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Paranormal Activity (USA, 2007)

verfasst am 16.November 2009 von Markus Haage

„If you move from this house, it will follow you everywhere you go.“

Es kommt nicht jedem Tag vor, dass ein 15.000 Dollar-Amateurfilm, der bereits mehr oder weniger offiziell seit zwei Jahren durchs Internet geistert, das amerikanische Box-Office auf den Kopf stellt und selbst Big-Budget-Produktionen von der Spitze vertreibt, nachdem dieser besagte Amateurfilm bereits seit Wochen in den Kinos ist. Normal ist das nicht, sondern Paranormal. 😉 Was für eine Überleitung…

(© Paramount Pictures)

Micah und Katie scheinen ein ganz normales junges, amerikanisches Pärchen zu sein. Gut, dass man sich mit Ende 20 bereits ein dickes Haus leisten kann, zumal die weibliche Hälfte des Paares noch Lehramtsstudentin ist, ist etwas unüblich, die Immobilienkrise in den US of A wird aber auch einiges dazu beigetragen haben, und so erfreuen sie sich an ihrem neuen Heim, finanziert durch Micahs Börsenspekulationen. Wie es hippe Twens heutzutage so tun, muss im digitalen Zeitalter selbstredend alles mit Kameras aufgenommen werden, so auch ihr neues Reich.

(© Paramount Pictures)
(© Paramount Pictures)

Doch das neue Heim hat so seine Tücken. Es ist geräumig und frisch renoviert, dennoch macht es merkwürdige Geräusche. Ob tagsüber oder nachts, in unregelmäßigen Abständen knarschen die Dielen, ächzen die Leitungen – ein Baufehler? Wohl kaum, denn nachts wacht Katie auf und hört ein Trapsen im Treppenhaus. Micah nimmt sie nicht ernst und beschließt einfach seine Kamera im Schlafzimmer aufzustellen, um dort die seiner Meinung nach nicht vorhandenen nächtlichen Aktivitäten aufzunehmen…

(© Paramount Pictures)
(© Paramount Pictures)

Doch auch er ist bald davon überzeugt, dass sie nicht allein im Haus sind. Die paranormalen Aktivitäten nehmen stetig zu, in ihrem Auftreten, als auch in ihrer Stärke. Türen fallen zu, Kronleuchter wackeln, Bilder werden zerstört, undefinierbare Schatten legen sich über ihr Bett, nervenzerfetzende Schreie ertönen. Katie und Micah entscheiden einen Experten zu Rate zu ziehen, doch dieser hat keine positiven Nachrichten für das Paar. Im Haus befindet sich kein schnöder Poltergeist, der nur auf sich aufmerksam machen will, sondern ein Dämon und vor diesem kann Katie nicht fliehen. Nicht das Haus ist verflucht, sondern sie selber. Ein Umzug wird nicht helfen, der Dämon wird sie überall hinfolgen. Derzeit kann man nur versuchen, den Schaden zu begrenzen und somit den Terror auszuhalten. Doch als Micah Tage später versucht über ein Ouija-Brett den Dämon zu kontaktieren, öffnet er damit eine Tür, die nicht mehr geschlossen werden kann. Mit jedem Tag gewinnt der Dämon an Kraft und Macht über Katie, die er seit Jahren verfolgt…

(© Paramount Pictures)

Was der israelische Nachwuchsregisseur Oren Peli mit lediglich 15.000 Dollar auf die Beine gestellt hat, zollt nicht nur einfach Respekt ab, sondern unterhält dazu auch noch ungemein – mehr als so mancher Big-Budget-Blockbuster. Und dabei ging das Budget gar nicht einmal für die Filmtechnik drauf oder irgendwelche besonderen Spezialeffekte. Auch nicht für die Gagen (500 Dollar für die beiden Hauptdarsteller), sondern in erster Linie für den Umbau Pelis Hauses. Der komplette Film wurde in seinen eigenen vier Wänden gedreht – um es spukfertig zu machen, musste er es umbauen und zusätzlich dazu unzählige Alltagsgegegnstände, sowie Mobiliar einkaufen, dass er selber nicht besaß, damit das Haus zum einen eben wie ein typisches Twen-Heim aussah und damit die ausgeklügelten Spukattacken auch Sinn ergaben. So hat er seine Treppe, sowie das erste Obergeschoß komplett mit Holz auslegen lassen, damit der Dämon nicht über einen stillen Teppich ins Schlafzimmer schleichen muss. Peli selber meinte dazu, das dies neben dem eigentlichen Erfolg, der schönste Nebeneffekt gewesen sei. Endlich lebte er in einem normalen Haus und keiner Studentenbude mehr.

Doch der Erfolg blieb sehr lange aus. „Paranormal Activity“ ist kein neuer Film – sondern wurde bereits 2007 veröffentlicht. Seine eigentliche Premiere hatte der Streifen auf dem Slamdance-Filmfestival, wo er begeistert aufgenommen wurde. Peli fertigte unzählige DVD-Screener an, die er verschiedenen Studios zusandte – zeitweise wurde der Film sogar ins Netz hochgeladen, zwar nicht mit offizieller Genehmigung von Peli, allerdings begründete dies den eigentlichen Kult um den Film, der ihn bis an die Spitze des Box-Office tragen sollte, weswegen sich Peli verkneift negativ darüber zu sprechen.

