrison in „The Dead don’t die“ tauscht Sevigny ihre vertraut, harte, weltliche Unbekümmertheit gegen etwas Vernünftiges und oft Hysterisches aus. „Sie ist die einzige Figur, die man in dem Film sieht, die wirklich von der Zombie-Apokalypse betroffen ist, sie ist traumatisiert“, sagt Sevigny. „Als ich mich mit Jim zusammensetzte, um das Drehbuch durchzugehen, konnte er erkennen, dass ich dachte, sie sei keine sehr starke Frau. Er erzählte mir, dass es bereits viele starke Frauen im Film gibt und ich würde die Schrei-Queen sein. Ich wusste, dass ich das für das Team machen muss.“
Tilda Swinton kehrt zum vierten Mal in den Jarmusch-Stall zurück, nachdem sie in „Only Lovers Left Alive“ mitgespielt hatte, dem eleganten, weltmüden Vampirfilm des Regisseurs aus dem Jahr 2013, in dem auch Tom Hiddleston mitwirkte. Jarmusch wandte sich schon früh in seiner Schreibphase an Swinton und fragte die formwandelnde, über den Globus reisende Schauspielerin, welche Art von Figur sie spielen wollte. „Ich habe ihm gesagt, dass ich diese Leichenbestatterin spielen will, die verstimmt ist, weil, wie der Titel schon sagt, die Toten nicht sterben“, sagt Swinton. „Ich habe es vorgeschlagen und 18 Monate später schickte er mir das Drehbuch.“
Als Zelda Winston schlägt Swinton eine schillernde Schneise im gemäßigten Centerville, mit ihrem dicken schottischen Akzent, fließendem weißblondem Haar, einer Reihe von floriden Kimonos und einem Samurai-Schwert, das sich bei Enthauptungen nützlich erweist, die schnell und wütend in der grellen zweiten Hälfte des Films vorkommen. „Niemand weiß viel über Zelda oder wo sie herkommt“, sagt Swinton. „Es gibt einen Moment im Film, in dem ihre Seltsamkeit diskutiert wird und erklärt wird, dass sie Schottin ist, was für die Menschen in Centerville eher exotisch ist. Es gibt ein Rätsel an ihr, unter all diesen Verrückten ist sie eine besondere andere Art von Verrückter.“
Steve Buscemi, der in „The Dead don’t die“ als rassistischer Bauer Miller auftritt, rundet die Besetzung der zurückkehrenden Jarmusch-Veteranen ab, nachdem er bereits 1989 mit Jarmusch an seinem Memphis Hotel Triptychon Mystery Train gearbeitet hatte, wo er, an der Seite von Joe Strummer, die Hauptrolle spielte. Buscemi und Jarmusch kennen sich seit den späten 70er Jahren, als Jarmusch ein NYU-Filmschüler war, der sich auf die Regie seines Debütfilms Permanent Vacation vorbereitete. Buscemi war ein aufstrebender Schauspieler, der noch vor dem Durchbuch beim unabhängigen Film stand.
Jarmusch sagt von einem seiner ältesten Kollegen und Freunde, der im Film eine rote Kappe mit den Worten „Halten sie Amerika wieder weiß“ trägt: „Ich habe den Charakter von Farmer Miller als unglaublich rassistisch und engstirnig geschrieben, weil Steve die am wenigsten rassistische und engstirnige Person ist, die ich kenne.“
Amerikanische Nacht
Wie einige Schauspieler kehren viele Crewmitglieder, die früher mit Jarmusch zusammengearbeitet haben, mit neuen oder erweiterten Rollen in „The Dead don’t die“ zurück. Alex DiGerlando, der seine Karriere im Art Department von „Broken Flowers“ begann und schließlich die erste Staffel von HBOs „True Detective“ entwarf, übernimmt das Produktionsdesign von Centerville und seiner Umgebung. Judy Chin, Abteilungsleiterin für Maske und Kostümbildnerin Catherine George haben beide eine reiche, illustre Vergangenheit mit dem Filmemacher, wobei Chins Arbeit auf Ghost Dog und Georges Arbeit auf „Coffee and Cigarettes“ zurückgeht, wo sie als Cate Blanchetts Garderobenbetreuerin arbeitete, bevor sie die Kostüme für „Paterson“ entwarf. Tonmischer Drew Kunin arbeitet seit 1984 mit Jarmusch zusammen, seit er sich um den Sound für „Stranger Than Paradise“ kümmerte.
