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Kommentar: Splatter ist böse, das weiß doch jeder!

verfasst am 15.Dezember 1999 von Atrappe

Es ist dunkel. Im Hintergrund läuft eine teuflisch-apokalyptische Sythie-Musik. Die Spannung steigt. Plötzlich. Ein Schrei. Der Fernsehbildschirm ist voller Blut. Gedärme werden aus den Bäuchen ahnungsloser Passanten gerissen und von untoten Schergen unter heftigem Schmatzen genüßlich verspeist. Da kommt ein junger Mann mit einer Kettensäge. Noch mehr Blut. Zombieköpfe fliegen umher. Arme auch. Blut, Geschrei…Tod???

Beispielbild für einen bösen Film: Peter Jacksons „Braindead“ von 1992.
(© EuroVideo)

So oder ähnlich sieht es in vielen Zombie- und Splatterfilmen aus. Klar natürlich, daß es sowas in Deutschland nicht geben kann, wo es doch „erwiesen“ ist, daß solche „brutalen Gewaltvideos“ unsere Kinder zu herzlosen und durchgedrehten Killermaschinen machen. Denn immer dann, wenn ein jugendlicher Straftäter vor der Polizei seine Taschen ausleeren muss, finden sich, kann man der Boulevard-Presse glauben, sogenannte „Gewaltvideos“ darin. Natürlich fragt keiner danach, wieviele Jugendliche ebenfalls diese Filme schauen und dennoch – das gibt es ja nicht – in keiner Weise auffällig werden.

Wenn nun einige junge Menschen nach dem Konsum von Splatter gewalttätig reagieren, dann liegt es also nicht an ihrer Erziehung, ihren familiären Verhältnissen oder ihrer allgemeinen psychischen Verfassung. Vielmehr „kann“ man ja auf so „realistische“ Gewaltdarstellungen nur gewalttätig reagieren. Außerdem stumpft doch die pausenlose Konfrontation mit dem Tod ab und läßt die Hemmschwelle gegenüber der Gewaltanwendung sinken, wenn nicht gar verschwinden.

Wer so redet, der hat offensichtlich noch nie einen echten Splatterfilm gesehen. Ich habe schon viele gesehen und kann nicht behaupten, dass Splatter eine realistische Gewaltdarstellung ist. Zwar handelt es sich um drastische, jedoch keinesfalls um realistische Gewalt. Schließlich gibt es kaum ein „Gewaltvideo“, in dem man nicht eindeutig sehen kann, daß es sich lediglich um einen Film handelt. Splatter ist Komödie. Blutige Szenen sind oftmals dermaßen übertrieben, dass selbst der dümmste Vollidiot nicht glauben kann, mit „Gewalt“ konfrontiert zu sein. Doch auch von Leuten, die sich als Splatter-Freunde sehen, wird dies oftmals falsch verstanden. Warum sonst haben Internetseiten, die Pressebilder von Mord-, Selbstmord- und Unfallopfern anbieten in diesen Zeiten Hochkonjunktur? Einerseits natürlich aus reinen Studiengründen. Viele wollen einfach sehen, wie „echte“ Gewalt aussieht. Andererseits aber, und das ist das traurige, weil viele junge Leute sich beim Anblick solcher Fotos amüsieren können. Ich kann das nicht. Und, liebe Jugendschützer, ich bin in einer völlig durchschnittlichen Familie aufgewachsen, habe völlig durchschnittliche Freunde und Geschwister gehabt und habe mich zu einem völlig durchschnittlichen jungen Mann entwickelt, ohne Vorstrafen, ohne Prügelei seit Jahren. Und das, wo ich doch seit meinem zehnten Lebensjahr gern „Gewaltvideos“ anschaue. Und ich denke, es geht vielen jungen Menschen wie mir.

Alles in allem kann ich nur sagen, daß Splatter lange nicht auf jeden eine negative Wirkung hat, den Beweis habe ich anhand des freiwilligen Selbstversuchs an meiner Person und unzähligen Bekannten erbracht. Doch stellt sich mir hier die Frage, ob nicht die „psychische“ Gewalt, wie wir sie in vielen modernen Hollywood-Produktionen sehen, die wahre Gewalt ist, mit der manche Menschen nicht umgehen können. Schließlich ist es doch eindeutig viel grausamer, wenn eine junge Frau bei einem Unfall ums Leben kommt und stundenlang ihr heulendes Kleinkind eingeblendet wird, als wenn die Köpfe einiger Zombies durch die Bude knallen.

Falls irgendjemand jetzt Lust bekommen hat, sich zu diesem Thema zu äußern, das Forum (allgemein) wartet.

Atrappe