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Die vielen Timelines der „Texas Chainsaw Massacre“-Filmreihe

verfasst am 17.Februar 2022 von Markus Haage

Der Streaming-Dienst Netflix veröffentlicht Mitte Februar 2022 weltexklusiv den nunmehr neunten Film der „Kettensägenmassaker“-Filmreihe. Fast fünfzig Jahre umfasst das Franchise nun und zahlreiche Filmemacher interpretierten dieses stets neu. Dies führt zu zahlreichen eigenwilligen Zeitlinien, die sich teils extrem widersprechen oder überhaupt gar nicht erst in Einklang miteinander zu bringen sind.

Wir befinden uns im Zeitalter der Event- und Franchise-Filme, die durch ihren bloßen Markennamen Aufmerksamkeit generieren. Und was für die große globale Leinwand gilt, dies gilt erst recht für die Mattscheibe. So verwundert es auch überhaupt nicht, dass die großen Filmreihen des Horrorgenres stets fortgesetzt werden. Die Marke ist bekannt, ihre bloße Erwähnung sorgt automatisch für Aufsehen. Wenn kein direktes Sequel möglich erscheint, so wird einfach ein sogenanntes Legacy-Sequel erschaffen. Eine Fortsetzung, die in der Regel sämtliche Vorgänger ignoriert und lediglich an das Originalwerk anschließt. Man könnte nun meinen, dass dies ein neuer Trend ist und Filme wie „Terminator: Dark Fate“ (2019) dafür exemplarisch herhalten, aber streng genommen gibt es dieses Phänomen vor allem im Horrorgenre schon weitaus länger. Bereits „Halloween H20“ („Halloween H20: Twenty Years Later“, 1997) ignorierte sämtliche Werke nach dem zweiten Teil. Mit „Halloween“ (2018) ignorierte man sogar erneut sämtliche Werke nach John Carpenters Originalfilm von 1978.

Generell darf das Horrorgenre bei der Fortführung ihrer Filmreihen als äußerst kreativ angesehen werden. Elf „Freitag der 13.“-Filme und neun „Nightmare on Elm Street“-Filme, deren Gros aus den 1980er-Jahren stammt, belegen dies eindrucksvoll. In der Regel verstand sich jeder Film aber als direktes Sequel, auch wenn mal ein Retcon durchgeführt oder die Handlung eines Vorgängerfilms schlichtweg ignoriert wurde oder unerwähnt blieb, aber das Phänomen der Legacy-Sequels war bei kaum einer Filmreihe dermaßen früh ausgeprägt wie bei „Texas Chainsaw Massacre“. Mittlerweile sind neun Filme veröffentlicht wurden, die sich eben nicht nur untereinander ignorieren, sondern öfters versuchten mit komplett neuen Ansätzen die Geschichte des Originalfilms zu erweitern. Herausgekommen sind dabei über einem Zeitraum von fast fünf Jahrzehnten mindestens (!) fünf unterschiedliche Zeitlinien. Der neuste Netflix-Film wird abermals ein eigenständiges Werk basierend auf dem Originalfilm darstellen.

Fast 50 Jahre Terror: Alle vorherigen Filme der Kettensägenmassaker-Reihe (ohne der Netflix-Adaption).
(© Vortex, The Cannon Group, Inc., New Line Cinema, Columbia Pictures, Millennium Films. All Rights Reserved.)

