„Tod oder lebend, du kommst mit mir.“
RoboCop, halb Mensch, halb Dose, ganz Klassiker.
Der Detroiter Cop Alex Murphy, Familienvater und Sportschütze, wurde durch Schrotflinten-Dauerfeuer seiner Glieder (und fast des Lebens) beraubt. Ein Großkonzern namens OCP (Omni Consumer Products) flickt die brauchbaren Reste von ihm wieder zusammen (inklusive Verkabelung) und packt das ganze Zeug in einem Metallkörper. Grund dafür: die örtliche Polizei ist mit der ausuferenden Kriminalität vollkommen überfordert und droht mit einem General-Streik, falls die Situation sich nicht ändern wird. Deshalb wird nun RoboCop auf die Strasse geschickt, um im post-industriellen Detroit für Recht und Ordnung zu sorgen und OCP, die bereits ihren größten Coup, die Übernahme der Stadt planen, dadurch als Retter in der Not darzustellen. Allerdings setzt eines Tages Robos altes Gedächtnis wieder ein und er findet seine wahre (eigentliche) Identität heraus. Nun wird sein Handeln nur noch von einem Gedanken geleitet: Rache an seinen Mördern…
Das „RoboCop“ schon längst ein Klassiker des modernen SciFi-Action-Kinos ist, dürfte (hoffentlich) jeden bewusst sein. Die Geschichte um die gequälte Seele des Alex Murphy ist einfallsreich und kongenial von Paul Verhoeven inszeniert. Der Schauplatz, das zerfallene, post-industrielle Detroit, gespalten zwischen Arm und Reich, ist nicht nur einfach perfekt gewählt, sondern darf auch als (satirischer) Spiegel der damaligen US-Gesellschaft gesehen werden. Das heutige Detroit ist (insbesondere nach dem Untergang der hiesigen Autoindustrie 2009) der damaligen (filmischen) Fiktion gar nicht einmal so unähnlich – auch wenn gar nicht in Detroit, sondern Dallas gedreht wurde. Eine Gruppe von Fans besuchte nach 20 Jahren die Drehorte wieder und schnitt ein faszinierendes Video zusammen:
Mit heutiger, zeitlicher Distanz ist der Einfluß der Reagan-Ära und seiner Wirtschaftspolitk, den Reaganomics, die millionen Arbeitsplätze zerstörte, deutlich zu spüren. Auch das damals aufkeimende Yuppietum, des „Arbeiters im Nadelanzug“ (ich erinnere hier an Filme wie „Wall Street“), in Form von OCP und Konsorten, hinterlässt seine Fußstapfen im Werk. Man versuchte erst gar nicht durch irgendwelche, nennen wir es mal, stupiden, futuristischen Erfindungen zu beeindrucken, sondern eine mögliche zukünftige Realität zu projezieren, die natürlich auch an der ein oder anderen Stelle den Regeln des Sci-Fi-Actionkinos unterlegen ist, aber dennoch in einem überzeugenden Rahmen bleibt. Dies wird besonders im Design des Films deutlich. Verhoeven setzte auf einen mechanischen Futurismus, anstatt durch formschöne, runde Designs zu glänzen, die höchstens nur dann Verwendung finden, um die Spalte zwischen den zwei Gesellschaften herauszuarbeiten. Frühe Designs von ED-209 zeigen dies. Aus dem ursprünglich etwas schlankeren, runderen, teilweise auch verspielteren Design (welches an japanische Kampfroboter erinnert), wurde ein simples, mechanisches Kriegsbeil – mit Stärken (der Feuerkraft) und Schwächen (die Mobilität). Für die Gestaltung war Design-Legende Craig Davies verantwortlich, dessen einzige Auflage von Verhoeven es war, ED-209 nicht zu süß aussehen zu lassen. Davies äußerte sich später folgendermaßen dazu:
„He wanted something really hard and mean. Verhoeven had a really severe vision in mind for this thing. I myself already had a pretty strong idea of what a giant robot should look like, especially when it was a product of modern American design. To begin, I thought it wouldn’t be designed to be wholly functional. First they’d design it to look neat and then they’d worry about making it work. In other words, these futuristic designers would pay a lot of attention to the cosmetics of it in an attempt to market the thing on looks alone – just like an American car.“
Interessant ist hierbei Davis’ letzte Aussage – insbesondere wenn man sie auf heutige Produktionen bezieht. Für ED-209 konnte man natürlich keine realistischen CGI-Animationen verwenden, der gesamte Roboter musste nicht nur in verschiedenen Größen gebaut werden, sondern auch noch funktionstüchtig sein – dies bedeutete letztlich, dass das Design dadurch beeinflusst wurde. Während man heute wilde Gestalten – ob Mensch, Monster oder Roboter – auf die Leinwand loslassen kann, da eben alles möglich ist, mussten die Design-Ideen im Jahre 1986/87 auch halbwegs realistisch als Animatronic oder Stop-Motion-Modell funktionieren und umgesetzt werden können.