Der Jarmusch-Kameramann Frederick Elmes, der dutzende Klassiker wie „Eraserhead“ und „Blue Velvet“ für David Lynch drehte, kehrt in die Familie Jarmusch zurück, nachdem er zuvor „Paterson“, „Broken Flowers“, „Night on Earth“ sowie einen großen Teil von „Coffee and Cigarettes“ gefilmt hatte, darunter die Episode „Somewhere in California“.
„Fred ist einer unserer größten lebenden Kameramänner, extrem fokussiert und innovativ, mit einfachen, schönen Möglichkeiten, das Geschehen auf der Leinwand zu verbessern“, sagt Jarmusch. „Wir arbeiten schon lange zusammen, er war in vielerlei Hinsicht mein Lehrer, wenn es darum geht, wie man einen Film macht.“
Elmes entschied sich, einen Großteil des Films mittels „Amerikanischer Nacht“ zu drehen, ein filmischer Sprachgebrauch zur Simulation von Nachtszenen bei Tageslicht, ein Rückgriff zum Mikrobudget Filmemachen im Stil von Die Nacht der lebenden Toten. So wurden die meisten nächtlichen Szenen des Films, darunter viele der Zombie-Apokalypse-Szenen, bei Tageslicht gedreht und in der Postproduktion so manipuliert, dass sie Dunkelheit ähneln.
Elmes‘ schlaue Herangehensweise Fehler zu beheben, stammt aus jahrzehntelanger Erfahrung in der Branche, die er seit den 1970er Jahren hat, als er mit David Lynch Kurzfilme drehte. Es war für mehrere Interieur-Auto-Sequenzen nützlich, insbesondere für die Pontiac-Le Mans-Szenen mit Selena Gomez und ihren Reisebegleitern sowie die Polizeiautoszenen mit den Polizisten Robertson, Peterson und Morrison. Tatsächlich wurden die meisten Fahrszenen in „The Dead don’t die“ auf einer Klangbühne gedreht, wobei die Schauspieler durch die Windschutzscheibe des Autos auf das Innere leerer Lagerhäuser blickten, während die Kameras liefen. Elmes und das unglaubliche VFX-Team haben während der Postproduktion digitales Außenmaterial eingefügt, ein sorgfältiger Prozess.
Die Untoten zum Leben erwecken
Die größte Herausforderung für Jarmusch bei der Entwicklung seines neuesten Spielfilms war die Arbeit mit Spezialeffekten, praktisch sowie digital, um die aufwändigen, aber bewusst altmodischen Zombie-Kreaturen des Films zu kreieren. „The Dead don’t die“ markiert den ersten Ausflug des erfahrenen Regisseurs in die Welt des prothetischen Make-ups, VFX, praktischer Effekte (einschließlich Silikonorgane und Eingeweide), mit denen die vielen Halsschlitze und Enthauptungen des Films in der Postproduktionsphase effektiver zum Leben erweckt wurden.
„Jeder hat ‚The Walking Dead‘ gesehen, also gibt es eine hohe Messlatte, die gesetzt wurde, wie ein Zombie in der heutigen Zeit sein sollte“, sagt Produktionsdesigner Alex DiGerlando. „Wir haben eine Version des Zombies erfunden, die nicht ganz so grotesk und streng ist, etwas, das einen Fuß im Grab früherer Zombie-Klassiker hat, wie in ‚Die Nacht der lebenden Toten‘.“
„Den Kopf töten“, ist ein immer wiederkehrender Satz in „The Dead don’t die“, der für mehrere Charaktere zu einem Mantra wird, da sie entdecken, dass das einzig wirksame Mittel zur Vernichtung der Untoten eine gewaltsame Enthauptung ist. In einer der denkwürdigsten Szenen des Films, schlägt Swinton mit ihrem Katana-Schwert mehrere Zombieköpfe in rascher Folge ab, während sie, elegant in einem wogenden Kimono, entworfen von der häufigen Swinton-Kollaborateurin Catherine George, durch die Straßen von Centerville schlendert. Köpfe rollen nicht einfach in „The Dead don’t die“, sie lösen sich ab und brechen auf, wobei sie einen mysteriösen schwarzen Staub enthüllen.
