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Schwarze Loch, Das (USA, 1979)

verfasst am 5.September 2010 von Markus Haage

„Da ist mehr Anziehungskraft als wir kennen!“

Die USS Palomino fliegt durch die tiefen Weiten des Alls.
(© Disney All Rights Reserved.)

Das amerikanische Forschungsraumschiff USS Palomino schippert durch das All, auf der Suche nach bewohnbaren Planeten. Auf der Erde wird es nämlich zunehmend enger. Ihre Mission ist somit von Bedeutung, der Druck unmenschlich groß. Doch zufällig stoßen sie auf ein astronomisches Objekt, dessen Fluchtgeschwindigkeit laut einschlägiger Lexika selbst die Lichtgeschwindigkeit bei weitem überschreitet! Kurz gesagt: Das schwarze Loch. Im Sog dieses schwarzen Lochs befindet sich eine Raumstation, die ihre Position konstant hält. Nicht nur irgendeine, sondern die seit 20 Jahren als vermisst geltende USS Cygnus. Das Team der Palomino entscheidet an Bord zu gehen, doch dort finden sie nur ein Geisterschiff vor. Von der ehemaligen Crew ist keine Spur, lediglich Roboter, einige von ihnen äußerst aggressiv, scheinen die Raumstation in Betrieb zu halten und zu beschützen.

Dr. Reinhardt und seine Crew.
(© Disney All Rights Reserved.)

Doch als die Crew die Kommandozentrale erreicht, offenbart sich ihnen Dr. Hans Reinhardt, eines der größten Genies seiner Zeit. Er sagt der Crew, dass die Besatzungsmitglieder der Cyngus vor über 20 Jahren aufbrachen, um zur Erde zurückkehren. Er blieb hier, um seine wissenschaftlichen Forschungen weiterzuverfolgen. Diese sollen in einem wahnwitzigen Experiment münden: Dr. Reinhardt will das schwarze Loch durchfliegen – um zu neuen Dimensionen vorzudringen! Ein Selbstmordkommando. Doch Reinhardt ist sich sicher, dass er nach jahrelangen Forschungen den richtigen Kurs gefunden hat, um das allesverschlingende Loch zu überwinden. Die Palomino-Besatzung ist von Reinhardt anfangs fast schon ehrfürchtig begeistert und dieser tut auch alles, damit die Crew zu seinen Gunsten handelt, doch schon sehr bald zeigt sich sein wahres Gesicht. Für seine Forschungen ist er bereit zu töten, ohne Rücksicht auf Verluste. Die alte Crew der Cygnus ist nie zur Erde zurückgekehrt. Dr. Reinhardt hat sie in bio-mechanische Arbeits- und Sicherheitsroboter umgewandelt! Der Zweck: willenlose Horden, die seine wahnwitzigen Forschungen unterstützen!

Stetig forscht Reinhardt an dem schwarzen Loch.
(© Disney All Rights Reserved.)

Nachdem die Palomino-Crew dies herausgefunden hat, entscheidet sie sich von der Raumstation zu flüchten, doch es ist bereits zu spät: Dr. Reinhardt nimmt direkten Kurs auf das schwarze Loch…und wird hindurchfliegen. Die Raumstation scheint dazu nicht ausgerichtet zu sein und zerfällt langsam. Nur knapp können sich die überlebenden Palomino-Besatzungsmitglieder auf ein Not-Schiff retten, doch rechtzeitig vom schwarzen Loch wegsteuern, können sie nicht mehr. Sie können nur noch hoffen dass Dr.Reinhardt wirklich den richtigen Kurs berechnet hat, um das Loch zu durchfliegen. Reinhardt indes, ist auf der Cyngus durch herabfallende Trümmerteile erschlagen wurden.

Auch Reinhardt besitzt einen Henkersmeister…
(© Disney All Rights Reserved.)

