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„Thanksgiving“ (USA, 2023)

verfasst am 16.November 2023 von Markus Haage

Der Truthahn wird gestopft: Mit „Thanksgiving“ löst Regisseur Eli Roth ein „Versprechen“ ein, welches er mit seinem gleichnamigen Fake-Trailer zu Tarantinos „Grindhouse“ vor sechzehn Jahren gegeben hat. Herausgekommen ist eine routiniert inszenierte Horror-Farce, die sich vor allem über ihre kreativen Festtags-Morde definiert.

Offizielle Synopsis: Nachdem Unruhen am Black Friday in einer Tragödie enden, terrorisiert ein mysteriöser Killer die Einwohner von Plymouth in Massachusetts. Er tötet einen Einwohner nach dem anderen. Was als zufällige Rachemorde beginnt, entpuppt sich bald als Teil eines größeren, finsteren Plans … Enden die Bewohner gar als Gäste an seiner abgedrehten Festtagstafel?

Mit „Grindhouse“ (2007) veröffentlichten Quentin Tarantino und Robert Rodriguez anno 2007 ein Double-Feature, welches an die Hochzeiten des Genrefilms in den 1970er-Jahren erinnern sollte. Zwei Spielfilme („Planet Terror“, „Death Proof – Todsicher“) zu einem großen Seh-Erlebnis „zusammengeschnitten“ und nur durch Fake-Trailer getrennt. Einer davon war Eli Roths „Thanksgiving“ (2007). Ein Spoof auf klassische Slasherfilme, die vor allem Feiertage als Aufhänger nutzten, um sich voneinander abzusetzen. Man denke hierbei an Werke wie Bob Clarks „Jessy – Die Treppe in den Tod“ („Black Christmas“, 1974), John Carpenters „Halloween – Die Nacht des Grauens“ („Halloween“, 1978), Sean S. Cunninghams „Freitag der 13.“ („Friday the 13th“, 1980) oder auch George Mihalkas „Blutiger Valentinstag“ („My Bloody Valentine“, 1981). Besonders letzterer Film gehört wohl zu den besten Vertretern seines Genres. Roths Fake-Trailer sollte den Spirit dieser Horrorklassiker auf überzogen komödiantische Weise einfangen. Er nahm sich Thanksgiving, quasi das US-amerikanische Erntedankfest, als Vorbild, um keine fetten Truthähne zu servieren, sondern Menschen. Seit Veröffentlichung dieses Trailers gab es immer mal wieder Gerüchte, dass Roth plant, den Film auch tatsächlich umzusetzen. Sechzehn Jahre später war es endlich so weit. Mit „Thanksgiving“ (2023) kam im November 2023 endlich die Spielfilm-Version dieser absurden Film-Idee in die Kinos. Aber nicht mehr als Grindhouse-Variante inszeniert – dieser Trend ist mittlerweile wohl verebbt –, sondern als moderner Slasherfilm interpretiert.

Bald gibt es keinen Grund mehr zu feiern.
(© 2023 Sony Pictures. All Rights Reserved.)

„Thanksgiving“ verschwendet keine Zeit, zumindest bei der Eröffnung, und beginnt mit einem Prolog. Das Fundament für die Einzigartigkeit des Killers wird gelegt. Denn dies ist es, was das Werk von Genre-Kollegen letzten Endes unterscheiden soll. Es ist das Setting, dem sich alles unterwerfen muss: Thanksgiving und die Eigenheiten dieser uramerikanischen Tradition. Denn im Gegensatz zu anderen Festivitäten, stellt das Erntedankfest in den USA tatsächlich nicht nur die älteste Feierlichkeit, sondern eine der wenigen echten gesamtgesellschaftlichen Traditionen dar, die schon vor Beginn der Gründung der Nation existierte. Roth weiß dies natürlich, so zehrt sein Film inhaltlich auch von allen kulturellen Charakteristika dieser Festivität.