„Ich wollte vor allem eines für unsere Zombies, sie sollten blutleer und flüssigkeitslos sein“, sagt Jarmusch. „Wenn sie enthauptet werden, ist da nur dunkler Staub im Inneren.“
Der Filmemacher war bestrebt, kein Blutbad im Stil von Tom Savini, dem sogenannten Meister des Splatterfilms, zu kreieren, dessen prothetisches Make-up und spritzende Geysire aus Blut in den 70er und 80er Jahren zu Grundpfeilern für Filme von George Romero, Tobe Hooper und Dario Argento wurden. Für seine eigenen Effekte, einschließlich des prothetischen Make-ups, wandte sich Jarmusch an das New Jersey-Effekthaus Prosthetic Renaissance, dessen Werk in „Black Swan“ und „The Wrestler“ und mehreren Filmen von Martin Scorsese verwendet wurde.
Für die Arbeit mit visuellen Effekten, einschließlich den Enthauptungen, wandte sich Jarmusch an die VFX Supervisor Alex Hansson und Sam O’Hare von Chimney, einem VFX-Haus mit Büros auf der ganzen Welt, darunter Los Angeles, New York und Göteborg, Schweden. Vor kurzem arbeitete Chimney VFX an „Atomic Blonde“, unter anderem an der 10-minütigen Kampfsequenz, in der Charlize Theron mehrere Feinde auf engstem Raum bekämpfte.
Der Stuntkoordinator Manny Sivero, ebenfalls ein Veteran mehrerer Jarmusch-Produktionen, choreographierte die Schlacht- und Enthauptungsszenen mit praktischen Effekten (einschließlich abgetrennter Köpfe), damit die abgeschnittenen Köpfe von Prosthetic Renaissance auf den Boden aufschlagen. Diese Aufnahmen erforderten eine sorgfältige Koordination, um spätere Aufnahmen, die in der Postproduktion durch VFX verbessert wurden, abzugleichen.
Während der Vorproduktion fertigte Prosthetic Renaissance Büsten aus den Köpfen von Schauspielern wie Chloë Sevigny und Carol Kane an. Da das Team, vertreten durch den Firmengründer Mike Marino und den Schlüsselkünstler Mike Fontaine, keine Zeit hatte, von Selena Gomez eine Büste anzufertigen, entwickelte es eine Möglichkeit, mit prothetischem Make-up am Hals der Schauspielerin eine aufgerissene Kehle zu formen. Mit VFX in der Postproduktion hat das Chimney-Team Gomez‘ Körper digital entfernt. Sie ließ nur ihren Kopf zurück und erschien getrennt in einer Szene, in der Adam Driver ihren Kopf in der Luft baumeln lässt, während Gomez‘ Augenlider nach ihrer Enthauptung kurz flattern
„Was an „The Dead don’t die“ cool ist, ist, dass es eine echte Schnittstelle zwischen den Computereffekten und den praktischen Effekten und dem Make-up und den Kostümen gibt“, sagt DiGerlando. „Es hat Spaß gemacht, herauszufinden, wie sie sich alles als Puzzle zusammenfügt, ein größeres Bild entsteht und eine größere Stimmung für den Film geschaffen wird, als das, was im Drehbuch steht.“
Anatomie einer Szene: Kaffee!
Die ersten Zombies auf dem Bildschirm in „The Dead don’t die“ sind Untote, die auf der Suche nach Kaffee sind, gespielt von den langjährigen Jarmusch-Mitarbeitern Iggy Pop und Sara Driver („Boom For Real: The Late Teenage Years of Jean-Michel Basquiat“).
Jarmuschs Budget gab keine große Vielzahl von umfangreich hergestellten Zombies her, was den Filmemacher zwang, bestimmte Looks für größere Schauspieler wie Pop und Driver zu reservieren. Viele Zombies im Film tragen nur ein einfaches, suggestives Make-up, das von Abteilungsleiterin Judy Chin und ihrem Team verwendet wurde sowie Kostüme aus bestimmten Zeiten von Catherine George.