Das Unmögliche scheint geschehen zu sein. Nachdem sie eine undefinierbare Zeit durch den Strudel des schwarzen Lochs geflogen sind, erwachen sie anscheinend in einer vollkommen neuen, fremden Galaxie. An einem anderen Punkt des Universums, an dem zuvor noch nie ein Mensch gewesen ist. Sie sind glücklich überlebt zu haben, doch wieviel Glück haben sie wirklich? Sie wissen nicht wo sie sind – oder ob sie den Flug überhaupt überlebt haben! Denn zur gleichen Zeit schwebt der tote Dr. Reinhardt durch das schwarze Loch, direkt auf seinen einstigen Killer-Roboter Maximillian hinzu. Beide scheinen sich miteinander zu vereinen und enden auf der Spitze eines verkohlten Hügels. Reinhardt nun gefangen in dem metallischen Körper seines Roboters, so wie er die alte Crew der Cyngus in stählerne Körper gefangen hielt. Flammen schießen nach oben. Unter Reinhardt marschieren lange ausdruckslose Kolonnen vor sich hin. Hat es Reinhardt wirklich geschafft? Hat er überlebt? Oder hat er vielleicht die ultimative Grenze überschritten? Nicht die Grenze zu unbekannten Dimensionen und Galaxien, sondern die Grenze zwischen Leben und Tod ..?

Das Ende naht…
(© Disney All Rights Reserved.)

Disney hat schlechte Laune und serviert uns damit einen der besten Sci-Fi-Filme der 70er Jahre. Wahrscheinlich ungewollt. Aber darüber beschwert sich der Endkonsument ja nicht. „Das schwarze Loch“ stammt aus einer der interessantesten Schaffensphasen des allmächtigen Disney-Konzerns. Nachdem nach jahrzehntelanger Herrschaft das Machtgefüge der alten Gründungsriege ihr Ende fand, rückten neue Chefs vor, die versuchten das Angebot des Konzern nicht nur auf familienfreundliche Unterhaltung zu beschränken, sondern auch neue Wege einzuschlagen und somit neue Zielgruppen zu erreichen. Heraus kamen teils wilde, gewagte, experimentierfreudige Produktionen, die eines gemeinsam hatten: Sie waren sehr weit vom Happyness-Image der früheren Produktionen entfernt. Und das obwohl Disney trotzdem versuchte penibel darauf zu achten, keine zu großen Experimente einzugehen. Zweifelsohne führte genau dies zu einem teils sehr wilden Mix aus abenteuerlustigen Grundideen und düsteren Visionen. Als Vertreter dieser Epoche können unter anderem der Zeichentrickfilm „Taran und der Zauberkessel“ genannt werden (der erste und einzige Disney-Animationsfilm, der in Deutschland ein FSK 12-Siegel erhielt) und „Tron“. Beides Filme mit einem abenteuerlichen, fast epischen Hintergrund, aber vollkommen an der eigentlichen Zielgruppe, den 8- bis 12-Jährigen, vorbeiproduziert. „Das schwarze Loch“ darf hierzu geflissentlich gezählt werden. Im Grunde stellt der Film sogar den Beginn dieser wilden Phase dar, war er doch der erste Disney-Streifen, der in den USA kein PG-Rating mehr erhielt. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig: „Das schwarze Loch“ bedient sich vieler bunter und abenteuerlicher Elemente, vermischt diese aber durchweg mit düsteren und teils für Kinder sogar sehr erschreckenden Bildern und Inhalten. Es ist ein in sich zerrissener Film, der gerade deswegen so interessant ist. Auf der einen Seite haben wir durchweg heitere Elemente, wie etwa die beiden fliegenden Roboter Vincent und Bob, die mit ihren großen Comic-Augen regelrecht süß dargestellt wurden. Auf der anderen Seite ist der Film aber vollgepackt mit düsteren Plots, deren wahre Bedeutung gerade Kinder inhaltlich und seelisch überfordern dürfte. Menschen werden als Roboter umfunktioniert, das schwarze Loch wird nicht nur wissenschaftlich sondern auch spirituell diskutiert, das Ende stellt einen Alptraum dar, über dessen wahre Bedeutung viele Filmfans heute noch diskutieren.

