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Revenge (Frankreich, 2017)

verfasst am 7.September 2018 von Markus Haage

(© Koch Media GmbH)

Bestimmte Genres verändern sich nicht. Sie stellen eine gewisse Konstante dar. Vielleicht auch einer der Gründe für ihren Erfolg. Somit bietet auch „Revenge“ inhaltlich nichts Neues, verpackt dies aber für dieses Subgenre unüblich in eine überraschend anspruchsvolle Ästhetik.

Synopsis: Die junge Jen (Matilda Lutz) führt eine geheime Liebesbeziehung mit dem Millionär Richard (Kevin Janssens). Als einer seiner Freunde sie während eines Jagdausfluges vergewaltigt, sieht sich Richard dazu gezwungen die Vergewaltigung geheim zuhalten, damit seine Ehe und sein Ruf keinen Schaden nimmt. Jen weigert sich ungläubig dieses zu tun und lehnt sogar einen hohen Geldbetrag für ihre Verschwiegenheit ab. Richard sieht nur einen Ausweg: Mord, um seinen Status aufrecht zu erhalten. Er stößt Jen eine Klippe hinunter. Im Glauben sie sei tot, setzt er mit seinen Freunden den Jagdausflug fort. Doch Jen hat wie durch ein Wunder überlebt und sinnt nun auf Rache. Gnadenlos wird einer nach dem anderen gejagt und hingerichtet.

Das sogenannte Rape-and-Revenge-Genre, ein Subgenre des Exploitation-Films, hat in der Vergangenheit viele kuriose Produktionen hervorgebracht, inhaltlich war es aber nie besonders kreativ und verfolgte hierbei immer eine recht einfache Struktur: Ein weibliches Opfer wird geschändet und rächt sich an ihren Peinigern. Der Titel des Subgenres gibt somit den Inhalt bereits vor. Ähnlich verhält es sich auch mit dem vorliegenden Werk. Coralie Fargeats Debütfilm „Revenge“ (2017) wurde in der Vorberichterstattung von einigen Publikationen gerne als feministische Antwort auf das männlich dominierte Horrorkino verklärt. Nach der Begutachtung kann man dem nur schwer beipflichten, denn Fargeat gewinnt dem Genre inhaltlich nichts Neues ab und orientiert sich schon verblüffend auffällig an einschlägig bekannten Genrebeiträgen. Es existiert keinerlei erzählerischer Twist oder jedwede Wendung und Überraschung, und sei es nur ein Perspektivwechsel gewesen. In „Revenge“ geht es ‐ wie der Titel es verrät ‐ um Rache. Und diese simple Geschichte wird sehr geradlinig aufbereitet, auch wenn man sich im Aufbau des Films gefühlt etwas mehr Zeit lässt. Die Spielzeit von 108 Minuten wirkt stellenweise zu lang, viele Handlungsmomente zu gestreckt. Weniger wäre mehr gewesen und hätte dem Film sicherlich auch in seinen teils drastischen Gewaltdarstellungen unterstützt. Denn Jens Rache, auf der der Fokus der Geschichte liegt, ist (selbstredend) gnaden- und rücksichtslos, eine kürzere Laufzeit hätte dies wohl auch eindringlicher transportiert. Zumal den Figuren keine nennenswerte Tiefe verliehen wird. Sie haben zu funktionieren und ihren Zweck zu erfüllen. Lediglich in einem kurzen Moment blitzt so etwas wie Charakterzeichnung auf, als der Vergewaltiger Stan, der sich zu Jen stark körperlich hingezogen fühlt, sie fragt, warum sie ihn nicht anziehend findet. Ein Nein kann er nicht akzeptieren, was zwar sehr oberflächlich angedeutet, aber eben doch vorhanden einen tieferlegenden, psychischen Konflikt bei Stan unterstellt. Denn es liegt auf der Hand, dass dem unattraktiven Stan ein massiver Minderwertigkeitskomplex innewohnt, der ihn zu seiner Monstrosität „drängt“. Er ist umgeben von Luxus, Manieren, Ordnung. Sein attraktiver Freund Richard stellt das absolute Gegenteil dar, so dass sich der Zuschauer zeitweise fragt, wie solche Personen überhaupt befreundet sein können. Er nutzt Richards Abwesenheit, um für einen kurzen Moment sich dessen Welt gewaltsam zu nehmen. Zumindest wäre dies eine Art von Interpretation. Fargeat nutzt aber diesen inhaltlich tatsächlich äußerst interessanten Aufhänger nicht aus, um dem Genre oder ihrer Geschichte neue Impulse zu verpassen. Er dient nur noch zur Herbeiführung der Tat an sich, die wiederum der Motor für den Gewaltausbruch der zweiten Hälfte dient.

