„Kreatur, was wollt ihr eigentlich?“
- „Fred, wir wollen etwas, glaube ich, was ein jeder will und was Sie und ihre Zuschauer haben: Zivilisation!“
- „Ja, aber von welcher Art Zivilisation sprechen Sie, Kreatur?“
- „Von den Annehmlichkeiten, Fred, von der Lebensart: Diplomatie, Mitgefühl, Lebensstandard, Manieren, Tradition. Das streben wir an. Nun, vielleicht kommen wir mal vom Weg ab, aber Zivilisation, ja... die Genfer Konvention, Kammermusik, Susan Sonntag! Alles wofür ihre Gesellschaft über Jahrhunderte hinweg so hart gearbeitet hat! Das streben wir an! Wir wollen zivilisiert sein."
Frauen schreien, Männer weinen. Flammen lodern, Staub steigt auf. Die Verwüstung nimmt seinen Lauf. Das Ende der Welt? Die Apokalypse? Nein, Gremlins…
Nach fünf Jahren haben Billy Peltzer und seine leicht debile Freundin Kate den Horror von Kingston Falls hinter sich gelassen. Gremlins haben die Stadt terrorisiert. Nun leben beide in New York City. Das Kleinstadtleben und der Horror von damals sind nicht mehr als Erinnerungsfetzen. Als der Medientycoon Daniel Clamp den alten chinesischen Trödelladen von Mr. Wing platt machen lässt, landet der Mogwai Gizmo in einem Genforschungslabor. Mitten über Billys neuem Arbeitsplatz. Durch Zufall entdeckt er ihn und entscheidet sich ihn aufzunehmen. Nach seinen Erfahrungen eine kühne Entscheidung, aber den putzigen Gizmo kann man nicht einfach so sich selbst überlassen… Natürlich ist er sich bewusst, dass er diesmal ganz genau die Regeln befolgen muss, die eine Population der Mogwai mit anschließender Transformation in Gremlins verhindert. Aber wir hätten hier keine Fortsetzung wenn nicht durch den Wink des Schicksals (hier mit einem Zaunpfahl), der knubbelige Gizmo eine Portion kühles Nass über seinen Pelz bekommt… Es kommt, was kommen muss: die Gremlins vermehren sich und terrorisieren das gesamte Gebäude. Von der Obsttheke im Erdgeschoss bis zum Genlabor im Obergeschoss, wird alles zerkleinert. Doch diesmal sind sie weitaus gefährlicher – denn viele von ihnen haben im besagten Genlabor die Reagenzgläser leergesoffen – mit drastischen Folgen. Billy weiß, dass die Gremlins nur auf den Sonnenuntergang warten, um das Gebäude zu verlassen. Unterstützt von Gizmo, einem alternden Horror-Showmoderator, einem japanischen Touristen und Medientycoon Clamp nehmen sch den Kampf auf.
„Gremlins 2 – Die Rückkehr der kleinen Monster“ ist ein absoluter Geniestreich seitens aller Beteiligten. Regisseur Joe Dante schafft es den Vorgänger, noch als düstere Horrorkomödie konzipiert, erfolgreich weiterzuerzählen. Diesmal allerdings um einiges überdrehter, absurder, fantastischer, gemeiner. Zwischen dem ersten und den vorliegenden zweiten Teil lässt er gekonnt genug Berührungspunkte, damit beide Filme noch als eine Einheit überzeugen können, erfindet allerdings viele Elemente vollkommen neu und bietet uns hier somit nicht nur einfach einen simplen Abklatsch oder eine angestrengte Weitererzählung, sondern einen eigenständigen Horror-Spaß, der sich selber und sein Genre – nicht einmal seinen Vorgängerfilm – ernst nimmt. Die Seitenhiebe auf Genrekollegen sind so zahlreich, dass selbst ich, als jemand der den Film bereits im Kino sah und seitdem unzählige Male auf Video, DVD und im Fernsehen gesehen hat, immer noch viele kleine neue Elemente entdecke. Seien es pop-kuluturelle Hinweise, bitterböse Gags, intelligente Gesellschaftskritik – „Gremlins 2“ ist oberflächlich ein reiner Horror-Spaß, kratzt man aber an dieser Oberfläche so findet man eine Satire auf die (damals) moderne Gesellschaft, ihrer Vertreter und ihren Technologiewahn. Der Clamp Tower, in der die Geschichte angesiedelt ist, ist ein hochtechnologisiertes Monstrum, dass den Mitarbeitern mittels Videokameras selbst in den Raucherpausen hinterherspioniert, die Stromzufuhr kappt, wenn die Sensoren einen nicht mehr am Arbeitsplatz spüren und selbst den Toilettengang überwacht. Erst als die Gremlins die Menschen im Gebäude von ihrem Technik-Gott befreien, sehen sie wie hilflos sie sind. Einzige Rettung: ein Kleinstadtpärchen und ein alternder Moderator, der nur noch gut genug war, um nachts um 4 Uhr billige Horrorstreifen zu präsentieren und mit der modernen Gesellschaft vollkommen überfordert zu sein scheint. Als Personifikation des immer auf Fortschritt bedachten Menschen tritt John Glover als Tycoon Clamp auf. Nicht nur eine Persiflage auf den realen Immobillien-Magnaten Donald Trump, sondern auch auf den damaligen Medien-Zar Ted Turner. Nach Clamps Willen muss alles neu sein. Neue Gebäude, neue Kunst, neue Technik. Fortschritt hier, Fortschritt da. Doch ist es letztlich dieser perverse Fortschrittswille, der die Menschen ohne ihre Technik zu hilflosen Opfern macht und die gesamte Krise mit der Zerstörung von Mr.Wings altehrwürdigen Trödelmarkt erst möglich machte.