Als Tobe Hooper 1974 seinen Debütfilm „Blutgericht in Texas“ („The Texas Chainsaw Massacre“) veröffentlichte, konnte er natürlich nicht ahnen, dass der Film sich nicht nur zu einem einflussreichen und international gefeierten Kultwerk entwickeln, sondern auch neue Ikonen des Horrorgenres und letztlich auch ein ganzes Franchise starten würde. Lange entschied sich Hooper gegen eine eigene Fortsetzung seines Kultfilms und konzentrierte sich erfolgreich auf die Produktion von hochbudgetierten Werken wie „Brennen muss Salem“ („Salem’s Lot“, 1979), „Das Kabinett des Schreckens“ („The Funhouse“, 1981) oder auch „Poltergeist“ (1982). Erst nach einer Reihe an kommerziellen Misserfolgen – als Beispiel sei „Lifeforce – Die tödliche Bedrohung“ („Lifeforce“, 1985) genannt – und privaten Problemen, die seinen Ruf schädigten, kehrte er 1986 mit „Texas Chainsaw Massacre 2“ („The Texas Chainsaw Massacre 2“) nach Texas zurück. Heraus kam eine eigenwillige, teils selbstironische Fortsetzung, die sich inszenatorisch vom ersten Teil drastisch abhebt und für die ikonische Hauptfigur Leatherface das Ende darstellte (auch wenn der Titel des dritten Teils später etwas anderes suggerieren würde). Für Hooper sollte der Film einen Abschluss darstellen und allerhöchstens einen kommerziellen Erfolg generieren, sodass sein Name wieder in Umlauf gerät. Ein echtes Interesse an einem Franchise besaß Hooper nie und bezeichnete sich übrigens auch nicht als einen großen Fan der zahlreichen Fortsetzungen, die nach seinem zweiten Teil noch folgen sollten.

„I think the 3D one was done with a lot of respect for the original. The producer is a friend of mine. He really did his best to pull things from the original – in spirit at least. It was the only one of those films that didn’t try to re-invent the film. It tried to be a part of the original. The others tried to… my God, they brought the Illuminati into it! The Marcus Nispel film didn’t… If Marcus reads this I don’t want him to think… Well, it is what it is. It’s the way I feel. One thing he did I thought was really cool, it was a shot that was really great, and it was over Jessica Biel’s ass as she was approaching the house.“
– Tobe Hooper im Interview mit FlashbackFiles.com

Aufgrund eines gewissen Erfolges des ersten Sequels (vor allem auf dem Heimmedienmarkt), entschied man sich einen weiteren Film unter dem Titel „Leatherface: Texas Chainsaw Massacre III“ zu produzieren. New Line Cinema kaufte die Verfilmungsrechte der Cannon Group ab und wollte neben ihrer extrem erfolgreichen „Nightmare on Elm Street“-Reihe eine zweite Horror-Franchise etablieren. Dazu benötigte man aber selbstredend die ikonische Kettensägen-schwingende Hauptfigur, die am Ende des vorherigen Teils allerdings starb: Leatherface. Der Film stellt mit der Rückkehr der Horror-Ikone den ersten klaren inhaltlichen Bruch innerhalb der Timeline dar. Teil 3 ignoriert somit die Konsequenzen der ersten Fortsetzung weitestgehend und stellt sogar eine neue Hewitt-Family vor, womit man den Film im Grunde zusätzlich auch als vollkommen eigenständiges Werk, eine Art von Reboot, ansehen könnte.

Der vierte Teil, „Texas Chainsaw Massacre – Die Rückkehr“ („The Return of the Texas Chainsaw Massacre“, 1994), blieb diesem Trend gewissermaßen treu. Der Film erwähnt im Vorspann zwar die ersten drei Teile, stellt aber eine vollkommen neue Familie vor; durch den Untertitel des Originalfilms wohl als „Next Generation“ erklärt. Aufgrund der Vorkommnisse in Teil 2 und 3 kann man den vierten Film somit als direkte Fortsetzung des Originals verstehen, als gewolltes Sequel im Geiste zu allen Vorgängern oder gar auch als Versuch eines Reboots. Bis heute hadern Fans vor allem mit diesem Werk, sodass es oftmals nur als Kuriosität in der Filmographie der Hauptdarsteller Renée Zellweger und Matthew McConaughey Erwähnung findet. Auch zeitgenössisch wurde der Film als eine Art Tiefpunkt der Reihe angesehen. Eine weitere Fortsetzung wurde lange nicht angedacht, sodass sich Regisseur Michael Bay anschickte im Jahre 2003 ein Remake unter der Regie des deutschen Werbefilmers Marcus Nispel zu produzieren. Die Neuverfilmung „Michael Bay’s Texas Chainsaw Massacre“ (2003) wurde vom Publikum als auch den Kritikern wohlwollend aufgenommen. 2006 erhielt das Werk mit „Texas Chainsaw Massacre: The Beginning“ (2006) ein Prequel und stellt somit natürlich ein eigenes Film-Universum für sich dar. Eine weitere Fortsetzung der Neuverfilmung wurde zwar angedacht, aber letztlich nie umgesetzt.