Während vor allem in einschlägig bekannten Horror-Foren immer mehr User von „Paranormal Activity“ berichteten, war es Steven Spielberg höchstpersönlich, der sich der Veröffentlichung des Films annahm. Mehr durch Zufall gelangte er an einen DVD-Screener und war von dem Streifen so beeindruckt, dass er Paramount vorschlug den Film zu veröffentlichen. Da der Streifen allerdings bereits de facto öffentlich zugänglich war, entschied man sich einige Änderungen vorzunehmen. So wurden Soundeffekte entweder verstärkt oder abgeschwächt, einige Szenen hinzugefügt, vorhandene Szenen gekürzt (die Kino-Fassung ist rund 7 Minuten kürzer als der DVD-Screener) und das komplette Ende nachgedreht.

Genaugenommen gibt es zu „Paranormal Activity“ drei Enden – zwei wurden bereits 2007 gedreht, eines stammt von 2009, eben der Nachdreh nach Spielbergs Idee – von denen das Kino-Ende meiner Meinung nach sogar das Schwächste ist, da es dem Film seinen realistischen Touch nimmt. Man darf aber davon ausgehen, das Pelis Ur-Version, sowie das dritte, bisher unveröffentlichte Ende auf DVD erscheinen werden.

Hier ist eine kurze Auflistung der Unterschiede zwischen dem DVD-Screener, beziehungsweise der ursprünglichen „Director’s Cut“-Fassung und dem Kino-Release:

• mindestens drei neue Szenen wurden hinzugefügt. In einer Szene finden Micah und Katie ihre Autoschlüssel auf dem Boden liegend, obwohl Katie ganz genau weiß, das sie diese auf den Küchentisch liegen gelassen hat. In einer weiteren Szene findet eine Spuk-Attacke am Tage statt, bei dieser der Dämon ein Bild von Micah zerkratzt. In einer weiteren Szene sprechen Katie und Micah darüber, wie der Terror ihr Leben beeinflusst und das Katie ihr Semester wohl nicht erfolgreich beenden wird.
• andere Szenen wurden dahingegen gekürzt, um die Zeit zwischen Tag und Nacht schneller verstreichen zu lassen.
• viele Soundeffekte wurden verändert, weggelassen oder hinzugefügt. Der Dämon gibt sich im DC nicht zu erkennen, wenn er sich der Kamera nähert. Dafür wurden einzelne Soundeffekte des Schocks wegen drastisch verstärkt.
• das Video der besessenen Diane ist weitaus länger. Man sieht unter anderem wie sie sich das Fleisch von ihrem Arm abbeißt, solange bis der Arm abbricht.
• für die Kino-Fassung wurde der Schatten des Dämons leicht verändert und in bestimmten Szenen hinzugefügt.
• das Kino-Ende wurde komplett verändert und neugedreht.

Die Frage, die sich nun stellt, ist natürlich, was diesen Film so besonders macht. Oftmals hört man, dass es sich hierbei nur um eine Kopie, oder einen Abklatsch des allseits-bekannten „The Blair Witch Project“ handeln würde. Natürlich muss sich der Film diesen Vergleich gefallen lassen, ist er schließlich stilistisch ähnlich angelegt, aber im Grunde war es dies bereits. Peli schlägt andere Wege ein und die größte Stärke zieht der Film nicht aus dem Unbekannten vor dem die Protagonisten versuchen zu fliehen, sondern aus dem Bekannten dem sie in ihren eigenem, eigentlich wohl behüteten Heim ausgeliefert sind. Die Idee, die Kamera still wie eine Überwachungskamera im Schlafzimmer zu installieren ist absolut genial. Der Zuschauer kann dem Grauen somit nicht entfliehen. Er weiß wo das Grauen lauert, wo es herkommt, selbst wann es zuschlagen wird und er muss es qualvoll erwarten. Die Sekunden die verstreichen, bevor der allnächtliche Horror zuschlägt, sind fast schon so erschreckend wie der Horror selber. Und dieser beschränkt sich oft nur auf einfache visuelle und auditive Tricks, die gerade durch ihre Einfachheit so erschreckend sind. Ein perfekter Horrorfilmn, der absolut treu zum Genre ist und zu dessen Wurzeln zurückkehrt.

Fatality:
Auch wenn das Kino-Ende etwas enttäuscht, da es sich aufgrund seiner Effektlast auch nicht wirklich in den Film einbetten kann, kann ich jedem Horror- und Filmfan „Paranormal Activity“ nur ans Herz legen. Es ist nach Jahren endlich mal wieder ein in seiner Machart kompromissloser, spannender, unkonventioneller Grusel, der im Gegensatz zu sovielen Genrekollegen nicht versucht Ängste aufzubauen, sondern vorhandene Ängste mit simplen Tricks zu fördern. Natürlich wird der Film eben aufgrund seiner Machart polarisieren. Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn. Ich kann nur sagen, dass es für mich eines der aufregendsten Filmerlebnisse der letzten Jahre war. Dafür die volle Punktzahl.

Markus Haage

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Über Markus Haage 2292 Artikel
Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!