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„Matrix: Resurrections“ (USA, 2021)

verfasst am 21.Dezember 2021 von Markus Haage

(© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. and Village Roadshow Films (BVI) Limited)

Nach fast zwanzig Jahren darf der Zuschauer in die Matrix zurückkehren. Die Wiederauferstehung des Ausgewählten steht an, die bereits im Finale der ursprünglichen Trilogie angeteasert wurde. Ein raffinierter, mutiger und visuell spektakulärer Sci-Fi-Thriller, der eindrucksvoll belegt, dass es noch viele Geschichten aus dieser Welt zu erzählen gibt oder geben sollte und wir uns noch ganz am Anfang des Kaninchenbaus befinden …

Offizielle Synopsis: „Matrix Resurrections“ führt uns zurück in eine Welt mit zwei Realitäten: In der einen spielt sich das alltägliche Leben ab – und in der anderen das, was dahinter liegt. Um herauszufinden, ob seine Realität ein physisches oder ein mentales Konstrukt ist und um sich selbst wirklich zu finden, muss Thomas Anderson entscheiden, ob er dem weißen Kaninchen noch einmal folgt. Und wenn Thomas etwas gelernt hat, dann ist es, dass diese Wahl noch immer der einzige Weg ist, der aus der Matrix herausführt – oder in sie hinein. Das gilt auch dann, wenn alles nur eine Illusion ist. Natürlich weiß Neo bereits, was er zu tun hat. Was er noch nicht weiß, ist, dass die Matrix stärker, gesicherter und gefährlicher ist als jemals zuvor.

Eigentlich sollte das Kinojahr 1999 ganz im Zeichen eines anderen Werks stehen. Die gesamte Medien-Industrie machte sich darauf gefasst, die „Rückkehr der Sternenkrieger“, wie die „Cinema“ es betitelte, zu zelebrieren. Nach rund 16 Jahren kehrte die „Star Wars“-Saga mit „Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung“ („Star Wars: Episode I – The Phantom Menace“, 1999) im Mai 1999 in die US-amerikanischen Kinos zurück. Doch bereits nach dem ersten Startwochenende wurde deutlich, dass das Werk den teils extrem hohen Erwartungen des Publikums und insbesondere der Fan-Gemeinde nicht gerecht werden konnte. Schöpfer, Autor und Regisseur George Lucas besaß keinerlei Interesse die alte Saga inszenatorisch und inhaltlich lediglich zu wiederholen. Er erschuf (auch mittels neuer Tricktechnik) vollkommen neue Welten, die in einem starken Kontrast zu seiner ursprünglichen Saga standen. Nicht das, was die Fans wollten, aber dennoch bekamen. Der Hype versiegte. Nicht sofort, aber stetig. Womit niemand gerechnet hat, war, dass dies nicht nur am Film selbst lag, sondern auch an einem anderen Werk, welches bereits Ende März startete und sich zu einem globalen Phänomen entwickelte: „Matrix“ („The Matrix“, 1999).

Auch wenn der Overhype einer neuen „Star Wars“-Episode den Erfolg des Films etwas überschattete, war der Sci-Fi-Thriller die Sensation des Kino-Sommers. Eine Zäsur fand statt, ein neues Zeitalter wurde eingeläutet. Nicht nur inhaltlich konnte „Matrix“ die Zuschauer mit seinen Wendungen begeistern, sondern auch inszenatorisch. Special Effects wurden präsentiert, die für lange Zeit den populären Actionfilm beeinflussen sollten und letztlich auch gleich mit vier Academy Awards® geehrt wurden. Man denke hierbei nur an den sogenannten „Bullet Time“-Effekt, der in zahlreichen zeitgenössischen Produktionen imitiert wurde (siehe die Eröffnungsszene von „Passwort: Swordfish“ aus dem Jahre 2001). Selbst das Kostüm-Design wurde in der Realität nachgeahmt und darf zurecht als ikonisch bezeichnet werden. In jeder Dorfdisco trug man im Sommer 1999 Sonnenbrille und Kunstledermantel. Aus den Lautsprechern der tiefergelegten Karren dröhnte wiederum der Soundtrack, der die Charts erklomm. Das Geschwister-Paar Lilly und Lana Wachowski hatte mit „Matrix“ einen Kulthit erschaffen, den man nur schwer hätte vorausplanen können. Sie trafen schlichtweg den Nerv der Zeit.

Die ursprüngliche Matrix-Trilogie.
(© Warner Bros. Entertainment Inc.)