Gleiches galt natürlich auch für den Hauptdarsteller des Films: RoboCop. Peter Weller musste sich in dieses Fiberglas-Konstrukt nicht nur bewegen, sondern auch schauspielern können. Die Kostümdesigner gaben sich die größte Mühe den Dreh für Weller so angenehm wie nur möglich zu gestalten, allerdings war dies kaum machbar. Es dauerte je runde 2 Stunden ihm seine Rüstung über- und abzustreifen. Wenn er sie einmal trug, war es kaum möglich sich bequem hinzusetzen, geschweige denn auf Toilette zu gehen. Scherzhaft meinte er zu den mechanischen Bewegungsabläufen, die er für RoboCop kreierte, dass diese aufgrund zahlreicher Krämpfe von ganz alleine kamen. Insgesamt wurden sieben Robo-Suits für den Dreh angefertigt und an die jeweilige Szene angepasst – mal aus praktischen, mal aus sicherheitstechnischen oder inhaltlichen Gründen. Für die Szene, in der die Tankstelle explodiert und RoboCop aus den lodernden Flammen emporsteigt, musste natürlich ein Suit aus feuerfesten Material hergestellt werden, der deutlich schwerer als der normale Dreh-Anzug war (dieser wog zirka 25 Kilo). Später fügt das Police Department als auch ED-209 Robocop schwere Schäden zu. Eine Woche benötigte das Team um Rob Bottin um RoboCops demolierte Rüstung zu gestalten. Die Wahl der Einschusslöcher, als Beispiel, sollte nicht durchdacht oder beabsichtigt aussehen, allerdings ertappte man sich selber mehrmals dabei, die Einschusslöcher zu platziert oder gleichmäßig aussehen zu lassen. Für die Robo-Add-Ons, beispielsweise der Interface-Nadel oder seiner Kanone, wurden natürlich Replicas erstellt, die nur in Nahaufnahme gefilmt werden konnten.
Ursprünglich sollte auch RoboCop weitaus menschlichere Züge haben. SFX-Legende Rob Bottin kreierte in einer sehr frühen Produktionsphase ein Design, welches deutliche Parallelen zu Judge Dredd und Iron Man aufwies. Verhoeven verwarf dieses als zu human. Das einzig Menschliche sollte sein Gesicht sein und so wurde das Design vollständig verändert. Die Anlehnung an Iron Man ließ man allerdings mit einem kleinen Insider-Gag im Film bestehen. Auch mit den fertigen Design war Verhoeven nicht zu frieden, das Produzenten-Team verlangte aber Bottins-Design, so das Verhoeven dies letztlich akzeptierte. Bottin weigerte sich aufgrund seiner Ablehnung für den Rest der Produktion direkt mit ihm zu sprechen.
Das fertige, für Peter Weller qualvoll-zutragende Design, beeinflusste natürlich auch den Schnittablauf und Kamera-Arbeit des Films. So war es für den Hauptdarsteller unmöglich aus seinem Polizeiauto auszusteigen, weswegen man RoboCop dabei auch nie einem einzelnen Shot sieht. Sobald die Wagentür aufgeht, sieht man immer wie sein metallener Fuß den Boden zuerst berührt, erst dann wird umgeschnitten und RoboCop steht bereits. Das Design der Polizeiautos sollte ursprünglich auch etwas futuristischer wirken. letztlich entschied man sich für einen eher gegenwärtigen und realistischeren Look – die Produktion von sechs Detroit-Policecars im sportlichen Look war allerdings bereits angelaufen. Eine Zeit lang überlegte man sogar, die Detroiter Polizei mit Jeeps auszustatten – allerdings seien Jeeps als auch Sportcars für einen richtigen Polizeieinsatz innerhalb einer Stadt viel zu unpraktisch. Auch hier siegte ein weitaus realistischeres Konzept (heutzutage würden wohl fliegende CGI-Autos durch die Stadt surren…). Auf der offiziellen Website des Designers Robert Webb findet man viele Skizzen und Produktionsfotos zu diesen unverwendeten Design…
Gewalt spielt bei der Gestaltung des futuristischen Detroits ebenfalls eine gewichtige Rolle und dient dazu die pervertierte Gesellschaft darzustellen. Für die Umsetzung von Verhoevens exzessiver Gewaltdarstellungen war der bereits erwähnte Rob Bottin zuständig, der zuerst an dem Film nicht mitwirken wollte, da ihm der Titel als zu kindisch erschien. Nachdem er das Drehbuch las, war er Feuer und Flamme. Bottins Arbeit kann als absolut perfekt bezeichnet werden. Bereits für John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“ zeichnete er sich für das Design und die Umsetzung der Effekte verantwortlich, mit „RoboCop“ verfestigt er seinen Ruf als einer der besten Make-up-Artists des Filmgeschäfts.
Die derben Gewaltdarstellungen werden Splatterfreaks wohl das Herz höher schlagen lassen, allerdings gilt dies natürlich nur für den Director’s Cut, denn „RoboCop“ zählt wohl zu den zerstückelsten Filme, die in Deutschland jemals erschienen sind. Es gab sogar mal eine 16er-Fassung von ganzen 76 Minuten Länge. Diese wurde vom berühmt-berüchtigten Video-Label UV hergestellt. Eine der vielen sogenannten Kaufhausfassungen, die ab Mitte der 90er Deutschland überfluteten.
