Als Tim Burtons „Batman“ am 23. Juni 1989 in den US-amerikanischen Kinos seine Premiere feierte, stand es um das Superhelden-Kino nicht gut. Superman, mit Richard Donners Verfilmung aus dem Jahre 1978 fulminant gestartet, befand sich bereits im Sinkflug. Cannon Films nahm sich der Reihe mit „Superman IV – Die Welt am Abgrund“ („Superman IV – The Quest for Peace“, 1987) mittlerweile kostengünstig an. Andere Verfilmungen, wie etwa „The Punisher“ (1989) mit Dolph Lundgren, kamen letztlich im Gewand einfacher Actioner daher. Der phantastische Aspekt ging teils vollkommen verloren. Es war oftmals schlichtweg unmöglich viele Superhelden-Welten tricktechnisch überzeugend auf die Leinwand zu zaubern. Letztlich fehlte aber sicherlich auch der Wille dazu. Superhelden galten nicht als Kassenmagneten, auch wenn Superman eigentlich das Gegenteil bewies. Aber als Übervater aller US-amerikanischen Heroen sprach man ihm vielleicht auch die Ausnahme von der Regel zu. Die Helden, vornehmlich aus dem Marvel- und DC-Universum, fristeten ihr Dasein vor allem auf der Mattscheibe. Nicht nur als Zeichentrickversionen, sondern auch als Realadaptionen. „Der unglaubliche Hulk“ („The Incredible Hulk“, 1978–1982), „Wonder Woman“ (1975–1979) und „Spider-Man – Der Spinnenmensch“ („The Amazing Spider-Man“, 1977–1979) konnten trotz limitierter Tricktechnik ein jugendliches Publikum unterhalten. In Deutschland wurden Episoden der Spider-Man-Serie gar als Kinofilme präsentiert. Sogar an „Doctor Strange“ (1978) versuchte man sich und konnte zumindest einen Pilotfilm umsetzen. In einem Fernsehfilm durfte sich Reb Brown zudem als „Captain America“ (1979) herumschlagen. Auch Crossover waren nicht unüblich. Thor und Hulk trafen bereits in dem Fernsehfilm „Die Rückkehr des unheimlichen Hulk“ („The Incredible Hulk Returns“, 1986) aufeinander, genauso wie der Daredevil in „Der unheimliche Hulk vor Gericht“ („The Trial of the Incredible Hulk“, 1989) auftrat. Letztlich blieben aber all diese Produktionen gewisse Nischenprodukte für eine bestimmte Zielgruppe. Günstig für das Sonntag-Nachmittag-Programm produziert. Doch eine neue Ära der Superheldenverfilmungen bahnte sich zwischenzeitlich an. Die Heroen sollten dem Fernsehschirm endgültig entfliehen und die Leinwände weltweit erobern. Ein simples Teaser-Poster, welches nur zentriert eine modernisierte Version des bekannten Bat-Symbols zeigte, kündigte diesen Umbruch an.
Bereits Anfang der 1980er-Jahre versuchte sich Warner Bros. an einer Realverfilmung des populären Comic-Charakters Batman. Mehrere Drehbücher wurden verfasst, die letztlich nicht realisiert wurden. Erst mit der Verpflichtung von Tim Burton als Regisseur gewann das Projekt an Fahrt. Der junge Nachwuchsregisseur, der bei Produktionsbeginn im April 1988 nicht einmal dreißig Jahre alt war, konnte bereits mit zahlreichen Achtungserfolgen, wie „Lottergeist Beetlejuice“ („Beetlejuice“, 1988), aufwarten. Sein Engagement brachte Warner Bros. allerdings Kritik seitens der Comicfans ein, weswegen Batman-Schöpfer Bob Kane als sogenannter Creative Consultant zum Projekt hinzugezogen wurde. Viele Batman-Fans dachten, dass Burton aufgrund seiner vorherigen Filme eine Verfilmung im Stile der Batman-Serie aus den 1960er-Jahren vorschwebte. Die besaß sicherlich ihren Kult-Charakter, war aber eben nicht das, was der Bat-Community vorschwebte. Dass die neue Realverfilmung weitaus seriösere Töne anschlagen wird, war Warner intern selbstredend bewusst, nur konnte die vor allem US-amerikanische Bat-Community dies nicht wissen, weswegen man sich dazu gezwungen sah, bereits sehr früh zu Produktionsbeginn auf die damals noch ungewohnte Fan-Hysterie zu reagieren. Der Dreh wurde von den Burbank-Studios in Kalifornien in die Pinewood Studios nach England verlegt. So wollte man wohl den Augen der vornehmlich US-amerikanischen Öffentlichkeit leichter entfliehen, die das Projekt sehr genau verfolgte.