Das Kinder hierbei eher verstört, als unterhalten werden, dürfte klar sein. Somit fand „Das schwarze Loch“ auch nie einen wirklichen Zugang zum Massenpublikum. Er verfolgte einfach keine klare Linie. Dadurch das es eine Disney-Produktion war, wurde die Marketing-Kampagne auch fast nur auf eine junge Zielgruppe ausgerichtet. Und hier verblieb er auch für den Großteil seiner Existenz. „Das schwarze Loch“ durfte bei den Disney-Filmen in der Videothek stehen, vielleicht auch an einem Feiertag im Vormittagsprogramm gezeigt werden (mit einigen Schnitten versehen), aber als wirklich ernstes SciFi-Drama wurde er nie angenommen. Wie bei sovielen Filmperlen ändert sich dies mit der Zeit und mittlerweile hat sich um den Film eine kleine, aber stetig wachsende Fangemeinde gebildet. Ähnlich wie „Tron“ wuchs die Fangemeide mit dem Alter des Films mit und viele Kinder, die den Film in jungen Jahren sahen, entdecken das Werk als Erwachsene nun vollkommen neu. Vielleicht dieselben Kinder, die mit der Spielzeug- oder Comicreihe zum Film aufwuchsen, denn diese durften selbstredend bei einem Disney-Film nicht fehlen.

Eines der vielen Extra-Magazine, die zum Filmstart veröffentlicht wurden.
(© Disney All Rights Reserved.)

Diese neue Aufmerksamkeit, die im Jahre 2011 sogar zu einem Remake führen soll, hat der Film zweifelsohne verdient. Trotz seiner heiteren und abenteuerlichen Ausreißer, ist „Das schwarze Loch“ eine der tiefergehenden SciFi-Produktionen der 70er, aufgrund seiner Unentschlossenheit ironischerweise auch eine der Interessantesten. Viele Genre-Kollegen versuchten einfach den unglaublich populären „Krieg der Sterne“ nachzuahmen, sei es „Flash Gordon“, „Buck Rogers“ oder „Kampfstern Galactika“. „Das schwarze Loch“ hingegen versucht einen fast schon philosophischen Ansatz mit einem Sci-Fi-Abenteuer zu verweben. Es geht um Wissenschaft und Glaube. Über die Überschreitung von Grenzen, das Vordringen in neue Dimensionen. Die Angst vor diesem Neuen und Unbekannten und die Wahl der Mittel um diese überhaupt zu erreichen. Welche Grenze letztlich überschritten wurde, bleibt Interpretationssache. Schmort Reinhardt in der Hölle? Ist es vielleicht nur eine Vision? Nur eine Parabel? Ist die Crew der Palomino in neue Dimensionen vorgedrungen? Oder wurde ihnen Einzug in den Himmel gewährt? Selbst der Roman, auf dem der Film beruht, gibt hier keine klare Aussage. Allerdings würde ich die Höllen-These unterstützen. Reinhardt muss im Inferno schmoren, während die Palomino-Crew vielleicht nicht in den Himmel, sondern zum galaktischen Kern der Schöpfung vorgedrungen ist. Ihre Reise begann beim ultimativen Ende, dem schwarzen Loch – und endet beim ultimativen Anfang, dem Kern der galaktischen Schöpfung. Zumindest hätte dies eine gewisse poetische Gerechtigkeit. Natürlich ist dies nur meine Interpretation und nicht allgemein gültig. Das aber zumindest eine spirituelle Lösung des Rätsels von den Autoren und dem Regisseur gewollt ist, zeigen meiner Ansicht nach, die unzähligen religiösen Querverweise, die sich überall im Film finden lassen.