Einen Überblick auf alle in Deutschland erschienen Fassungen, findet ihr auf Schnittberichte.com:
Die Genialität dieses Werkes kann man natürlich nur in voller Länge bewundern und nachvollziehen – auch wenn man dies in der Uncut-Fassung als einzigen Kritikpunkt werten kann.
Die Spieldauer von knapp 99 Minuten stößt etwas negativ auf, da hierdurch die grandiosen Action-Sequenzen zu sehr in den Vordergrund rücken. Zehn Minuten mehr für die Charakterisierung Murphys hätten den Film sicherlich gut getan, zumal viele dramatische Szenen bereits im Kasten waren, aber für den Endschnitt nicht verwendet wurden. Ich erinnere hier an RoboCops Besuch an seinem (=Murphys) Grab. Gleiche Szene drehte man für den zweiten Teil erneut, verwendete diese aber wiederum nicht. So merkt man den Film ohne Frage schon an, dass Verhoeven natürlich in erster Linie an einen knallharten Actioner interessiert war, was allerdings bei der genialen Umsetzung nicht verwerflich ist, deshalb möchte ist dies alles auch gar nicht zu negativ werten. Allerdings muss man auch anmerken, dass die ursprünglichen Drehbücher sich nicht grundlegend unterscheiden und der Film schon immer vordergründig als Actioner angelegt war. Vergleicht man beispielsweise das Fourth Draft mit dem fertigen Film, so unterscheiden sich diese minimal (hauptsächlich die Dialoge). Eine weitere signifikante Szene, die herausgeschnitten wurde, ist die Abschlusssequenz. Ursprünglich endete der Film, genauso wie er eröffnet wurde. Mit einem Bericht von Media Break – diesmal über Officer Ann Lewis.
Unbedingt erwähnen muss man selbstredend Basil Poledouris’ fantastischen Score, der leider für die Fortsetzung nicht wiederverwendet wurde, dafür aber für den dritten Teil mit einigen Variationen neu eingespielt wurde (einer der wenigen ganz großen Pluspunkte). Natürlich ist die Original-Komposition des ersten Teils unübertroffen und spiegelt Verhoevens Version einer Industriestadt im Untergang und der Härte des Films perfekt wieder.
Leider konnten sämtliche Nachfolgeproduktionen die Härte nicht wiederspiegeln – „RoboCop“ – sowohl der Film als auch der Charakter – wurde so erfolgreich, dass man das Konzept in zwei Fortsetzungen, eine TV- und Mini-Serie und zwei Cartoons weiterführte. Nicht zu vergessen die unzähligen Videogames und Comicreihen. Die TV-Serie von 1993 wurde nach einer Staffel (24 Folgen) eingestellt, die Mini-Serie „Prime Directives“ umfasst vier TV-Filme. Die erste Zeichentrickserie von 1988 endete zwar bereits ebenfalls nach einer Staffel, diese umfasste allerdings 42 Folgen, die aufgrund der Beliebtheit des Charakters noch immer im morgendlichen Cartoon-Programm läuft. Gleiches gilt für die letzte Zeichentrickserie „RoboCop: Alpha Commando“, die aber wirklich nur Kinder unterhalten dürfte. Hier versetzte man RoboCop weiter in die Zukunft und ließ ihn gegen Roboter-Gangster und Mutantenschurken kämpfen – weltweit, ob in Detroit oder Paris. Letztlich kann man sagen, dass zumindest bei Kindern die TV-Serien recht populär waren, für die eigentliche Zielgruppe aufgrund ihrer familienfreundlichen Ausrichtung allerdings vollkommen ungeeignet.
Wobei ich aber anmerken möchte, dass die erste Comic-Reihe von Marvel (unter der Leitung von Lee Sullivan), die auch in Deutschland veröffentlicht wurde, ihre Momente hatte, die man großartig filmisch hätte in Szene setzen können (des Weiteren fand man zumindest beim deutschen Comic eine monatlich fortführende Comic-Adaption des Films „Darkman“ auf den letzten 10 Seiten!)…
Und das Thema ist noch lange nicht beendet: bereits ein Remake für 2012 ist angekündigt – unter der Regie von Darren Aronofsky („The Wrestler“). Bis auf ein Pressebild zu reinen Promotionszwecken wurde bisher nichts veröffentlicht – allerdings muss ich sagen, dass ich mit Aronofsky auf dem Regiestuhl (der bereits verkündete kein direktes Remake umzusetzen) sehr wohlwollend auf das Gesetz in der Zukunft blicke…
Fatality:
Ein Meilenstein des SciFi-Action-Kinos. Klare fünf Köppe für Kult, Knarren, Konserven, Kybernetik und Krawall.
Kabelage: 2%
Mensch: 47%
Dose: 51%
‐ Markus Haage
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