„Suicide Squad“ ist in den amerikanischen Kinos angelaufen und scheint stark zu polarisieren. Auf Rotten-Tomatoes erhielt der Film von den Kritikern nur 27%, das Publikum gibt ihm (bisher) 74%. Eigentlich hoffte Warner Bros. darauf, dass „Suicide Squad“ der große Hit des bisherigen DCEUs (DC Extended Universe) werden und Kritiker und Publikum gleichermaßen zufriedenstellen wird. Dies scheint abermals nicht der Fall zu sein. „Batman v Superman“ erhielt teils harsche Kritiken, blieb beim Kino-Einspiel zwar hinter den Erwartungen zurück (man erhoffte sich schon die 1-Milliarde-Grenze zu knacken), ist aber entgegen landläufiger Meinungen ein voller finanzieller Erfolg. Die Blu-ray-Verkäufe der Ultimate Edition schießen in den USA durch die Decke, die Verkäufe sind vergleichbar mit „Das Erwachen der Macht“ (Was eine andere Debatte um die Bedeutung des Box Offices allgemein auslösen sollte: Wie wichtig ist das Kino-Einspiel in Zeiten von Heimkinos und Streams noch, wenn die Kinofilme 12 Wochen nach Start bereits legal in HD-Qualität erhältlich sind?). Dennoch, „Suicide Squad“ sollte vielleicht nicht alles, aber vieles ändern, vor allem da die Trailer unglaublich gut ankamen. Und genau dies scheint das Problem gewesen zu sein…
Der Januar-Trailer zu „Suicide Squad“ (mit „Bohemian Rhapsody“ als Musikuntermalung) wurde so populär, dass Warner kalte Füße bekam. Wie der Hollywood-Reporter berichtete, wurde der Film aus ihrer Sicht „falsch“ verkauft. Der Trailer und der bis dato angefertigte Cut unterschieden sich immens. David Ayers „Suicide Squad“ war dunkler, weniger poppig und witzig. Der Trailer suggerierte ein großes buntes und gleichzeitig schräges Action-Spektakel. Warner ließ dann von den Machern des Trailers einen anderen Cut von „Suicide Squad“ anfertigen, der in „Konkurrenz“ zu Ayers Cut stand. Beide Schnittfassungen wurden vor Publikum getestet, Warners alternativer Cut kam besser an. Hinzu kam ungefähr zum gleichen Zeitpunkt die negative Kritik zu „Batman v Superman“. Man setzte sich mit Ayer zusammen und versuchte einen Mittelweg zu finden, was letztendlich in größeren Nachdrehs resultierte. Actionszenen wurden ausgebaut, mehr Gags eingebaut. Das Ergebnis scheint ein zerrissener und holperiger Film zu sein. Ein Streifen, dem man die Nachdrehs anmerken würde, weil es keine klare Linie gibt.
Trotz allem soll der Film ein fabelhaftes Eröffnungswochenende hinlegen, ob er aber „Legs“ besitzt, also die Zuschauer über mehrere Wochen ins Kino locken kann, bleibt abzuwarten.
Man muss dies alles natürlich auch im richtigen Kontext betrachten. Es ist erst der dritte DCEU-Film. Die ersten fünf Filme des MCUs (Marvel Cinematic Universe) waren bis auf „Iron Man“ (2008) auch alle keine weltbewegenden Kracher, aber Marvel Studios nahm sich die Zeit die Welt Schritt für Schritt und in Ruhe aufzubauen. Auch bis heute gibt es viel (unterhaltsames) Mittelmaß im MCU („Thor 2“, „Avengers: Age of Ultron“), welches von teils großartigen Filmen immer wieder wachgerüttelt und zusammengehalten wird („Guardians of the Galaxy“, „Winter Soldier“), aber genau das fehlt bisher im DCEU, und „Suicide Squad“ sollte dies sicherlich werden. Warner und DC preschten sehr schnell voran („Man of Steel“ und „Batman v Superman“ sind inhaltlich meiner Meinung nach mindestens eine Trilogie, wenn nicht sogar eine Tetralogie) und haben bis jetzt nicht den großen Crowdpleaser produziert, der bei Publikum und Kritikern gleichermaßen erfolgreich ist. Bei Marvel war dies aber schon der erste Film, nämlich „Iron Man“ (2008), ein absolut unkonventioneller Überraschungserfolg, weswegen Robert Downey Jr. und der Charakter auch heute noch so unglaublich bedeutend für Marvel Studios ist (was auch zu Problemen führen kann, ich sehe bis jetzt keinen echten Ersatz für Iron Man im MCU).
Von daher sollte man Warner und DC schon eine gewisse Zeit einräumen. Aber ich glaube auch nicht, dass „Wonder Woman“ (2017) die große Überraschung wird. Afflecks „The Batman“ benötigt noch zuviel Produktionszeit, auch wenn Warner hier sicherlich sehr, sehr viel Druck ausüben wird, dass der Film „schnellstmöglich“ produziert wird. In der (bisherigen) Reihenfolge wird „Justice League“ (2017) somit eine enorme Bürde tragen müssen. Sollte der Film nicht einschlagen wie eine Bombe, wird damit sicherlich das gesamte DCEU oder zumindest dessen grundlegende Ausrichtung in Frage gestellt werden müssen. Bei dem Potenzial kann Warner sich mit Box Office-Ergebnissen um 800 Millionen nicht zufrieden stellen. Nicht weil dies schlecht oder die Filme damit ein Flop wären, sondern weil Marvel bewiesen hat, dass da sehr viel Luft nach oben ist. „Iron Man 3“ machte 1,3 Milliarden im Kino, „Civil War“ immerhin noch 1,1 Milliarde (was aber auch schon eine kleine Warnung an Marvel sein sollte, denn die große Euphorie setzte nach „Civil War / Avengers 2.5“ auch nicht ein).
Ironie der Geschichte: Sollten alle Stricke reißen, kämen noch James Wans „Aquaman“ oder „The Flash“ in Frage, die die großen Überraschungshits werden könnten. Ausgerechnet „Aquaman“. Schaut man sich die Reaktionen zu Aquaman im „Justice League“-Promotrailer an, kann ich mir schon vorstellen, dass dieser komplett neuinterpretierte Charakter vielen Zuschauern gefallen wird. Aber das ist nur ein Bauchgefühl von mir. „Cyborg“ ist sicherlich das große Risiko, „The Flash“ kann ich aufgrund der Popularität der „konkurrierenden“ TV-Serie schwer abschätzen.
Tja, und nun? Abwarten und Tee trinken. Die Publikumsreaktionen zu „Suicide Squad“ unterscheiden sich schon massiv zu den Kritikerreaktionen. Jetzt muss sich zeigen, ob sich das auch im Box Office und den Heimmedien-Verkäufen wiederspiegelt.
‐ Markus Haage
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