Eine Comicfortsetzung, die noch tiefer ins All vordringt…
(© Whitman)

Interessanterweise gibt es mehrere offizielle Enden für die unterschiedlichen Adaptionen. Im Original-Roman verschmilzt die Palomino-Crew zu einem geistähnlichen Wesen. In der Comic-Adaption werden sie an ein anderes Ende der Galaxis transportiert und müssen sich nun auf die Suche nach einem neuen Zuhause machen. In einer Fortsetzungsreihe wird dieses Ende dann weitergesponnen und die Crew muss sich u.a. gegen die Virlights, eine fremde, außerirdische Rasse durchsetzen. Im offiziellen Film-Roman von Alan Dean Foster hingegen, betritt die Crew ein Paralleluniversum – indem auch Dr. Reinhardt wieder existiert.

Das Disney für die Produktion keine Kosten und Mühe gescheut hat, dürfte klar sein. 20 Millionen Dollar investierten sie damals. Das Kinoeinspiel lieferte allerdings nur 34 Millionen zurück. Ein enttäuschendes Ergebnis, auch wenn der Film insbesondere aufgrund seiner Langlebigkeit heute nicht mehr als Flop bezeichnet werden kann. Aber die bereits erwähnte falsche Vermarktung und die inhaltliche Zerrissenheit des Films sorgten wohl letztlich dafür, dass „Das schwarze Loch“ zumindest finanziell nicht in die Annalen der Sci-Fi-Geschichte eingegangen ist. Letztlich ist es nicht nur schade sondern auch unverständlich. Die Spezialeffekte sind für die damalige Zeit beeindruckend und stellen – objektiv betrachtet – sogar „Krieg der Sterne“ in den Schatten. In einigen Bereichen wurden sogar Film-Technologien wegweisend erweitert. So wurde das von John Dykstra für „Star Wars“ entwickelte computerkontrollierte Kamerasystem maßgeblich verbessert, wovon eben letztlich auch die noch folgenden „Krieg der Sterne“-Filme enorm profitierten. Es war nun möglich aufwendige Matte-Paintings in die Szenerie miteinzubinden. Eine Ironie. Denn Disney fragte bei ILM an ob sie Dykstras System für den Film ausleihen durften. ILM stellte vollkommen überzogende Forderungen, so dass Disney das System einfach weiterentwickelte und massiv verbesserte. Die Mühen sollten nicht ganz umsonst gewesen sein. Immerhin wurde der Film für die besten Spezial-Effekte für einen Oscar nominiert. Gewinnen konnte er diesen aber leider nicht, denn der ging an Ridley Scotts „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“.

Maximilian Schell in seiner Paraderolle.
(© Disney All Rights Reserved.)

Die Schauspieler verkörpern ihre Rollen routiniert. Vielleicht mag dieses aber auch nur so erscheinen, da „Das schwarze Loch“ zweifelsohne Maximilliam Schells Film ist. Seine Interpretation von Dr. Reinhardt ist faszinierend und beängstigend zugleich, und stellt jede andere Performance in den Schatten. Mit Ausnahme der Set-Designer und des Komponisten. Denn deren Performance verleiht dem Film (neben Schells Schauspiel) weitere Alleinstellungsmerkmale. Für die Titelmusik verpflichtete man John Barry, fünfach oscar-prämierter Komponist. Sein Score ist – wie der Rest des Films – sehr eigenwillig und gerade deshalb interessant. Es ist ein ängstlicher, zittriger, düsterer Score, der allerdings auf einer klar erkennbaren, fast schon typisch-abenteuerlichen SciFi-Komposition basiert.

Fatality:
„Das Schwarze Loch“ verfolgt zwar verschiedene Muster und wird sich nicht ganz einig, was er denn nun sein möchte, ein düsteres SciFi-Drama mit philosophischen Unterton oder eben ein poppiges Space-Abenteuer mit Laserkanonen und Robotern, dies ist aber zu vernachlässigen. Letztlich ist es nämlich genau diese innere Zerrissenheit, die den Film so interessant und gewissermaßen auch einzigartig macht. Den reinen Unterhaltungsfaktor betrübt dies übrigens nie. Wer den Film nur als blassen Erinnerungsschimmer im Kopf hat, sollte sich diesen schleunigst besorgen und neu entdecken.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!