Man möge sich erinnern: es gab eine Zeit, in der ein Handy so schwer war, wie ein Stapel Backsteine und dessen Benutzung aus finanzieller Sicht nur den Oberen Zehntausend vorbehalten war. Der Otto-Normalbürger sah sich deswegen gezwungen über Jahrzehnte hinweg die einstmals gelben, verdreckten, nach Urin stinkenden, vollgetagten und dank deutscher Baukunst extrem schwer zu öffnenden Telefonzellen zu benutzen. Aber auch Hollywood-Stars kamen nicht drumherum ins Telefonhäuschen zu steigen. Und so erkoren Drehbuchautoren und Regisseure die beliebte Zelle mal zum Lebensretter, mal zur Notrufzentrale oder aber auch zur tödlichen Falle. Hier sind die zehn wichtigsten Telefonzellen der Filmgeschichte!
10. „Hackers – Im Netz des FBI“ (1995)
Als Angelina Jolie noch lediglich die Tochter von Jon Voight war, spielte sie in diesem zwar vollkommen absurden, aber aufgrund haufenweiser 90er-Pop-Trashkultur unterhaltsamen Werk eine gewiefte Hackerin mit Kurzhaarfrisur, die sich nicht nur im Kampf gegen das ominöse System (hier: US-Regierung) befindet, sondern auch noch gegen Superhacker Eugene Belford (Fisher Stevens! FTW!). Glücklicherweise kann man sich mit einer noch so schnöden Telefonzelle in jeden noch so unglaublichen Supercomputer reinhacken – sonst würde die Welt heute am Abgrund stehen. Oder auch nicht… Wohl eher nicht.
9. „The Matrix“ (1999)
Wat machste wenn Computer-Programme im CDU-Parteitag-Look dich innerhalb einer künstlichen Computer-Welt jagen, um dir die Bits and Bytes aus dem Scheitel zu prügeln? Tja, wat machste? Ganz einfach: ab zum nächsten Telefon, Operator anrufen und den eigenen Datensalat per futuristischem USB-Stick ins reale Genick jagen. Somit entzieht man seinen Geist aus den Fängen der Matrix. Das man nicht immer ein Handy dabei (geschweige denn Empfang) hat und auch die handelsüblichen Wählscheiben-Telefone nicht immer einsatzbereits sind, dürfte klar sein. Also, muss eine Telefonzelle spektakulär herhalten. Dumm nur, dass dankt mobiler Funktechnik die meisten Zellen bereits abgeschafft wurden. In letzter Sekunde (und mit einem Spannungsbogen, der bis zum Maximum gespannt ist) schafft es Trinity in die rettende Zelle. Man gut, dass wir uns im 1999 befinden. 2008 dürfte die rettende Zelle schwieriger zu finden sein…oder wir befinden uns doch in der Matrix und der schleichende Tod der Telefonzelle ist beabsichtigt…um…jetzt ergibt alles einen Sinn! Oh, my god! Deutsche Telekom is MATRIX spelled backwards!
8. „Phantom Kommando“ (1985)
Im Action-Kracher „Phantom Kommando“ von 1987, in dem immerhin 107 Schurken in weniger als 80 Minuten (ohne Vor- und Abspann) ihr Leben lassen müssen, setzt die steirische Akschn-Eiche Arnold ALLES ein, um seine Tochter aus den Fängen des kettenhemd-tragenden Benett zu befreien. Von der Kreissäge über ein Abflussrohr bis eben zur Telefonzelle – Schwarzenegger weiß jeden noch so alltäglichen Gegenstand in Kriegsgerät umzuwandeln, und so wird eben auch eine Telefonzelle von ihm aus dem Boden gerissen und weggeworfen – inklusive Schurken. Und dabei wollte der doch nur telefonieren…
7. „Superman – Der Film“ (1976)
Das Clark Kent sein hautenges Spandex-Kostüm, welches als perfekte Tarnung und signifikantes Merkmal seines wahren Egos Superman (aka. Kal-El) dient, unter seinen Alltagsklamotten trägt, dürfte hinreichend bekannt sein. Doch auch Superman kennt nicht nur Schamesröte, sondern muss selbstredend seine menschliche Identität geheimhalten und wenn Tod und Terror in der Öffentlichkeit regiert, so kann es mitunter vorkommen, dass er nicht den richtigen Ort findet, um sich seiner Klamotten zu entledigen. Zum Glück gibt es leerstehende Autos, verdreckte Seitengassen, und eben Telefonzellen. So konnte er in seinem ersten Leinwand-Auftritt anno 1976 inkognito sein Gewand umhängen und undgehindert Louis Lane aus der Lebensgefahr retten. Einige Jahre später rettete er übrigens in „Superman III – Der stählerne Blitz“ einen Mann vor dem Ertinken in einer Telefonzelle. Dies ist allerdings eine andere Geschichte…
6. „Nicht auflegen!“ (2002)
Der Inbegriff des Telefonzellen-Thrillers. Falls es dieses Subgenre vorher noch nicht gab, so wurde es mit diesem geradlinigen Thriller aus dem Jahre 2002 erfunden. Zugegebenermaße kam diese Idee recht spät – als die Zelle bereits zu den vor dem Aussterben bedrohten Kommunikationsmitteln gehörte. Nichtsdestotrotz gelang Regisseur Joel Schumacher einer der Überraschungshits 2002 und brachte Colin Farrell den Durchbruch in Hollywood. Aber auch für Kiefer Sutherland, den wahnsinnigen Terror-Anrufer, war es die Rückkehr in die schauspielerische Bedeutung.