Flinte und Karre gehören schon mal ihr.
(© Koch Media GmbH)

Die Stärke von „Revenge“ liegt demnach nicht zwingend im erzählerischen, sondern inszenatorischen Bereich. Fargeat verpackt ihr Rachemärchen in teils atemberaubend-schöne Bilder mit satten Farben, von denen einige Shots direkt aus einer Fotoreportage der Vogue stammen könnten. Ungewohnt für dieses Subgenre, aber gerade deswegen so ansprechend. Sie überstilisiert zudem nicht nur die Gewalt, sondern auch die Umgebung und ihre Charaktere. Jen ist hübsch und naiv, ebenso der Millionär Richard, während seine Freunde, von denen einer Jen vergewaltigen wird, eben auch optisch keinem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Der Ekel vor den Vergewaltigern wird auch noch inszenatorisch verstärkt. Während Stan die junge Jen vergewaltigt, schaut sein Freund Dimitri nur kurz irritiert und frisst in Großaufnahme seines Mundes weiter Kekse. Genüsslich und schmatzend schieben sich die Brocken durch seinen Mund, während Jens vertränte Augen flehend nach Hilfe suchen. Die eigentliche Vergewaltigung wird wiederum ausgeblendet und durch die Ignoranz Dimitris transportiert, der den Fernseher einfach lauter stellt und danach schwimmen geht. Die Wut des Zuschauers soll wohl nicht durch das Zeigen der eigentlichen Tat an sich, sondern durch das Verhalten und Aussehen der Antagonisten hervorgerufen werden. Die saubere und makellose Villa, in der das Verbrechen geschieht, ist wiederum von einer menschenfeindlichen, kargen Ödnis umgeben, die sich Jen zunutze macht, um sich zu rächen. Sie muss genauso rau und wild werden, aus ihrer naiven Luxuswelt herausbrechen, um eben nicht nur ihre Rache zu erhalten, sondern auch zu überleben. Hier nimmt der Film gewisse Züge eines Survival-Thrillers an, da die Männer zumindest für eine kurze Zeit Jagd auf sie machen. Dies wird allerdings recht schnell wieder umgedreht, und das stylische Massaker darf beginnen. Auch hierbei wirft sich die Gewalt der Ästhetik unter. Dieser ewige inszenatorische Kontrast, der auch mit jedweder inhaltlichen Logik bricht, wird zum Ende hin am ehesten deutlich, wenn Jen und Richard sich durch die von Blut rot gefärbte Villa kämpfen. Die Villa wird zu einem Schlachthof, egal wie viel Blut tatsächlich in einem menschlichen Körper steckt. „Revenge“ macht es aber auch sehr früh deutlich, dass er keinen realistischen Anspruch erhebt. Spätestens als Jen die Klippe herunter gestoßen und von einem Ast aufgespießt wird, weiß der Zuschauer, dass ihr Leidensweg zwar lang und drastisch, aber nicht in ihrem Untergang enden kann. Dies nimmt natürlich die inhaltliche Spannung heraus. Der Zuschauer erkennt viel zu früh, dass sich hier alles einer Bilderorgie unterwirft, bei dieser die Geschichte zweitrangig ist. Und so entwickelt sich Jen zur Amazone, die ihre Kraft durch die ihr zugefügten Gewalt zieht, begleitet von einem Elektro-Soundtrack, der in Schlüsselmomenten Züge von Weltmusik trägt, und in einer strahlenden Farbpalette verpackt. So kann man dann auch ein Loch im Bauch wegbrennen. Unglaubwürdig, aber inszenatorisch unterhaltsam und ästhetisch anspruchsvoll.

Bis zur letzten Kugel …
(© Koch Media GmbH)

„Revenge“ stellt letztlich einen inhaltlich recht einfach gestrickten neuen Beitrag im eintönigen Rape-and-Revenge-Subgenre dar. Keine Überraschungen, keine Komplexität, keine neuen Interpretationen oder andere Perspektiven. Ein geradliniger Rachefilm mit Zügen einen Survival-Thrillers, der vor allem durch seine Ästhetik und Inszenierung aus der Masse hervorsticht.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!