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Ennio Morricone: The Farewell Tour (Januar 2019)

verfasst am 25.Januar 2019 von Markus Haage

Nach mehr als vierundsechzig Jahren Schaffenszeit, Hunderten von Konzerten und weit über fünfhundert Filmkompositionen gab Ennio Morricone als Teil der „Ennio Morricone: The Farewell Tour“ sein letztes Konzert in Deutschland vor ausverkauften Haus. Was als normales Konzert begann, endete – auch aufgrund des historischen Moments – als ein triumphales Ereignis. 

Werbebanner zum letzten Deutschlandkonzert.
(Foto: Jemer de Haas, © Eventim)

Ennio Morricone als eine lebende Legende zu bezeichnen, wäre fast schon untertrieben. Seit mehr als vierundsechzig Jahren ist der gebürtige Römer im Filmgeschäft als Komponist tätig. Er prägte nicht nur Generationen an Musikern und Künstlern, sondern natürlich auch an Filmfans weltweit, die mit seinen Werken aufwuchsen. Auch wertete die bloße Präsenz seiner Musik einen Film und dessen Bedeutung auf. Manch ein Film wäre ohne seine Kompositionen vielleicht schon längst in Vergessenheit geraten. Morricone bereicherte nicht nur die Filmmusik, er definierte ein ganzes Genre. Der Italo-Western ohne Morricones Kompositionen wäre kaum vorstellbar. Noch heute werden seine Werke zitiert und auch mal imitiert. Aber das Original bleibt eben das Original. Unverkennbar ist sein Stil. Und so wurde seine Musik nicht nur als eine atmosphärische Untermalung bestimmter Filmszenen genutzt, sondern stellte im Grunde auch einen Teil der erzählenden Handlung dar. Man denke nur an das Mundharmonika-Spiel in „Spiel mir das Lied vom Tod“ („C’era una volta il West“, 1968), welches gar den Schlüssel zur Auflösung der Geschichte bietet. Regisseur Sergio Leone orientierte sich hier tatsächlich an Morricones Komposition, die dieser (teilweise) bereits vor Beginn des Drehs fertigstellte. Von einer unglaublichen kreativen Schaffenskraft geprägt, arrangierte und komponierte Morricone in seiner Jahrzehnte umspannenden Karriere über fünfhundert Kompositionen zu Filmen allen Genres. Manchmal bis zu acht Werke in einem Jahr. Davon für ein Konzert, welches auch noch das Finale seiner Karriere darstellen sollte, über sechzig Jahre Schaffenskraft zu repräsentieren, wäre eigentlich unmöglich. Eigentlich.

Bereits weit vor Beginn füllte sich die Mercedes-Benz-Arena in Berlin mit Gästen. Um Punkt 18 Uhr begann der Einlass, zwei Stunden vor Auftakt des Konzerts. Aufgrund der hohen Nachfrage eröffnete man noch wenige Tage vor der Veranstaltung die oberen Ränge. Insgesamt sollten 17.000 Zuhörerinnen und Zuhörer anwesend sein. Im Vorfeld gab es leider Beschwerden, dass eine solche Mehrzweck-Arena für ein orchestrales Konzert akustisch nicht geeignet sei. Die Akustik in einer solchen Arena ist nicht vergleichbar mit einem traditionellen Opernhaus oder Konzertsaal, die natürlich architektonisch für die bestmögliche Akustik ausgerichtet sind. Entgegen landläufiger Meinungen stellt es (auch technisch) in einer solchen Arena eine enorme Herausforderung dar, quasi eine Art von Surround Sound durch Lautsprecher für das Publikum bis in den letzten Winkel zu garantieren. Die sogenannte Laufzeitverzögerung, die schon bei einer minimalsten Abweichung von der Primärquelle (hier eben das Live-Orchester), für Irritationen sorgen kann, stellt immer ein Problem dar. Dies sollte man allerdings nicht zwingend als Kritik gegen die großen Mehrzwecke-Arenen, sondern als größtes Argument für den Erhalt klassischer Konzerthäuser sehen. Das Team um Morriconne kennt allerdings die Schwächen (und auch die Stärken) solcher Arenen – tourten sich doch in den letzten zwanzig Jahren durch die unterschiedlichsten Veranstaltungsgebäude weltweit – und konnte dies im Vorfeld weitestgehend abfangen. Nennenswerte Beschwerde über die Akustik konnte man nicht vernehmen.

Mit etwas Verzögerung betrat das Orchester und der Chor (fast 160 Personen) kurz nach 20 Uhr die Bühne. Unter tosenden Applaus folgte Ennio Morricone. Als die ersten Klänge ertönten, war es in der Arena mucksmäuschenstill geworden. Alle Zuschauerinnen und Zuschauer hörten gebannt den Klängen des Hauptthemas aus „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“ („Indagine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto“, 1970) zu.

