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Love and Monsters (USA, 2020)

verfasst am 7.Mai 2021 von Markus Haage

(©Paramount Pictures Corporation)

Monstren machen müde Männer munter: Ursprünglich für das Kino gedacht, hat Paramount Pictures den verspielten Genre-Mix „Love and Monsters“ an den Streaming-Dienst Netflix weitergegeben. Ein charmanter Selbstfindungstrip durch die Endzeit für alle Altersklassen.

Offizielle Synopsis: Nach der Zerstörung eines auf die Erde zusteuernden Asteroiden durch Raketen bewirkt der chemische Fallout, dass alle Kaltblüter zu großen Monstern mutieren. Durch die Monster wird der Großteil der Menschheit ausgelöscht. Während der Evakuierung seiner Heimatstadt Fairfield wird Joel (Dylan O’Brien) von seiner Freundin Aimee (Jessica Henwick) getrennt; seine Eltern werden auf der Flucht von einem Monster getötet. Sieben Jahre später lebt Joel in einem der vielen unterirdischen Bunker in denen sich Überlebende zusammengefunden haben. Nachdem eine riesige Ameise in seine Kolonie eindringt und einen der Überlebenden tötet, macht sich Joel auf den gefährlichen Weg in den Westen zur Kolonie, in der Aimee lebt.

Gemeinsam einsam in der Endzeit.
(©Paramount Pictures Corporation)

Das ging ja fix: Nach dem in guter Absicht ein alles vernichtender Asteroid mit Raketen kurz vor dem Einschlag auf die Erde vernichtet wurde, rieselt es radioaktiv-chemischen Niederschlag. Die Folge: Die Welt der tierischen Kaltblüter mutiert innerhalb kürzester Zeit zu haushohen Monstren und zurück bleiben wenige Menschen, die die Apokalypse überleben und sich in Bunkern verkriechen müssen. Diese recht wilde Prämisse folgt keiner echten Logik. Es stellt das große B-Movie-Szenario dar, welches schon seit Jahrzehnten auf die ein oder andere Art und Weise zelebriert wurde – man denke hierbei an Genre-Klassiker wie „Formicula“ („Them!“, 1954) oder auch an Independent-Schlocker wie „In der Gewalt der Riesenameisen“ („Empire of the Ants“, 1977) –, aber eben nur selten in derselben Konsequenz dargestellt wird, wie man sie in „Love and Monsters“ präsentiert. In dieser Apokalypse wird die gesamte Menschheit ans Ende der Nahrungskette gestellt und muss sich Kaltblütern auf Testosteron ausliefern lassen, die diese Tierwelt nicht nur aus Haushöhe vergrößern, sondern sie auch mutieren ließ. Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um eine globale Bedrohung und um keine genretypische (und früher oftmals durch Budgetbeschränkungen bedingte) lokale Ausnahmesituation. Ein Entkommen ist somit nicht möglich. Eine Art Endzeit beginnt, die einen Neuanfang nicht zulässt, insofern man von der alten Welt nicht loslassen kann.

Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht der junge Joel (Dylan O’Brien), der die Einöde und Einsamkeit des Bunkerlebens satthat und seine nur achtzig Meilen entfernte Freundin, die in einer westlichen Kolonie lebt, nach sieben Jahren Bunkerdasein wiedersehen will. Vorab hatte er nur über ein altes Funkgerät Kontakt zur Außenwelt. Die Motivation der Geschichte ist – wie der Titel „Love and Monsters“ es schon andeutet – die (vermeintliche) Liebe. Auf seiner Reise trifft Joel aber auch andere Menschen, die sich mit dem Leben in der neuen Wildnis bereits arrangiert haben und Abwechselung in den sonst so einfach strukturierten Plot bringen. Denn „Love and Monsters“ kann zwar durch die liebevolle und verspielte Gestaltung seiner Endzeit-Welt inszenatorisch überzeugen, arbeitet Joels Reise durch diese aber inhaltlich leider etwas zu redundant ab. Im Mittelteil jagt ein Monster-Kapitel das nächste – Erinnerungen an Peter Jacksons Skull Island in King Kong (2005) werden zeitweise gar wach –, bis der Protagonist endlich bei seiner Freundin angekommen ist. Hier nimmt der Film tatsächlich noch eine dramaturgische Wendung, führt neue Figuren ein, die für den finalen und actionreichen Konflikt das Fundament darstellen. Ein Handlungsteil, der sich wie eine Erweiterung anfühlt. Es wäre aber wohl auch zu einfach gewesen mit der Ankunft bei der westlichen Kolonie einfach den Abspann losrollen zu lassen, auch wenn dies inhaltlich durchaus Sinn ergeben hätte. Denn nach der ausgedehnten Mitte, der Reise des Protagonisten, fühlt es sich an, als ob die eigentliche Geschichte bereits erzählt wurde. Das Finale arbeitet demnach natürlich auf dramatische Weise noch weitere Konflikte auf, die Joel in sich trägt und die sich in seinen neuen Widersachern und ihren Handlungen widerspiegeln. Er muss endgültig (oder noch einmal) über sich hinauswachsen und sich seinen Ängsten (erneut) stellen, obwohl das Finale des Mittelteils dies in gewisser Weise bereits abverlangte. „Love and Monsters“ ist somit in erster Linie eine klassische Journey, aber nicht zwingend Campbells Heldenreise (auch wenn Michael Rookers Charakter und dessen Ziehtochter die Rolle von Mentoren einnehmen). Der Weg ist das Ziel, auch wenn das Finale sich wie ein kleiner Umweg anfühlt, und nach diesem Weg ist Joel ein anderer Mensch. Es sind keine komplizierten Konflikte, aber vielleicht genau deswegen für jeden Zuschauer zugänglich und nachvollziehbar.