Aufgrund dieses massiven Erfolges waren Fortsetzungen somit nur noch Formsache. Das ambivalente Ende des ersten Films gab diese in gewisser Hinsicht auch bereits vor. Was folgte waren „Matrix: Reloaded“ (2003) und „Matrix: Revolutions“ (2003). Zwei Filme, die mit einem Mega-Budget von 300 Millionen US-Dollar (nicht inflationsbereinigt) hintereinander gedreht und aufeinander folgend in demselben Jahr veröffentlicht wurden. Doch besonders der zweite Teil fuhr teils harsche Kritik ein und konnte trotz weitaus spektakulärer Szenen den Reiz des Vorgängers nicht wiederholen. Das Finale versuchte dies wieder wettzumachen, setzte auf weitaus mehr Action und Epik – man denke hierbei nur an den Kampf um Zion, einem fleischgewordenen Anime, oder dem wahrhaftig grandiosen Ende, das einer sprichwörtlichen Götterdämmerung gleichkam – doch die Zuschauerschaft schien von „Matrix: Reloaded“ abgeschreckt wurden zu sein. Konnte die erste Fortsetzung weltweit noch rund 741 Millionen US-Dollar einspielen, schlug das Finale nur noch mit 427 Millionen US-Dollar zu Buche (nicht inflationsbereinigt). Wahrhaftig keine kommerziellen Misserfolge – insbesondere wenn man das lukrative Merchandise dazurechnet –, aber weit hinter den Erwartungen und mit einem deutlichen Abfall versehen. Dennoch bedeutete dies nicht zwingend, dass die Serie sich bereits nach drei Filmen überlebt hätte. Die Welt, die Lana und Lilly Wachowski erschufen, bot Stoff für zahlreiche Geschichten aus vollkommen unterschiedlichen Perspektiven. Die Animations-Anthologie „The Animatrix“, die 2003 im Zuge der Fortsetzungen veröffentlicht wurde, bewies dies mit Bravour, als auch das Release des Computerspiels „Enter the Matrix“ (2003) und speziell „The Matrix: Path of Neo“ (2005). Über die Jahre gab es somit stets Gerüchte um eine Fortführung der Reihe. Letztlich sollte aber eine der Schöpferinnen die Matrix im wahrsten Sinne des Wortes rebooten und mit „Matrix: Resurrections“ („The Matrix: Resurrections“) erst im Dezember 2021 ein neues Kapitel aufschlagen …

Eines vorweg: Es erscheint schier unmöglich, „Matrix: Resurrections“ zu besprechen ohne über den Film sprechen zu können, weil die Unwissenheit des Zuschauers von solch elementarer Bedeutung für das Seherlebnis ist, dass bereits wenige Informationen dieses verderben könnten. Sie existieren eben, die wenigen Filme, die sich einer gewissen Norm (auch in der Rezeption) entziehen. Dies ist somit eine unkonventionelle Review auf ein unkonventionelles Werk.

Nur noch einen Schritt von der Realität entfernt …
(© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. and Village Roadshow Films (BVI) Limited)

Ein ungutes Gefühl macht sich beim Zuschauer bereits nach wenigen Minuten breit. Wachowski ersäuft das Publikum in der dunklen Ästhetik der Vorgängerfilme absichtlich, um ihnen das zu geben, von dem sich überzeugt sind, es haben zu wollen, Man will nicht mehr. Eher weniger. In diesem Moment vollzieht sie eine drastische Kehrtwende. Ein fast schon komödiantischer erster Akt folgt, der den Zuschauer teils irritiert zurücklässt und Zweifel daran sät, im richtigen Film oder dem richtigen Universum zu sein. Doch schnell ändert sich das. Die Irritationen sind gewollt, dieser Ansatz ist natürlich absichtlich gewählt. „Matrix: Resurrections“ präsentiert im Kontext der Franchise vollkommen Neues, nur um das Publikum zu täuschen und das Alte wieder auferstehen zu lassen. Es war immer da, blitzt vereinzelt in Form von filmischen Fragmenten auf und versucht damit stets hervorzudringen. Es brodelt unter der Oberfläche. Eine ewige Erinnerung an vergangene Zeiten, die nostalgisch verklärt werden, hängt wie ein schwerer Schleier um den ganzen Film. So als ob man das Werk stets in die Vergangenheit ziehen möchte. Wachowski verwebt diese kongenial mit ihrer radikalen Neuinterpretation. Die Vergangenheit nicht vollständig ablegen zu können, ist natürlich gewollt. Fans wollen sie, das Studio will sie, die Matrix braucht sie, also kriegen sie diese – aber so herrlich eigenwillig, wie die Schöpferin es sich nur vorstellen konnte. Nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich. Sie weiß, was das Publikum will, ist aber mutig genug, dies nicht einfach nach dessen Vorstellungen abzuliefern. Und so bekommt der Zuschauer mit jeder über Jahre eingeforderten Wiederholung auch einen Hauch von Rebellentum. Die Schöpferin lehnt sich mit ihrer farbenfrohen Ästhetik und der Neuinterpretation der Figuren nicht nur gegen das eigene Publikum, sondern auch gegen ihre eigene (alte) Welt auf. In einer Filmindustrie, die auf 27 Marvel-Filme und 21 Marvel-Serien innerhalb von fünfzehn Jahren, zehn „Star Wars“-Serien in Produktion, dem ewigen Bond-Reboot und zig Terminator-Varianten (jedes Sequel seit 2009 ein Reboot oder gar Remake) aufbaut, kommt eben selbst „Matrix“ als Ident Property nicht mehr drumherum erneut ausgegraben zu werden, aber wenn schon, dann unter dem Motto „Same, but different“. Und zwar very, very, very different“.