„Ich musste von Fall zu Fall entscheiden, welche Zombies prothetisches Make-up benötigen und welche nicht, aber die Idee war, eine Mischung zu haben, die die Einfachheit von ‚Die Nacht der lebenden Toten‘ als Leitfaden verwendet“, sagt Jarmusch. „Es ist eine Mischung, teils freiwillig, teils durch wirtschaftliche Einschränkungen.“
Als die nach Kaffee dürstenden Zombies auf dem Friedhof von Centerville aus dem Grab steigen, mit Driver in hochhackigen Stiefeln und einem zerzauster Bouffant, und Pop in Lederweste und gestreiftem Samtunterteil, wird Georges akribische Kostümarbeit präsentiert. Sie modellierte den Retro-Look des Paares nach Keith Richards und Anita Pallenberg, dem ultimativen Rock & Roll-Paar zu Beginn der 70er Jahre. Vor den Dreharbeiten ließ George die Kostüme beider Schauspieler von einem Künstler mit Farbe, Schmutz und Schleifpapier behandeln, um einen getragenen, erdigen Look für die Zombie-Kostüme zu kreieren.
„Catherines Arbeit spielt eine große Rolle dabei, uns das Gefühl zu geben, dass jeder der Untoten eine bestimmte, originelle Person ist. Ich weiß nicht, ob ein Film das schon einmal ausprobiert hat“, sagt Joshua Astrachan. „Du fühlst dich, als wären diese Zombies Individuen, die aus verschiedenen Zeiten und Epochen aus dem Grab kommen. Es ist ergreifend.“
Der Friseur Jasen Sica setzte den Prozess fort und hielt Iggy Pops Haar weitgehend unberührt und schmierte es mit einem Produkt zusammen, um seine ikonische Silhouette erkennbar zu halten. Mit Haarspülung und Staubpulver (im Wesentlichen Schmutz) verwandelte er Driver in eine schmutzige blonde Sexbombe aus dem Jahr 1972 und fügte eine, der Zeit typischen, Haartolle nach Brigitte Bardot hinzu. „Ich wollte, dass sie hübsch aussieht“, sagt Sica, „denn ich wollte nicht, dass sie schrecklich aussieht.“
Während die zum Scheitern verurteilten Liebhaber auf der Suche nach Koffein und menschlichem Fleisch auf das Centerville Diner zusteuern, kommt die Arbeit von Chin und ihrem Make-up-Team, in Zusammenarbeit mit Marino und Fontaine von Prosthetic Renaissance ans gruselige Licht. „Jim wollte zur alten Hollywood-Version des Zombies zurückkehren und sich von den intensiv aussehenden Kreaturen in Serien wie ‚The Walking Dead‘ fernhalten“, sagt Chin. „Er hat Recht, wenn er darauf besteht, dass die Zombies aus ‚Die Nacht der lebenden Toten‘ erschreckender sind, als in jedem anderen Film. Wenn man sich die Extras in den Hintergrundszenen genau ansieht, tragen einige von ihnen überhaupt kein Make-up. Aber sie sind schrecklich! Make-up muss nicht immer blutig oder verrückt aussehen, um beängstigend zu sein.“
Mike Marino fügt hinzu: „Jim verwendet in der Regel keine schweren Effekte in seinen Filmen, so dass es für ihn eine Premiere war, den Weg der praktischen Effekte und des Horror-Make-ups zu gehen. Bei Effektfilmen benötigt man eine aufwändige Planung und viel Vorarbeit. Er verließ sich auf uns, um ihm zu helfen, zu verstehen, wie man das angeht.“
Das Make-up-Team entschied sich gegen prothetisches Make-up für Iggy Pop und gestaltete seine Haut ganz blass, hob seine Knochenstruktur hervor, um seine Gesichtszüge erkennbar zu halten. „Er hat ein unglaubliches Gesicht und einen unglaublichen Schädel“, sagt Marino. „Er brauchte nicht viel Farbe auf seinem Gesicht, zusätzlich zu einigen Ader- und Krusteneffekten. Diese Gestaltung eines Zombies kann man nur bei Jemandem wie Iggy Pop machen.“
Sara Drivers Make-up-Strategie war noch einfacher, man verwendete organische Farben und Texturen sowie Gels und Sprays, um ihre Retro-Schönheit intakt zu halten. „Saras Charakter starb Anfang der 70er Jahre, also spielten wir mit blauem Lidschatten und falschen Wimpern und formten ihre Gesichtszüge natürlich auf eine gebrochene, knisternde Weise“, sagt Chin. „Ich habe ihr eine kleine farbige Blüte auf die Wangen gegeben, um ihre Wangenknochen zu formen.“ Für verrottende Zähne wandte sich Chin an ein Unternehmen namens Mouth Effects, das sich auf Zahnkorrekturen spezialisiert hat.