Was heute Normalität ist, war damals sicherlich ungewohnt. Warner selbst unterschätzte wohl etwas die Popularität der Figur und erwartete kein so extrem hohes Interesse. Sicherlich erhofften sie es sich, aber erst bei Release und nicht schon während der Vorproduktion. Doch auch bei Verlagerung des Drehortes kehrte kaum Ruhe ein. Als bekannt wurde, dass Michael Keaton als Bruce Wayne gecastet wurde, waren die Reaktionen nicht weniger hysterisch als bei der Bekanntgabe von Tim Burton als Regisseur. Viele Bat-Fans wollten sich Keaton, der vorab vor allem durch Comedy-Rollen bekannt wurde, als Dunklen Ritter von Gotham City nicht vorstellen, sodass Produzent Jon Peters tatsächlich Angst um den Ruf seines Prestige-Projekts hatte. Hastig wurde ein Trailer zusammengeschnitten, der bereits zu Weihnachten 1988 in den Kinos anlief. Dies geschah wohlgemerkt zwei Monate nach Drehbeginn. Man merkt dem Trailer noch heute an, dass er lediglich ein Zusammenschnitt einzelner Szenen darstellt. Es fehlt jegliche Struktur.
Bemerkenswert ist dennoch, wie viele bedeutende Elemente des fertigen Films bereits im Trailer vorhanden sind. Dies gilt insbesondere für die legendäre Filmmusik von Danny Elfmann. Dies mag sicherlich auch daran liegen, dass Burton schlichtweg ein Visionär gewesen ist, der eine genaue Vorstellung von seinem Werk besaß, was sich wiederum auf seine engsten kreativen Mitarbeiter übertrug. Viele bedeutende Künstler, die am Film arbeiteten, wurden von ihm persönlich ausgewählt und begleiteten seine noch junge Karriere bereits vorab. Danny Elfman schrieb auch schon den Score zu „Lottergeist Beetlejuice“. Dies gilt auch für den Produktions-Designer Anton Furst, der sich mit seinem Team um Nigel Phelps und Peter Young nicht nur für das Setdesign verantwortlich zeigte, sondern auch das erste wegweisende Teaser-Poster entwarf. Gegenüber dem TIME-Magazine beschrieb Furst seine Gestaltung von Gotham City als „a riot of architectural styles. An essay in ugliness.“ Dies spiegelte sich auch in der Gestaltung des Batmobils wieder, welches die damals zeitgenössische militärische Power mit der Eleganz der Flatliners der 1930er-Jahre verband. Für ihre Arbeit am Film erhielten Anton Furst und Peter Young den Oscar in der Kategorie „Best Art Direction“, auch wenn Furst das Überdauern seines Schaffens und dessen immensen Einfluss auf andere Künstler leider nicht mehr vollends erleben durfte. Anton Furst beging im November 1991 Selbstmord.
In Burtons Film fühlte sich Gotham City real an. In „Batman begins“ (2005) spürt man, dass Chicago der Schauplatz ist. In „The Dark Knight rises“ (2013) weiß man, dass New York City als Kulisse dient. In „Batman Forever“ (1995) und „Batman & Robin“ (1998) ist Gotham erkennbar ein Set. In „Batman“ hingegen ist es der perfekte Mix aus Realismus und Phantastik. Das Set existierte in den Pinewood Studios tatsächlich und galt als eines der größten Filmsets der Geschichte. Noch über Jahre hinweg konnten Besucher Führungen durch Gotham City buchen.