5. „Dirty Harry“ (1971)
Okay, ihr habt mich erwischt, ich habe gelogen. In tiefer Schande muss ich eingestehen, dass „Nicht auflegen!“ wohl doch nicht der erste Telefonzellen-Thriller der Filmgeschichte war. Zwar hockt der dreckige Harry in seinem ersten filmischen Auftritt nicht 90 Minuten auf 1m²-Raum, allerdings gehört die Verfolgungsjagd von Fernsprecher zu Fernsprecher im ersten „Dirty Harry“-Film zu eine der bekanntesten Szenen des 70er-Action-Kinos. Vom wahnsinnigen Killer Scorpio wird Eastwood von Telefonzelle zu Telefonzelle durch halb San Francisco gejagt. Dafür hat Harry nur wenige Minuten Zeit. Sollte er je nach dem vierten Klingeln den Hörer nicht abnehmen, stirbt ein 14-jähriges Mädchen in der Gewalt Scorpios. Eine ähnliche Szenerie erdachte sich Drehbuchautor für sein Skript zu „Simon says“, aus dem später „Stirb Langsam – Jetzt erst recht!“ (1995) wurde.
4. „Jumpin’ Jack Flash“ (1986)
Geheimdienste kennen keine Gnade. Und so wird selbst Whoopie Goldberg am hellichten Tage in New York City in einer Telefonzelle durch die Stadt geschleift. Grund: als Chat-Freund des CIA-Agenten Jack tut sie ihm einen Gefallen und überbringt eine geheime Nachricht an die britische Botschaft – und gerät somit zwischen die Fronten des Kalten Krieges. Ergebnis ist eine der wohl lustigsten Filmszenen der 80er-Jahre: Whoopi als hysterisches KGB-Ziel, das in einer Telefonzelle durch New York gezogen wird.
3. „Die Vögel“ (1963)
In einer der berühmtesten Szenen des Films, bricht mordlustiges Gefieder per Rückprojektion und Blue-Screen in einem Kamikaze-Angriff über Hauptdarstellerin Tippi Hedren und das Küstenstädtchen Bodega Bay herein. Einziger Schutz und somit Lebensretter: eine schlichte Telefonzelle. Sonst wäre schon nach 30 Minuten Schluß. Während draußen Menschen die Augen ausgepickt werden, Tankstellen brennen und Autos zusammenstoßen, kann sich Tippi mehr oder weniger in Sicherheit wiegen. Bevor allerdings auch die Scheiben der Telefonzelle durch gezielte Sturzflug-Attacke zu Bruch gehen, schaut schnell noch der Real American Hero Rod Taylor vorbei, der Jahre zuvor übrigens mit H.G. Wells „Zeitmaschine“ durch die Jahrhunderte surfte.
2. „Bill undTeds verrückte Reise durch die Zeit“ (1988) und „Bill und Teds verrückte Reise in die Zukunft“ (1991)
Apropos Zeitmaschine (wenn das jetzt mal kein Übergang war…). Ihr habt es wahrscheinlich schon geahnt: eine Telefonzelle, die durch die Zeit reist und somit das exzellente Leben aller Hoschis auf diesem Planeten retten wird, muss auf Platz Zwei der wichtigsten Telefonzellen der Filmgeschichte kommen. Zumal sie nicht nur einmal, sondern gleich zweimal die Geschichte der Erde beeinflußt. Im Jahre 1988 steht das Schicksal der Menschheit auf dem Spiel: wenn Bill „Herrscher über die Sülznasen“ Preston und Ted „Das Nashorn“ Logan ihre Geschichtsprüfung nicht bestehen, muss Ted auf eine Militärakademie nach Alaska – und ihre Band „Wyld Stallyns“ wird zerbrechen. Damit würden sie weltweit keine Erfolge einheimsen und die Erde in Frieden und Freiheit vereinen. Rufus, Bote aus der Zukunft, übergibt ihnen eine Telefonzelle als Zeitmaschine, um nicht nur die Geschichte selbst zu erleben, sondern mithilfe von Sokrates, Napoleon, Ludwig van Beethoven und vielen mehr das exzellenteste Referat aller Zeiten hinzulegen! Im zweiten Abenteuer werden Bill und Ted vom Tyrannen Chuck De Nomolos gar ermordet und durch Roboter ersetzt – doch auch diesmal wieder lassen Rufus und seine Telefonzelle sie nicht im Stich. Aus der Hölle nehmen sie mitsamt des Sensenmanns Kurs in Richtung Zukunft. Dank der Telefonzellen steht uns nun allen ein buntes und granatenstarkes Dasein bevor. In diesem Sinne: „Volle Kanne, Hoschis!“
1. Die unbekannte Telefonzelle
Platz 1 soll hier ausnahmsweise mal keinem Film gewidmet werden, sondern der unbekannten Telefonzelle, welche in unzähligen filmischen Werken jungfräulichen Damen vermeintlichen Schutz vor schmierigen Übeltätern bot. Die für unzählige Slapstick-Filme (mitsamt Benutzer) umkippen musste oder namenlosen Detectives als Notrufzentrale diente. Sie wurde bei Verfolgungsjagden durch die Straßen von San Francisco als billiger Eyecatcher umgefahren, in ihr verbrachten philosophierende Obdachlose die kalten Wintermonate in New York und diente aufstrebenden Film-Politikern in Florida als Büro. Mit ihr starb ein Teil Film-Geschichte. Sie ist wie die Eisenbahn ein Relikt aus vergangenen Tage. Ruhe in Frieden.
‐ Markus Haage
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