Pops imposante Körperlichkeit wurde in der Szene durch ein Ganzkörper-Latex-Airbrush, hergestellt durch Mike Fontaine, starr und verstörend gemacht, indem er den Körper des Darstellers von Kopf bis Fuß besprühte und von Pop verlangte, dass er bewegungslos im Make-up-Trailer, mit seinen Armen in der Luft, über lange Zeiträume saß. Pop erklärt den Prozess: „Jim sagte der Make-up-Abteilung: Iggy sieht zu gesund aus, um ein Zombie zu sein, ihr musst ihn aufmischen. Sie stürzten herein, umgaben mich wie einen Hexenzirkel und bedeckten mich für ein oder zwei Stunden im Stuhl mit Make-up. Dann kam die Latexsprayfarbe und man fängt an, sich wie ein Charakter in einer Edgar Allan Poe Geschichte zu fühlen. Da ist Dreck in den Haaren und Augen, Dreck auf der Kleidung, überall künstliches Blut.“
Vor der Produktion hielt das Team von Prosthetic Renaissance mehrere Treffen zum Thema Fleischfressen ab, konkret, mit welchen Materialien sie die Wirkung von Zombies, die menschliche Körperteile essen, vor der Kamera nachahmen könnten. Mike Marino meint, „Jim wollte Iggy zeigen, wie er an Eingeweiden kaut, also kamen wir am Set mit einer Wasserkühlbox an, die mit echter Wurst gefüllt war, zusammen mit Barbecue-Sauce als Blut und weichen Bananenstücken, die an fettiges Fleisch erinnern, das war bei 100 Grad Außentemperatur wohlgemerkt.“
Driver isst das Fleisch eines Gaststättenmitarbeiters, gespielt von Eszter Balint, der 1984 in „Stranger Than Paradise“ mitspielte, den Driver, damals Mitte 20, produziert hatte. Während der Dreharbeiten dehnte sich die gruselige Szene für eine Ewigkeit aus, wobei Driver gefälschte Eingeweide aus Balints verwüsteter Leiche aß, die vom von Team Prosthetic Renaissance hergestellt wurde. „Jim hat nicht ‚Cut‘ gesagt, also habe ich den armen Eszter immer wieder gegessen“, sagt Driver.
Ein Durcheinander von Zombies
Pop and Driver für die erste große Zombie-Szene in „The Dead don’t die“ zu zeigen war eine Sache, die Zombie-Apokalypse war etwas ganz Anderes. Während der Film zu einem vollständigen Ausbruch der Untoten fortschreitet, hatten die Make-up-, Haar- und Kostümteams ihre Arbeit vorbereitet, was eine enge Koordination und Zusammenarbeit erforderte, da sie fieberhaft mehrere Zombies in rascher Folge stilisierten und bekleideten mussten.
„Es gab Tage, an denen wir 20 Leute hatten, die gleichzeitig im Make-up-Trailer schminkten, es war intensiv“, sagt Fontaine. „Wir benutzten eine Menge Schichtmaterial, einschließlich Farbe, doch wir fanden Abkürzungen, um die von Jim gewünschten Effekte der schwarzen Kruste zu erzeugen, wie beispielsweise Kaffeesatz mit Klebstoff zu mischen, auf Pinsel zu geben, um sie dick auf die Körper und Gesichter der Schauspieler aufzutragen.“
Marino fügt hinzu: „Es war eine koordinatorische Herausforderung, wie viele Zombies wir in kurzer Zeit fertigmachen mussten, wie eine Push und Pull Strategie. Wir haben versucht, Jim schnell das zu geben, was er wollte, und gleichzeitig so hart wie möglich daran gearbeitet, dass die Zombies ästhetisch gut aussehen“.
