Als „Deadpool“ 2015 in die Kinos kam, überraschte dessen weltweiter Erfolg. Schon lange galt er als Kult-Charakter unter Comicfans, doch konnte ein so eigenwilliger Charakter, zu dessen Eigenschaften es gehört, sich selber nicht ernst zu nehmen und mit allen Regeln eines Comics zu brechen, tatsächlich ein globales Massenpublikum auf der großen Leinwand begeistern? Er konnte, und dies auch noch als freche R-Rated-Variante. Demnach war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis eine Fortsetzung inszeniert werden würde. Die Hürden für die Produzenten wurden durch den Erfolg des ersten Teils aber nicht kleiner, sondern viel höher…
Ohne lange Umschweife tritt die Fortsetzung von der ersten Minute an voll auf Gas. Sie geht davon aus, dass der Zuschauer die Welt des Charakters und vor allem wie er diese interpretiert und kommentiert, kennt und akzeptiert. Wem also der erste Teil zu frech, zu eigenwillig oder zu anarchisch gewesen ist, sollte die Kinokarten für die Fortsetzung sicherlich erst gar nicht in Betracht ziehen. Denn „Deadpool 2“ stellt einen teils fulminanten, aber streckenweise auch viel zu hektischen Superhelden-Spoof dar, der in aller Konsequenz inhaltlich vollkommen bedeutungslos ist, dessen er sich aber auf irritierend unterhaltsame Art und Weise auch bewusst ist. Man liest es heraus, die Fortsetzung ist ein unterhaltsam-anstrengender Film, inszenatorisch auf höchstem Blockbuster-Niveau, auch wenn es überraschend viele schwache CGI-Momente gibt.
Nach dem Durchbrechen der vierten Wand im ersten Teil, wohlgemerkt natürlich eine Eigenschaft der Comic-Vorlage, führen nun zusätzlich Zeitreisen den eigentlich sehr dramatischen, teils hoch emotionalen Plot ad absurdum. Es funktioniert trotzdem, weil der Film dies mit einem großen Augenzwinkern verkauft. So stellt „Deadpool 2“ auch einen andauernden Spoof der kompletten Superhelden-Welle der letzten zehn Jahre dar, denn man fast schon als Kritik auffassen könnte. Dies wird vor allem bei der ziemlich grandiosen Mid-Credits-Scene deutlich, die zumindest in meinem Kinosaal viele junge Kinozuschauer schon nicht mehr verstanden (Ist „X-Men Origins: Wolverine“ wirklich schon sooo alt ..?). Wobei man anmerken muss, dass „Deadpool 2“ mehr Ähnlichkeiten mit Buddy-Cop-Streifen wie „Last Boy Scout“ oder „Tango & Cash“ besitzt als mit den derzeit populären Blockbustern aus dem Hause DC und Marvel. Weswegen auch die Kritik, dass nun noch ein weiterer Superhelden-Film in den Kinos startet, etwas erlischt. Es ist ein Superhelden-Film. Irgendwie. Oder eher ein Film, der ähnlich der Cop-Movie-Welle der 1980er-Jahre die Superhelden als Realität hinnimmt und ihnen viele neue Aspekte abringt. Das ist spannend auch in Hinblick auf die Zukunft des Fox-Marvel-Universums (siehe den kommenden X-Men-Horrorfilm „New Mutants“, der hier wohl schon hart angeteast wurde). Deswegen sollte man die Superhelden-Welle auch etwas entspannter angehen. Sie unterscheidet sich gar nicht so sehr von den US-Großstadt-Cops der 1980er-Jahre, die in ihrer Welt eben auch eine gewisse Art von Superhelden darstellten.
Als Zuschauer kann es dennoch streckenweise etwas sehr ermüdend oder zumindest anstrengend sein den ganzen Irrwitz aufmerksam zu verfolgen. Man vermutet fast in jeder Einstellung einen Gag. So besitzt „Deadpool 2“ strukturell auch mehr Ähnlichkeiten mit einer Animationsserie als mit einem klassischen Film. Vielleicht ist „Deadpool 2“ auch einfach nur die fleischgewordene Comic-Verfilmung, die wir uns schon immer gewünscht haben, auch wenn sie so getreu umgesetzt nicht vollends als Film funktionieren kann. Die ewige Selbstdemontage und -ironie verkommt manchmal zu einem unnötigen Running Gag, auch dort wo der Film den Hauptcharakteren wirklich versuchte Neues abzuringen. Das ist schade, denn hier wurde echtes dramatisches Potenzial verschenkt. Die teils irrwitzigen Höhepunkte stehen im vollkommenen Kontrast zu den menschlichen Abgründen. Selten zuvor war ein Comicfilm so brutal ehrlich aber auch überzogen unrealistisch zugleich. Mit ein paar Kniffen hätte „Deadpool 2“ auch eines der dunkelsten, aber vielleicht auch besten Kapitel der Comicfilmgeschichte werden können. Den Mut hatte man dann wohl doch nicht und stopfte die Gags als Ausgleich rein. Dies geht vor allem auf Kosten des Hauptcharakters, der aber – wie erwähnt – auch Platz machen muss für zwei beeindruckend facettenreiche Nebencharaktere. Selbst Hauptdarsteller Ryan Reynolds ist sich dessen schon bewusst und merkte während der aktuellen PR-Tour, dass ein dritter Teil vielleicht kein Solofilm mehr sein sollte. Er könne sich einen Teamfilm der X-Force wohl eher vorstellen. Nichtsdestotrotz stellt der „Deadpool 2“ dennoch einen Heidenspaß dar. Nichts ist heilig, nichts darf heilig sein. Es gibt keine Grenzen, schon gar nicht die des guten Geschmacks. Manchmal zu infantil, manchmal aber auch schmerzhaft ehrlich. Der erste Teil wirkte runder, der zweite Teil etwas gehetzt. Als absurder Kinospaß, den es so eigentlich gar nicht auf der Leinwand geben dürfte, definitiv den Kinobesuch wert. Sehr gute 7 von 10 möglichen Brad Pitts.
‐ Markus Haage
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