Eine kleine Sensation ging die letzten Tage von statten. Der Streaming-Dienst Netflix hat von Warner Bros. die Romanverfilmung „Mowgli“ für ihr Programm aufgekauft. Ursprünglich sollte der Film im Oktober weltweit in die Kinos kommen. Die Trailer liefen auch bereits in Deutschland in den Lichtspielhäusern, doch kurz vor Kinostart hat sich Warner Bros. umentschieden. „Mowgli“ stellt eine erneute Verfilmung von Rudyard Kiplings „Das Dschnungelbuch“ dar. Regie führte Andy Serkis, der auch eine Rolle im CGI-lastigen Film übernahm. Der Film kann mit einem von Stars besetzten Cast aufwarten. So spielen Christian Bale, Benedict Cumberbatch, Cate Blanchett, Freida Pinto, Naomie Harris und Tom Hollander mit. Serkis‘ Vision war weitaus düsterer, realistischer und erwachsener. Das Budget soll über 150 Millionen US-Dollar betragen haben.
Das Netflix auch Studioproduktionen aufkauft, ist nicht neu. So nahmen sie unter anderem „The Cloverfield Paradox“ (2018) von Paramount Pictures in ihr Programm auf. Auch Amazon hat in der Vergangenheit kleinere Filme, vor allem Independent-Dramen, eingekauft. Aber eine solche globale Big-Budget-Produktion stellt ein Novum dar. Interessant ist auch, dass es anscheinend dennoch einen Theatrical Run geben wird. Die 3D-Variante soll weiterhin im Kino laufen. Wohl eine Art von Limited Run. Dies ergibt Sinn, da der CGI-lastige Film natürlich schon aus Kostengründen von Anfang an als 3D-Film gedreht wurde und Netflix dies nicht anbietet. Eine Veröffentlichung von „Mowgli“ ist nun aber erst für 2019 vorgesehen. Nebeneffekt: Die Comicverfilmung „Venom“ (2018) mit Tom Hardy in der Hauptrolle besitzt nun keine ernsthafte Konkurrenz am Startwochenende mehr. Dies wird vor allem Sony Pictures freuen, die mit Venom ein neues Cinemativ Universe eröffnen möchten.
Es ist zu vermuten, dass die Analysten von Warner Bros. knallhart gegengerechnet und für „Mowgli“ kein zufriedenstellendes Ergebnis prognostiziert haben. Denn zum Porduktionsbudget kämen mit einem weltweiten Kinostart auch noch horrende Vertriebs- und Marketingkosten hinzu, die nun maßgeblich wegfallen. Dennoch ist auch nicht davon auszugehen, dass Warner diese Produktion unter Wert an Netflix verkauft hat. Es stellt somit einen bedeutenden Erwerb dar. Netflix hat erstmalig einem traditionellen Studio eine Big-Budget-Produktion abgekauft. In Zukunft wird dieses wohl weitaus öfters geschehen. Netflix benötigt dringend eigenen Content und Studios wie Paramount Pictures oder Warner Bros. verfügen (noch) über keine eigenen Streaming-Dienste. Disneys Ankündigung eines eigenen Dienstes sowie der Kauf von Marvel Studios, Lucasfilms, 20th Century Fox als auch dem Sender ABC, gibt diesem einen massiven Marktvorteil. Sie können aus eigener Kraft auf riesige Archive von Film- und Fernsehproduktionen als auch Lizenzen zurückgreifen. Disney hat bereits angekündigt, ihre Produktionen von Netflix abzuziehen. Eine Art strategische Partnerschaft zwischen Warner oder Paramount und Netflix ist derzeit wohl für alle Beteiligten dienlich.
So oder so, die Medienlandschaft verändert sich weiterhin drastisch. Es gibt im Streaming-Bereich keine Grenzen mehr. Amazon produziert für eine Milliarde Dollar eine „Herr der Ringe“-TV-Serie, Netflix kauft Big-Budget-Blockbuster den traditionellen Studios ab. Diese „neue“ Dynamik wird das traditionelle Kino weiter unter Druck setzen. Meine Prognose zu diesem Wandel findet ihr hier.
‐ Markus Haage
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