An Halloween 2019 war es soweit: Claudio Simonettis Goblin gaben sich die Ehre und zelebrierten vor begeisternden Fans ihre größten Werken. Neon Zombie durfte mit Stolz das Konzert präsentieren.
Das Lido füllte sich nur langsam, aber als Claudio Simonetti mit seiner Band die Bühne betrat, gab es kein Halten mehr und der Konzertsaal war bis zum letzten Platz ausgefüllt. Es dauerte nur wenige Sekunden und ohne nennenswerte Ansprache, legten Goblin sogleich los. Für manche Fans vielleicht ungewohnt, eröffneten sie den Abend mit vornehmlich neuen Kompositionen, aber natürlich wusste Simonetti, das Herz von Goblin, dass die angereisten Zuhörer vor allem wegen seiner Film-Kompositionen angereist kamen. Teils von sehr weit her. Eine Leserin unseres Magazins machte sich tatsächlich aus Köln, rund 600 Kilometer entfernt, auf dem Weg, nur um bei diesem einmaligen Live-Konzert dabei sein zu können. Es sollte sich lohnen. Nach den ersten Ambient-Tracks, die quasi auch als eine Art Ouvertüre verstanden werden könnten, und seiner offiziellen Begrüßung des Publikums, spielte er sogleich einen seiner geheimen Klassiker: die Titelmelodie zu Lamberto Bavas Italo-Horror-Klassiker „Dämonen 2“ („Dèmoni“, 1985). Der Clou: der Film spielt bekanntlich in Berlin. Wohlgemerkt einem anderen, geteilten Berlin, welches schon längst untergegangen ist. Einen besseren Auftakt zu seinen Filmscores hätte Simonetti vor diesem Publikum und dieser Location nicht finden können.
Es folgten selbstredend alle großen Klassiker, von „Rosso – Farbe des Todes“ („Profondo rosso“, 1975) bis „Phenomena“ (1985). Als quasi Hauskomponist von Dario Argento, stand dessen Werk natürlich im Vordergrund. Zahlreiche der Stücke wurden teilweise neu interpretiert. Dies fiel vor allem bei „Zaratazom“ auf. Eine von drei Kompositionen, welche Simonetti aus George A. Romeros „Zombie“ („Dawn of the Dead“, 1978) spielte.
Simonetti weiß, welche Stücke beim Publikum am besten funktionierten. Dementsprechend baute er sein Konzert schrittweise mit den populärsten Werken auf. Einer der ersten großen Höhepunkte, natürlich nach „Dämonen“ und nach „Zombie“, stellte das Hauptthema aus „Suspiria“ (1977) dar, welches er vorab vom Publikum ansummen ließ. Eine einzigartige Atmosphäre erfüllte hierbei den kompletten Konzertsaal. Als er das Lied dann selber anspielte und es sich stetig steigerte, hielt es kaum noch einen Zuhörer auf den Plätzen. Der Drang zur Bühne wurde immer stärker. Simonetti verwandelte das Spiel seiner klassischen Filmkompositionen in ein Rockkonzert.
Da es sich um den Halloween-Abend handelte, ließ es sich Simonetti auch nicht nehmen John Carpenters Hauptthema aus „Halloween – Die Nacht des Grauens“ von 1978 zu spielen. Gefolgt von einer scherzhaften Neuinterpretation des Schlagerklassikers „Strangers in the Night“. Nach fast zweieinhalb Stunden leitete Simonetti mit dem Hauptthema aus „Rosso – Farbe des Todes“ das Finale ein. Das Lied, welches nicht nur seine Karriere begründete und für das er anno 1975 sogar im italienischen Fernsehen auftrat, sondern ihn auch unsterblich machte. Zu diesem Zeitpunkt war das Publikum bereits vollkommen in Begeisterung verfallen und forderte nur noch nach einer wohl endlosen Zugabe.
Für Fans des italienischen Genrefilms und Liebhaber von Filmkompositionen stellte Claudio Simonettis Goblin-Konzert wohl eines der größten Konzert-Highlights des Jahres dar. Natürlich nur getoppt von Ennio Morricones finalen Deutschlandkonzert im Januar 2019. Sicherlich wird Simonetti früher oder später zurückkehren, aber das Lido in Berlin konnte zu diesem Zeitpunkt einen gewissen magischen Moment kreieren, den man kaum nachahmen kann. Kurz vor dem Jubiläum des Falls der Berliner Mauer kehrte Goblin in die ehemals geteilte Stadt zurück und eröffnete ihre klassischen Kompositionen mit dem Hauptthema aus „Dämonen“. Im Hintergrund namhafte Szenen aus dem Film, die an eine ehemals geteilte Stadt mahnen. Für einen kleinen Moment im Jahre 2019 reiste das Publikum zurück in eine andere Zeit, eine andere Stadt, eine andere Art von Filmmusik und natürlich eine andere Art von Film.
‐ Markus Haage
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