Trotz der Tatsache, dass „Batman“ weit über das geplante Budget hinausging und es zu zahlreichen kreativen Auseinandersetzungen am Set zwischen Produzent Jon Peters und Regisseur Tim Burton kam, konnten die Dreharbeiten im Januar 1989 erfolgreich beendet werden, und dies obwohl sie von Anfang an überraschend knapp angesetzt waren. Der Kinostart für den 23. Juni desselben Jahres war bereits fest anvisiert. Eine Verschiebung wäre unmöglich gewesen, denn die Marketing- und Merchandise-Maschinerie lief bereits auf Hochtouren. Ein kulturelles Phänomen entwickelte sich, welches man seit der Veröffentlichung von „Krieg der Sterne“ („Star Wars“, 1977) nicht mehr wahrgenommen hatte. Die sogenannte Bat-Mania überzog das gesamte Land.
Die Romanadaption schoss in den Bestsellerlisten nach oben, ebenso der Titelsong von Prince in den Charts. Letzterer veröffentlichte gar parallel zum regulären Soundtrack ein eigenes Konzeptalbum rund um den Film. Ein Comic wurde produziert sowie eine eigene Spielzeugreihe und ein Computerspiel. T-Shirts, Tradingcards, Jacken, Sticker, Uhren, Flipper-Automaten! Merchandise in zahlreichen Formen überflutete die Läden. Das neue Batsymbol prangerte sogar über Wochen als Werbemaßnahme direkt am Times Square in New York City. Bereits die Enthüllung dieser de-facto Werbetafel wurde zu einem Event gepusht. Auch in Deutschland, wo der Film erst am 26. Oktober 1989 in die Kinos kam, breitete sich ein Bat-Fieber aus. Die Fachzeitschrift „cinema“ widmete dem Film sogar gleich zwei Titelstories direkt hintereinander. Gleiches galt auch für die „Kino“. Das bekannte US-amerikanische Starlog-Magazin entschied sich gar zu drei Coverstories innerhalb eines Jahres.
Die Batmania mag aus heutiger Sicht zum Schmunzeln anregen, der Film an sich hatte die Aufmerksamkeit zweifelsohne verdient. Puristen der Comic-Vorlage werden die teils recht freie Umsetzung sicherlich weiterhin kritisieren, Burton erschuf mit seiner Adaption allerdings ein Gesamtkunstwerk, welches inszenatorisch kaum zu überbieten ist und den Test der Zeit tadellos überstanden hat. Selbst die Matte Paintings, die durch veränderte Sehgewohnheiten heutzutage weitaus deutlicher hervorstechen, verstärken enorm den comichaften Realismus des Films, der teils überraschend hoffnungslos eingefangen wurde. Aber es ist vor allem der wilde Mix an Stilen und Einflüssen, der den Film zu einem unsterblichen Klassiker hat werden lassen. Gotik trifft auf Art déco, Pop auf Klassik, Drama auf Action, Comic auf Tragödie.
Jack Nicholsons und Michael Keatons Spiel, Anton Fursts, Nigel Phelps und Peter Youngs Setdesign, Danny Elfmanns triumphaler Score, Prince‘ Songs und Burtons einzigartige Vision haben ein Comic-Meisterwerk erschaffen, dass den Weg für den heutigen Boom an Comicverfilmungen nicht nur ebnete, sondern auch einen zeitlosen Klassiker schuf. Das Finale des Films schließt mit den Worten „Er hat uns ein Zeichen gesandt!“. Und dies tat nicht nur der titelgebende Charakter, sondern auch der Film in dem er mitspielte. Für die finalen Minuten versammelte Burton sämtliche Stärken des Films und beendet sein Werk mit einer triumphalen Inszenierung.
Ein Triumph, der auch nach dreißig Jahren nichts von seiner inszenatorischen Kraft verloren hat.
‐ Markus Haage
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