Judy Chin und ihre drei Assistenten hatten die Aufgabe, eine Vielzahl von Statisten zu bearbeiten, von denen jeder wie am Fließband schnell zombifiziert werden musste. Neben der Zentralbesetzung, wurden dutzende von Looks produziert, die in der brütenden Sommerhitze gefilmt werden sollten, und das, obwohl Make-up dann besonders resistent gegen menschliche Haut ist.
„Wenn man kein richtiger Maler ist, ist es eine Herausforderung, jemanden organisch tot aussehen zu lassen“, sagt Chin. „Es scheint einfach zu sein, die Augen und Wangenknochen auszuhöhlen und das Gesicht zu bestreichen, damit der Schauspieler hager und tot aussieht. Aber es ist schwer, jemanden dazu zu bringen, die Konturen seiner Knochenstruktur mit Farbe zu gestalten, ohne sie wie eine Kontur aussehen zu lassen. Unsere Aufgabe war es, die Zombies so aussehen zu lassen, als wäre ein Visagist nicht da gewesen.“
Centerville finden
„The Dead don’t die“ wurde in Upstate New York im Juli und August 2018 gedreht. Vor der Produktion traf sich Standortleiter Jeff Brown mit Jarmusch und Alex DiGerlando, um einen Standort für Centerville zu finden, der sich nahe von New York City befand, aber auch als sprichwörtliche Drei-Polizisten-Stadt dienen konnte.
„Wir suchten nach einer Stadt, die sowohl grafisch als auch spezifisch war, etwas, das sofort auffiel“, sagt Brown. „Der Ort musste eine Polizeistation oder ein Motel haben.“
Nach zwei Wochen der Suche hatten sie nichts Passendes in den grünen, schlanken Vororten von Rockland und Westchester gefunden, so dass Brown und sein Team die nächsten Landkreise absuchten in der Hoffnung, etwas Malerischeres und Ländlicheres zu finden.
„Wenn es Gebäude über drei Stockwerke gäbe, hätte das die Stadt für uns umgebracht“, sagt Brown. „Wenn es zu aufgebaut oder modern wäre, mit Filialisten in der Nähe, würde es überhaupt nicht funktionieren.“
Auf den Vorschlag von Hudson Valley Film Commission durchkämmten sie die Bezirke Ulster, Delaware, Dutchess, Sullivan, Greene und Orange, von denen viele kleine Dörfer und landwirtschaftliche Flächen enthielten. Mit Hilfe der HVFC und Google Maps konnte das Team die Standorte auf 15 Städte reduzieren.
Auf einem anschließenden Scout, an dem Jarmusch, Brown, Elmes, DiGerlando und der Produzent Carter Logan teilnahmen, stieß das Team auf das Dorf Fleischmanns, das sich in der Nähe von Middletown, im überwiegend bergigen Delaware County befindet und nur 322 Einwohner zählt. Der letzte Film, der dort gedreht wurde, war der Christian Slater-Indiefilm „In letzter Konsequenz“, der 1997 in die Kinos kam. Das kleine Dorf, das sich in den Catskills, 20 Meilen außerhalb von Woodstock und weit weg von jeder Autobahn, befindet, war begierig darauf, die Produktion in bescheidener Größe aufzunehmen.
„Im Drehbuch ist Centerville eine kleine Stadt mit einem Diner, einem Eisenwarenladen und einer Polizeistation, aber es gibt nicht mehr so viele Städte, die so klein und malerisch sind, wie wir wollten“, sagt Brown. „Das Dorf Fleischmanns war genau das richtige, weil es eine Hauptstraße mit Geschäften und Schaufenstern hatte, aber auch Häuser, die sich in ein landwirtschaftliches Gebiet außerhalb der Stadt auftun.“
Die kleine Innenstadt machte es einfach, die Zombies zu kontrollieren, während sie gegen Ende des Films in großer Zahl herumlaufen. Zu den verschiedenen Gebäuden des Dorfes gehörten eine Polizeistation (von der Produktion in einem leeren Schaufenster erstellt), ein Motel und ein Bauernhof. Abgesehen von den Restaurantszenen und der Tankstelle hatten die Filmemacher in dem kleinen Dorf in Delaware County fast alles gefunden, was sie brauchten. Fleischmanns Einwohner und seine Umgebung waren bereit und begierig darauf, sich bei der brütenden Augusthitze zu Zombies schminken zu lassen.