Das Publikum erwartet den Maestro.
(© Neon-Zombie.net)

Für das einzige und letzte Deutschlandkonzert gab Morricone vorab stolz bekannt, dass man Stücke präsentieren wird, die man vorab noch nie live gespielt hätte. Somit ein vollkommen neues Arrangement für das deutsche Publikum. Das Orchester spielte viele, aber nicht alle bedeutenden Kompositionen aus Morricones Karriere. Bei der Masse an Werken müssen aufgrund der Zeit einfach auch populäre Stücke wegfallen. Das Konzert hätte demnach problemlos doppelt so lange dauern können. „Rabbia e Tarantella“ aus „Allonsanfàn“ (1971), „Ribellione“ aus „Baarìa“ („Baarìa – La porta del vento“, 2009) oder „Ballad of Sacco and Vanzetti“ aus „Sacco und Vanzetti“ („Sacco e Vanzetti“, 1971) gab es leider nicht zu hören, dafür aber „The Silver of the Mine“ aus der Miniserie „Nostromo“ (1997) und das Hauptthema aus „Das rote Zelt“ („La Tenda Rosso“, 1969). Auch spielte Morricone „L’Ultima Diligenza di Red Rock“, das Titelthema aus Quentin Tarantinos „The Hateful Eight“ (2015), für das er einen Oscar gewann. Dies war das erste Lied nach der Pause. Vorab dirigierte er unter tosenden Applaus „The Ecstasy of Gold“ aus „Zwei glorreiche Halunken“ („The Good, the Bad and the ugly“, 1966), unterstützt von der italienisch-schwedischen Opernsängerin Susanna Rigacci. Fans von Morricones Western-Kompositionen kamen demnach nicht zu kurz, auch weil nicht nur zusätzlich das Titelthema aus „Zwei glorreiche Halunken“ präsentiert wurde, sondern natürlich auch der Morricone-Klassiker schlechthin, „Man With a Harmonica“ aus „Spiel mir das Lied vom Tod“. Selbstredend wurden auch weitere populäre Klassiker präsentiert. „Gabriel’s Oboe“ aus „Mission“ (1986) oder „Chi Mai“ aus „Maddalena“ (1971) und „Der Profi“ („Le Professionnel“, 1981), sowie „Abolição“ aus „Queimada – Insel des Schreckens“ („Queimada“, 1969). Letzteres stellte die finale Zugabe dar.

Als gegen 23 Uhr das Konzert seinen Höhepunkt erreichte, war jedem Zuschauer bewusst, dass dies nun einen historischen Moment darstellen würde. Ennio Morricone dirigierte die letzten Takte seiner Jahrzehnte umfassenden Karriere in Deutschland. Nach insgesamt drei Zugaben verneigte er sich vor seinem Publikum, welches sich mit einen minutenlangen stehenden Applaus Richtung Bühne bedankte. Es war ein Publikum, welches aus allen denkbaren Generationen und Schichten bestand. Sie alle verband die Liebe zu Morricones Musik. Egal, aus welcher Zeit diese auch stammte. Sei es „Zwei in einem Stiefel“ („Il federale“) von 1961, „Allonsanfàn“ von 1974, „Mission“ von 1986 oder „The Hateful Eight“ aus dem Jahre 2015. Ob traditionelle Streichermusik oder energischer Jazz, Morricone bot alles auf, was sein Lebenswerk auszeichnet. Mit den finalen Klängen, die die Halle erfüllten, verabschiedete sich eine lebende Legende vom deutschen Publikum, dessen Schaffen noch über Generationen hinweg begeistern wird. Es bleibt nicht viel mehr zu sagen, außer „Grazie, Maestro.“.

Set 1:
• „Die Unbestechlichen“ („The Untouchables“, 1987)
(„The Strenght of the Righteous“)

• „Das rote Zelt“ („La tenda rossa“, 1969)
(„Do Dreams go on“)

• „Die Legende vom Ozeanpianisten“ („La leggenda del pianista sull’oceano“, 1998)
(„The Legend of the Pianist on the Ocean“)

• „Fessle mich!“ („¡Átame!“, 1990)
(„Main Theme“, „Urban Night“)

• „Metti, una sera a cena“ (1969)
(„Main Theme“)

• Ostinato ricercare per un’immagine

• „Nostromo“ (1997)
(„The Silver of the Mine“)

• „Spiel mir das Lied vom Tod“ („C’era una volta il West“, 1968)
(„Man With a Harmonica“)

• „Zwei glorreiche Halunken“ („Il buono, il brutto, il cattivo“, 1966)
(„Main Theme“, „Il forte“, „The Ecstasy of Gold“)

Set 2:
• „The Hateful Eight“ (2015)
(„L’Ultima Diligenza di Red Rock“)

• „Schlacht um Algier“ („La Battaglia di Algeri“, 1966)
(Main Title)

• „Sacco und Vanzetti“ („Sacco e Vanzetti“, 1971)
(Main Theme)

• „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“ („Indagine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto“, 1970)

• „Erklärt Pereira“ („Sostiene Pereira“, 1995)

• „Der Weg der Arbeiterklasse ins Paradies“ („La classe oparaia va in Paradiso“, 1971)

• „Die Verdammten des Krieges“ („Casualties of War“, 1989)
(„Main Theme“)

• „Queimada – Insel des Schreckens“ („Queimada“, 1969)
(„Abolição“)

• „Mission“ (1986)
(„Gabriel’s Oboe“, „Falls“, „On Earth as It Is in Heaven“)

Zugabe:
• „Cinema Paradiso“ („Nuovo Cinema Paradiso“, 1986)
(„Main Theme“, „Love Theme“)

Zugabe 2:
• „Zwei glorreiche Halunken“ („Il buono, il brutto, il cattivo“, 1966)
(„Il forte“, „The Ecstasy of Gold“)

Zugabe 3:
• „Queimada – Insel des Schreckens“ („Queimada“, 1969)
(„Abolição“)

Markus Haage

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Über Markus Haage 2282 Artikel
Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!