Hinzu kommen die bereits erwähnten zahlreichen pop-kulturellen Seitenhiebe. Sei es das Batsymbol, die Inschrift Vectorscope Labs (aus Dantes „Die Reise ins Ich“) oder der Film „Oktaman“ (für den SFX-Meister Rick Baker sein erstes Filmkostüm entwarf). Die Auftritte der Gaststars sind zahlreich – von Wrestling-Star Hulk Hogan über Regisseur Joe Dante himself bis zu Komponist Jerry Goldsmith. Selbst Tony Randall leiht dem Brain-Gremlin im englischen Original seine Stimme. Christopher Lee darf als Mad Scientist, ganz im Stile der 50er-B-Movies, Gen-Experimente durchführen, Filmkritiker Leonard Maltin, der den ersten Teil verriss, wird nun von Gremlins gefressen und John Astin (bedarf keiner Einführung) als Hausmeister den Boden putzen, während Dr. Werner Klopek aus Dantes „Meine teuflischen Nachbarn“ beim Rauchen erwischt wird. Duffy Duck und Bugs Bunny leiten den Film sogar ein und dürfen sich über den Abspann verteilt zanken und Western-Legende John Wayne schießt Gremlins mit seinem Colt ab. Wenn die Gremlins erst einmal loslegen, verliert man teilweise sogar den Überblick und weiß aufgrund der vielen Bildinformationen gar nicht mehr wohin man schauen soll. So ist mir selber erst vor kurzem aufgefallen, dass die Gremlins planen, die Freheitsstatue in die Luft zu jagen – oder auch das die Gremlins im Labor die Bewegungen des Zwillingspärchen nachahmen.
Verantwortlich für die unglaublichen Animatronics, und damit natürlich für die Animation der Gremlins, war SFX-Altmeister Rick Barker, der anfangs den Job nicht übernehmen wollte, da das Design der Gremlins bereits voll entwickelt war und er lediglich die Arbeit von Rob Bottin übernommen hätte. Doch man garantierte Barker, dass es diesmal eine Vielzahl neuer Gremlins geben sollte und man ihn freie Hand bei der Gestaltung dieser geben würde. So randalieren nun auch ein Fledermaus- und Spinnengremlin über die Leinwand, als auch eine elektrische Variante, die erst in letzter Minute dem Shooting Script hinzugefügt wurde. Mittlerweile wird wieder über eine weitere Fortsetzung gesprochen, die in 3D sein soll und somit wohl CGI-Gremlins aufbieten wird, allerdings sollte man diesen Gedanken schleunigst fallen lassen. Gerade die Animatronics werden hier in absoluter Perfektion aufgeboten und tragen enorm viel zum komödiantischen Ton des Films bei. Mit CGI kann der Zuschauer von den Gremlins alles erwarten, da schlichtweg alles umsetzbar ist – bei den guten alten praktischen Effekten hingegen, ist man immer wieder über die Kreativität und die Möglichkeiten der Darstellung verblüfft und überrascht.
Natürlich wäre ein Film wie „Gremlins 2“ ohne seine menschlichen Charaktere nicht sehr viel wert. Zum Glück bewies Joe Dante hier abermals ein gutes Händchen. Wie im ersten Teil präsentiert er hier stark überzeichnete Stereotypen, von denen insbesondere erwähnter Daniel Clamp, gespielt von John Glover, hervorsticht. Ebenfalls die beiden Hauptdarsteller Zach Galligan und Phoebe Cates spielen ihre Rollen als naive und mit dem Stadtleben überforderte Landeier überzeugend, auch wenn diesmal der Nebencast sie eigentlich schon überstrahlt und sie teilweise zu Randfiguren degradiert.
Fatality:
Aus der düsteren Horrorkomödie wurde ein knallbunter Gruselspaß, der auch nach 20 Jahren noch vollkommen überzeugen kann. Lassen wir die Lobeshymnen, verteilen wir lieber gleich die Schädel: Fünf an der Zahl für eine wahnwitzige Grusel-Farce.
‐ Markus Haage
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