„Same, but very, very, very different.“. Eine Erinnerung? Ein Déjà-vu? Ein Glitch in der Matrix? Die Teaser-Poster zu „Reloaded“ (2003) und „Resurrections“ (2021).
(© 2003 & 2021 Warner Bros. Entertainment Inc.)

Im Zeitalter der sogenannten Legacy-Sequels, man denke hierbei nur an aktuelle Produktionen wie „Spider-Man: No Way Home“ (2021) oder „Ghostbusters: Legacy“ („Ghostbusters: Afterlife“, 2021), wäre es aber viel zu einfach, dem Film vorzuwerfen, dass er lediglich versucht die ikonischsten Momente insbesondere des ersten Teils imitieren zu wollen. Inhaltlich würde dieser Vorwurf dem Werk nicht gerecht werden, da dies letztlich zum Konzept der Filmreihe gehört: die Matrix rebootet sich stets erneut, um die maximale Konformität für die menschlichen Batterien in Gefangenschaft zu ermöglichen. Nicht, damit es ihnen gut geht, sondern sie nicht erwachen. Dass Neo erneut zurückkehrt, ist damit nur konsequent. Bereits die finale Szene von „Matrix: Revolutions“ offenbarte, dass zwischen Mensch und Maschine lediglich ein Frieden erkämpft werden konnte. Die Matrix existierte in einer erneut veränderten Variante – einem Update – weiterhin. Der grün-triste Schleier verschwand, ein farbenfroher Sonnenaufgang verabschiedete den Zuschauer in „Revolutions“ in den Abspann. Wachowski greift dieses nun stringent auf, hält sich somit visuell an die eigenen vor zwanzig Jahren etablierten Vorgaben und entwickelt diese aber inhaltlich folgerichtig weiter und nutzt diese vorgegebene Prämisse des ewigen Wiederanfangs auf smarte Weise für eine einzigartig präsentierte Kultur- und Gesellschaftskritik. „Matrix: Resurrections“ ist unheimlich … anders, aber zugleich auf irritierende Weise extrem … vertraut.

„Matrix: Resurrections“ ist der Meta-Film schlechthin. Jeder Satz, jede Einstellung, jede inhaltliche Wendung verweist auf etwas. Das gesamte Konstrukt ist altbekannt und gleichzeitig neu. Der Film ist sich dessen bewusst, die Macher sind sich dessen bewusst, die Protagonisten und Antagonisten sind sich dessen bewusst und auch der Zuschauer ist sich dessen bewusst. Letzterer ist in gewisser Hinsicht ein Teil dieser neuen Matrix. Sein bloßes Erschienen im Kinosaal macht ihn bereits zu einem Darsteller der Handlung, da diese aktiv auf ihn eingeht. Trotz allem visuellen Bombast, actionreicher Momente, jeglicher Selbstironie und komödiantischer Einlagen, stellt dies ein kleines narratives Meisterstück auf unterschiedlichen Ebenen dar. Der Film referenziert nicht nur seine Vorgänger, sondern auch die Reaktionen darauf, bezieht den Zuschauer mit ein, spielt mit dessen Erwartungen, unterwandert und enttäuscht diese absichtlich, stellt sie auf den Kopf und präsentiert dann letztlich doch das, was immer da, zu erwarten und bekannt war. Möchte man dem Werk etwas vorwerfen, dann vielleicht nur, dass die Laufzeit von rund 150 Minuten kaum ausreicht, um alles elegant auszuerzählen.