Augen auf und durch.
(©Paramount Pictures Corporation)

„Love and Monsters“ ist eine Art Selbstfindungstrip, vielleicht auch ein Comig-of-Age-Drama mit Creature-Feature-Einschlag, der neben den kreativen Kröten und ungeheuerlichen Insekten eben auch von der Einsamkeit in einer eingeengten Welt erzählt. Trotz eines Bunkers voller Mitmenschen lebt Joel im Grunde alleine. Gefangen in einer Welt, in der seine Stärken und Talente nicht benötigt werden und er nur durch seine Schwächen auffällt. Sein einziger Ankerpunkt ist das Medium CB-Funk, mit diesem er Kontakt zur Außenwelt, vor allem seiner Freundin, hält, die aber – Achtung, kleiner Spoiler! – in den sieben Jahren Abstinenz von ihm zwischenzeitlich (und kurzfristig) emotional weggezogen ist. Sie sagt es ihm nicht, gaukelt ihm aus falscher Rücksicht weiterhin Verbundenheit und Zuneigung vor. Joel lebt somit gefangen in seiner eigenen kleinen Wirklichkeit und gibt sich einer Illusion, die tief verhaftet in der Vergangenheit ist, hin. Eine Selbsttäuschung, die ihm Zufriedenheit schenkt, aber damit auch in seinem jetzigen Leben festhält. Durch den letztlich erzwungenen Schritt vor die Tür muss er sich selber zwar neuen Gefahren preisgeben, aber lässt ihn eben auch Wunder erleben. Denn nicht alle Tiere sind zu Monstren geworden, auch wenn sie auf den ersten, ungewohnten Blick so wirken. Alle Ängste, die Joel überwindet, alle Irrtümer, die er sich einredete, allen Illusionen, die er sich hingab und die letztlich zusammenbrechen werden, sind tief verwurzelt in unserer realen Welt und werden lediglich in ein hyperphantastisches Setting verfrachtet. „Love and Monsters“ hätte auch die Geschichte eines Hikikomori sein können. So ganz ohne Monstren und Apokalypse.

Eine Riesenkrabbe greift an!
(©Paramount Pictures Corporation)

Ein moderner Genrefilm kommt heutzutage wohl kaum noch ohne popkulturelle Referenzen aus und so findet man auch diese im Film wieder. Allerdings sind sie klein gehalten und referenzieren – natürlich! – vor allem die 1980er-Jahre. Interessanter sind deswegen die In-Universe-Verweise auf eine größere Welt, die zugrunde ging, aber eben auch neu entsteht. Der Film macht nicht den Fehler und offenbart diese beiden Welten vollends. Die alte Welt, die weitaus fortschrittlicher war als unsere Gegenwart, wird hier durch einen Roboter für den Hausgebrauch dargestellt, dessen Schicksal eine gewisse Tragik, aber für die Handlung auch Konsequenz in sich trägt. Dessen Ableben geschieht in einem fast schon magischen Moment, als Joel sich selber von der Vergangenheit lösen muss – zu dem Typ des Roboters besitzt er eine nostalgische Verbindung – und zeitgleich die Schönheiten dieser neuen Welt zu den Klängen von Ben E. Kings „Stand by me“ in einem Lichtermeer aus fliegenden Quallen erlebt. Doch all diese kleinen, teils fantastischen Erlebnisse wirken manchmal wie in sich geschlossene Kapitel. Denn obwohl „Love and Monsters“ nur eine Laufzeit von 109 Minuten umfasst, verspürt man besonders beim Mittelteil kurzweilig gewisse Längen. Dies mag vielleicht auch darin liegen, dass der Film beim erwähnten Finale neue Antagonisten und somit eine unerwartete Handlungserweiterung einführt und es dadurch zu einem gewissen dramaturgischen Ungleichgewicht kommt. Ein etwas schlankerer Mittelteil, die eigentliche Reise mit einem eigenen Höhepunkt, hätte das Werk vielleicht besser ausbalanciert oder zumindest abgerundet. So wirkt das eigentliche Finale leider fast wie ein Anhang oder gar eine Idee für ein Sequel. Aber dies liegt eben vor allem an der erwähnten Gewichtung, denn das Ende an sich erweitert die Welt von „Love and Monsters“ enorm und gibt den Zuschauer neue Perspektiven und den Monstren einen eigenen, echten Charakter. Sie sind eben nicht nur mutierte Bestien, sondern echte Lebewesen. Es ist tatsächlich ein Verdienst des Films, dass man zum Finale mit den Monstern (oder zumindest einigen von ihnen) als Zuschauer mitfühlt. Dies liegt auch am fabelhaften Design der Kreaturen, deren Umsetzung als CGI-Geschöpfe ein Highlight des Werks darstellen und sie zu echten Figuren der Handlung werden lässt.

Auch wenn „Love and Monsters“ vor allem im Mittelteil einige Längen besitzt, die sich zeitweise wie ein Extended Cut anfühlen, und fast schon zu viele Ideen verarbeiten will, bietet der Film dennoch eine charmante neue Perspektive auf das alte Monster-Genre und dies mit einer verspielten Kreativität inszeniert. Ein Monsterfilm für die ganze Familie und ein wilder Genremix zugleich, der Jahrzehnte des Phantastischen Kinos liebevoll umarmt.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!