Nachdem sie sich den Standort gesichert hatten, baute DiGerlando Innenräume für das Bestattungsunternehmen, in dem Swintons Zelda Winston Leichen einbalsamiert und Kampfkunst praktiziert – eine seltsame Mischung aus einem viktorianischen Haus und einem pan-asiatischen Gotteshaus. Er baute Hank Thompsons Baumarkt von Grund auf neu und packte komplizierte Details in einen kleinen Raum für eine Schlüsselszene, in der die Zombies von Danny Glover und Caleb Landry Jones angreifen, die im Inneren verbarrikadiert sind.
Der Dekorateur Kendall Anderson durchkämmte die Region nach schließenden Baumärkten, damit die Produktion Bestände aufkaufen und eine sorgfältige Nachbildung eines kleinstädtischen Baumarktes erstellen konnte.
Ebenfalls von Grund auf neu wurde das Innere der Polizeistation gebaut, das drei Schreibtische und zwei sehr anachronistisch aussehende Gefängniszellen enthielt, von denen eine Carol Kane in einer denkwürdigen Szene unterbringt, bevor sie enthauptet wird.
Geister in einem Traum
Während der Film vollständig der eigenen Interpretation des Zuschauers überlassen werden soll, können diejenigen, die in „The Dead don’t die“ ein übergreifendes Thema suchen, sich den unauslöschlichen und ruinösen Titelsong des Films ansehen, der vom Grammy-prämierten Country-Sänger Sturgill Simpson geschrieben wurde, dessen beschwörerische und melancholische Texte die Geschichte im Großen und Ganzen und insbesondere die amerikanische Geschichte widerspiegeln, wie sie in diesen nervigen Zeiten ist.
Es ist ein Lied über Apathie, Gleichgültigkeit und Vergänglichkeit in einer sich schnell verändernden Welt, in der die Charaktere mit schwindenden Freiheiten und freiem Willen kämpfen, als ob jeder von uns ein Zombie wäre, der sich auf den Komfort aus unserer Vergangenheit zubewegt. „An jeder Ecke wartet eine Tasse Kaffee“, klagt Simpson in dem Lied. „Eines Tages werden wir aufwachen und feststellen, dass die Ecke weg ist.“
Jarmusch, ein wahrer Simpson-Fan seit dem 2013 erschienen Debütalbum „High Top Mountain“ des Singer-Songwriters, wandte sich schon früh an den produktiven Künstler und wollte einen Song, der im Film wiederholt gespielt werden konnte, um die größeren Themen der Geschichte zu unterstreichen. Unter anderem werden die Hipster-Charaktere, angeführt von Selena Gomez, beim Kauf einer CD beim Minimarkt-Angestellten Caleb Landry Jones darauf aufmerksam, während Adam Drivers Charakter Ronald Peterson den Titel während einer Fahrt durch Centerville mit Police Chief Robertson erwähnt.
Jarmuschs einzige Bitte an den Songwriter war, nachdem er ihm das Drehbuch geschickt hatte, dass das Lied im klassischen Country-Stil des letzten Jahrhunderts konzipiert wird und den Titel des, von ihm geschriebenen Drehbuchs, trägt. „‚The Dead Don’t Die‘ ist ein wunderschönes Juwel eines Songs, als ob er 1961 entstanden wäre und sich irgendwie in den Rissen der Geschichte verirrt hätte“, sagt Jarmusch, dessen Band SQÜRL den atmosphärischen, diegetischen Soundtrack des Films liefert. „Es ist die einzige Quellenmusik im ganzen Film und wir hören den Song teilweise etwa fünf bis sechs Mal im Laufe des Films.“
Simpsons ergreifender, stimmungsvoller Song mit seiner klassischen Country-Besetzung und seinem tiefempfundenen Gesang unterstreicht die Flüchtigkeit unseres Lebens und fleht uns an, aufzuwachen und auf die Details um uns herum zu achten. „Es wird alte Freunde geben, die in einer ziemlich vertrauten Stadt herumlaufen“, schließt Simpson, „die man einmal gesehen hat, als man von seinem Handy aus aufblickte.“
‐ Markus Haage