Demnach überrascht es auch nicht, dass Lana Wachowski als Aufhänger der Storyline – und nun folgt ein ganz leichter Spoiler! – eine mögliche Neuauflage der „Matrix“ innerhalb der Matrix nimmt. Die neue Version von Thomas Anderson (Keanu Reeves) ist Game-Developer, die „Matrix“ existiert als Videospiel in seiner Welt. Wachowski persifliert damit nicht nur Hollywoods Umgang mit den ewigen Sequels, Prequels, Spin-Offs und Reboots – das eigene Produktionsstudio Warner Bros. wird gar namentlich erwähnt –, sondern auch das ewige Bedürfnis des Zuschauers nach Nostalgie, der nie enden wollenden Reise ins bereits Bekannte, und vermischt dieses mit Sinn und Zweck der Matrix innerhalb der eigenen Filmwelt. Der „alte“ Film ist im Film Teil der Matrix-Mythologie geworden. Eine Folklore außerhalb der Matrix, die stets leicht verfremdet von Generation zu Generation weitergeben wurde, ein popkultureller Mythos innerhalb der Matrix und jeder Mythos besitzt eben einen wahren Kern. Der erste Film wird zur In-Universe-Legende verklärt. Dies überträgt sich natürlich auf unsere Realität. Dass Keanu Reeves somit erneut zurückkehrt und seine Rolle abermals aufgreift, Protagonist des eigenen Reboots oder in Teilen gar Remakes ist und sich dessen vollends bewusst ist, ergibt nur Sinn. Nicht nur, weil die christliche Ikonografie zu Neos Tod in „Revolutions“ diese Wiederauferstehung („Resurrection“) schon vor 20 Jahren angekündigt hat („Es ist vollbracht!“), sondern sie natürlich auch vorprogrammiert war. Wie der Architekt (Helmut Bakaitis) in „Reloaded“ bereits sagte, Neo ist nicht der erste Erlöser und wird auch nicht der Letzte sein. Er ist die mittlerweile sechste Version, die sich aus einem gewissen unkalkulierbaren Chaos ergibt. Es ist die ewige Resurrection (Wiederauferstehung), der andauernde Reboot, der immer wiederkehrende Restart. Dies ist in „Resurrections“ eben nicht nur einfach der Aufhänger, sondern das Konzept. Die Redundanz ist das Programm und wird genutzt, um die Menschen in ihrer eigenen wohligen Vergangenheit gefangen zu halten. Es ist die ewig gleiche Geschichte, die leicht verfremdet weitererzählt wird. An Höhlenwänden, an Lagerfeuern, auf Papyrusrollen, in Büchern, Theaterstücken, Filmen oder Computerspielen. Nostalgie bedeutet Kontrolle.

Fiktion und Realität vermischen sich.
(© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. and Village Roadshow Films (BVI) Limited)

Dazu gehören auch die Fragmente der Vergangenheit. Das ewige Déjà-vu als Betriebssystem-Problem. Die Geister der Vergangenheit, die Echos einer anderen Realität. Veraltete Programme, die nicht gelöscht oder überschrieben oder geupdatet wurden. Manchmal nur ein Glitch in der Matrix, manchmal als stabilisierender Faktor gewollt oder als das Ende der Kreativität seitens der Maschinen hingenommen. Dies alles gehört zur Kern-Mythologie der Franchise, die bereits mit dem sensationellen Originalfilm etabliert wurde. Regisseurin Wachowski ist sich dessen vollends bewusst, kokettiert eben nicht nur mit dieser Mythologie, sondern übt über die ewige Reminiszenz auch Selbstkritik. Die Matrix imitiert sich in ihrer andauernden Redundanz selber und zeigt damit auf, dass die Maschinen letztlich in ihrer Kreativität limitiert sind. Der Architekt war in „Reloaded“ stets davon überzeugt, dass die erste Matrix die perfekte Version gewesen ist, die aber von den niedrigen Menschen nicht akzeptiert wurde. Leid und Elend wurden hinzugefügt, damit das System funktionieren könne, aber selbst dies war nicht von langer Dauer. Ein Funke Chaos, damit das System neu gerebooted und bereinigt werden kann, erscheint stets vonnöten. Dieser Funke wird dem System erneut hinzugefügt.