Fast zwei Jahrzehnte dauerte es, bis ein neues Sequel der klassischen Reihe produziert wurde. Aber auch „Texas Chainsaw 3D – The Legend Is Back“ („Texas Chainsaw 3D“, 2013) wollte mit all seinen Vorgängern mit Ausnahme von Hoopers Originalfilm nichts zu tun haben und klammerte diese inhaltlich konsequent aus. Aufgrund des verhältnismäßig großen Erfolgs von „Texas Chainsaw 3D“ produzierte man zusätzlich ein Prequel zum Film unter dem Titel „Leatherface“, welches 2017 veröffentlicht wurde und in den 1950er-Jahren noch vor dem Originalfilm spielt. Die Ursprünge von Leatherface sollten erforscht werden. Ähnlich wie man es beim Remake-Prequel „Texas Chainsaw Massacre: The Beginning“ bereits tat. Somit stellen „Blutgericht in Texas“, „Texas Chainsaw 3D“ und „Leatherface“ im Grunde eine eigene Trilogie und Timeline dar – ohne Verweis auf irgendeinen anderen Film des Franchises.

Im September 2019 wurde die News im Netz verbreitet, dass Fede Álvarez, Regisseur vom Remake „Evil Dead“ (2013), einen neuen „Texas Chainsaw“-Film produzieren will, der sich ebenfalls nur als Fortsetzung des Originalfilms verstehen möchte. Nach einigen Problemen hinter den Kulissen konnte das Werk fertiggestellt und exklusiv auf dem Streamingdienst Netflix präsentiert werden. Durch die erneute Ankopplung an das Original, geht man natürlich den Weg der Legacy-Sequels. Auch, weil weitere bekannte Charaktere des Originalfilms zurückkehren. Damit wird aller Voraussicht nach eine weitere neue Timeline eröffnet, die bei Erfolg natürlich weitere Fortsetzungen nach sich ziehen wird. Wie umfangreich, lässt sich kaum abschätzen, da Netflix dies schlicht anhand ihrer eigenen Userdaten entscheiden wird.

Mindestens vier Hauptzeitlinien, oder Main-Timelines, lassen sich somit erstellen. Zählt man das Remake von 2003 und dessen Prequel hinzu, sogar fünf. Es sei allerdings gesagt, dass Fans die Filme teilweise noch genauer einteilen. Demnach ist es möglich und denkbar, die Filmreihe weiter „aufzusplitten“. Manche Fans sehen „Leatherface: Texas Chainsaw Massacre III“ auch als direktes Sequel zu „Texas Chainsaw Massacre 2“ an und sprechen oft von einer Art Retcon, den man mit der Rückkehr Leatherfaces durchgeführt hätte. Man sollte hierbei aber nicht Außerachtlassen, dass es tatsächlich die Intention von Franchise-Schöpfer Tobe Hooper gewesen ist, mit dem ersten Sequel die Reihe zu beenden. Wie man dies persönlich gewichtet, ist natürlich jedem Fan selbst überlassen.

Einige der möglichen Timelines.
(© Vortex, The Cannon Group, Inc., New Line Cinema, Columbia Pictures, Millennium Films, Netflix. All Rights Reserved.)

Bei Erfolg des neusten Films wird die Reihe innerhalb der Horror-Community auch noch fünf Jahrzehnte nach dem Originalfilm für genug Gesprächsstoff sorgen. Auch, weil natürlich weitere Adaptionen folgen werden. Eine Leistung, die in gewisser Hinsicht für sich alleinstehend schon enorm ist. Insbesondere, wenn man anerkennt, dass alle Fortsetzungen und auch Neuinterpretationen stets um den eigentlich kleinen Independent-Film aus dem Jahre 1974 herumkreisen und sich auch nur stets mit diesem assoziieren lassen wollen.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!