Nicht nur historisch – die Handlung wurde in der Stadt Plymouth angesiedelt –, sondern auch popkulturell. Höhepunkt des Prologs stellt der berühmt-berüchtigte „Black Friday“ dar; der Tag nach Thanksgiving, der mittlerweile als nationaler Schlussverkauf Teil der US-amerikanischen Folklore geworden ist. Das alljährliche, wiederkehrende Trauma für jeden Mitarbeiter im Einzelhandel. Aus dem Gedränge vor einem Einkaufszentrum, einer Mall, um korrekt zu sein, wird ein regelrechtes Massaker. Hysterie bricht aus; die Menschen trampeln einander zu Tode. Die Motivation des Täters wird aus diesem Blutbad geboren. Roth inszeniert dieses Grauen auf gewohnt exzentrische Weise – Fun-Splatter dominiert –, und lässt es sukzessive eskalieren. Er nimmt das Setting absichtlich nicht ernst und dies ergibt auch nur Sinn. Schaut man sich reale Überwachungsvideos von „Black Friday“-Stampeden an, so kann man die Beweggründe der Aliens aus „Independence Day“ (1996) für die Vernichtung der Menschheit nachvollziehen.

Der Mörder schleicht herum.
(© 2023 Sony Pictures. All Rights Reserved.)

Nach der Hysterie, dem Prolog, kehrt Ruhe ein, allerdings hat der Film keine echte Geschichte zu erzählen. Dinge passieren; hier: Morde auf routiniert unterhaltsame Weise. Die Orgie gipfelt in einem grotesken Festtagsschmaus, bei dem einer der Protagonisten als gestopfter Truthahn auf dem Tisch landet. Keine Überraschung, war dies doch das Highlight des Fake-Trailers und somit der zu erwartende Selling Point des Films, allerdings verpasst „Thanksgiving“ die Chance dieses dramaturgisch zu unterfüttern (*no pun intended). Es bestehen gewisse Grundkonflikte, die die Figuren zu ihren Handlungen motivieren sollen, letztlich bleibt aber jeder Charakter viel zu blass, um „Thanksgiving“ aus der Masse der Slasherfilme herausstechen zu lassen. Man könnte dies vielleicht gar als Hommage verklären, denn eine besondere Tiefe besaßen auch die Figuren klassischer Slasherfilme nicht oft, aber im Fall von „Thanksgiving“ entwickelt sich dennoch leider kaum ein Sympathieträger, mit dem man mitfiebern möchte oder dessen Schicksal den Zuschauer bewegt.

Ähnliches gilt für den geheimnisvollen Antagonisten. Dessen Offenbarung nimmt man als Zuschauer hin; diese stellt allerdings keinen echten Twist dar oder erweitert die Mythologie dramaturgisch. In „Thanksgiving“ existiert keine Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) oder Sidney Prescott (Neve Campbell), auch kein Norman Bates (Anthony Perkins) oder gar John Kramer (Tobin Bell), sondern nur Figuren einer Horror-Farce, die sich wiederum vollends dem eigenen Setting unterwirft und dieses auch grauenvoll festlich begehen will.

Eine Kleinstadt in Aufruhr.
(© 2023 Sony Pictures. All Rights Reserved.)

Für den geneigten Horror-Fan bietet diese Zelebrierung allerdings dennoch viel Spaß. Eli Roth kennt sein Publikum und man merkt es ihm an, dass er der absurden Prämisse so viel grafischen Tribut zollen möchte, wie es für einen Kinofilm und dem Diktat eines R-Rating letztlich möglich ist. Zeitweise nimmt sein Grauen rein komödiantische Züge an. Er überhöht Aspekte der Thanksgiving-Kultur, verzerrt sie teils ins Groteske, um seine absurde Grusel-Mär nicht nur zu erzählen, sondern eben zu zelebrieren.

Es überrascht demnach, dass er den Film an sich eigentlich recht konservativ inszeniert. Ästhetische Eigenheiten, die ein Grindhouse-Setting mit sich gebracht hätten, finden keine Verwendung. „Thanksgiving“ versteht sich trotz seiner drastischen Höhepunkte als ein inszenatorisch als auch inhaltlich geradliniger, moderner und routinierter Slasherfilm, der weder dramaturgisch noch gestalterisch innovativ hervorstechen, sondern schlicht basierend auf seiner absurden Prämisse einen kurzweiligen Horror-Spaß bieten will. Darin steckt auch eine gewisse Ehrlichkeit, vielleicht auch Respekt, dem Genre gegenüber. Natürlich mit Blick auf ein mögliches Sequel. Niemand kann ernsthaft glauben, dass der Killer am Ende stirbt. Somit wird auch hier eine gewisse Tradition bewahrt.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!