„Matrix: Resurrections“ ist weitaus mehr als nur eine verschachtelte und tiefsinnige Abhandlung über Schein und Wirklichkeit auf zahlreichen Meta-Ebenen, die x-te Neuauflage etablierter philosophischer Gleichnisse im neuen Gewand. Das Werk ist auch Romanze und Action-Abenteuer zugleich. In Teilen hochdramatisch und emotional, aber auch atemberaubend und temporeich. Regisseurin Wachowski inszeniert faszinierend malerische Bilder, die wohl nur auf der großen Leinwand vollends erlebt werden können. Sie spielt mit den etablierten Figuren, erfindet sie neu und reißt ihren Mythos ein, um diesen in abgewandelter Form neu aufzubauen. Man spürt, dass sie daran die größte Freude hatte. Und es funktioniert. Nicht nur die gewollte Gegenüberstellung von alten und neuen Material zeigt deutlich auf, dass eine bloße inszenatorische Kopie kaum sinnvoll gewesen wäre, die Neuinterpretation und Weiterentwicklung etablierter Figuren, insbesondere von Morpheus (Yahya Abdul-Mateen II) und Niobe (Jada Pinkett-Smith), gewinnt dem Matrix-Universum vollkommen neue Aspekte ab. Abdul-Mateens gewagtes Spiel könnte fast als Persiflage durchgehen, wenn es nicht so perfekt in diese andersartige, aufgedrehte Matrix passen würde, die abermals von neuen Mächten mit eigenen Zielen gelenkt wird. Besonders sticht allerdings Jessica Henwick hervor, deren Figur in möglichen Sequels sicherlich eine noch weitaus größere Bedeutung zugeteilt wird. Sie wird wohl die Zukunft dieser neuen Matrix oder der Franchise sein, die sich natürlich auch den technologischen Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte unterworfen hat. Diese im Detail drastischen Updates werden nicht jedem Fan, der selber in der Vergangenheit gefangen ist, gefallen. Sie sind aber notwendig, um die Geschichte nicht nur für eine neue Generation aufzubereiten – Teil 1 ist nun auch 23 Jahre alt –, sondern der eigenen Mythologie treu zu bleiben. Der ewige Reboot muss sich trotz aller vorprogrammierten Redundanz weiterentwickeln, ansonsten würde man die Handlung der ersten Trilogie für nichtig erklären. Auch die Matrix ist ein Gefangener der Matrix.

Nicht minder spektakuläre Special-Effects wie im Originalfilm.
(© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. and Village Roadshow Films (BVI) Limited)

Mit „Matrix: Resurrections“ präsentiert uns Regisseurin Wachowski als Schöpferin der ursprünglichen Welt ein teils exzentrisches Genre-Mosaik, das die etablierte Mythologie nicht nur einfach rebootet, sondern selber remixed. Dabei beweist sie Mut, indem sie die Matrix nicht nur in einem wahrhaftig vollkommen neuen Glanz erstrahlen lässt, sondern auch dem Publikum, welches in der ewig gestrigen Nostalgie gefangen ist und die ewige Wiederholung einfordert, ihr altes Werk dieser neuen Welt gegenüberstellt. Sie „entwertet“ damit den kommerziell erfolgreichsten Teil ihres eigenen Schaffens. Nur wenige Künstler besitzen die charmante Chuzpe so etwas zu tun. Quasi die alten Ikonen von ihrem Podest zu stoßen. Man kann „Resurrections“ sicherlich vieles vorwerfen, aber nicht, dass hinter dem Werk keine künstlerische Vision steht. Die Alternative wäre all das gewesen, was wir bereits kennen, und der Film absichtlich als Kritik kopiert und zeitweise gar persifliert. Nämlich die ewige Wiederholung. Reboots, Remakes, Sequels, Prequels, Spin-Offs. Wie erwähnt, Nostalgie bedeutet Kontrolle. Lana Wachowski ist bereit, Kontrolle abzugeben.

Der nunmehr vierte Teil wird vor allem unter Fans polarisieren, da der inszenatorische Kontrast zwischen den Filmen absichtlich zu hoch ist, die inhaltlichen Ähnlichkeiten wiederum mythologisch vorgegeben sind. Kein Zuschauer wird letztlich wohl das bekommen, was er will, und falls doch, vielleicht unweigerlich realisieren müssen, dass er es lieber nicht bekommen hätte. Wenn ja, dann wäre dies im Kontext der Handlung (!) das größte Kompliment, dass die Filmemacherin hätte erhalten können.

Markus Haage

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Über Markus Haage 2272 Artikel
Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!