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„One Last Call“ (USA, 2020)

verfasst am 30.Mai 2021 von Markus Haage

(© Euro Video Medien GmbH)

Mittels Wählscheibe geht es ab in die Hölle! Die befindet sich am anderen Ende der Leitung und lässt die schlimmsten Kindheitserinnerungen des Anrufers Realität werden und die 1980er-Jahre abermals wiederauferstehen.

Offizielle Synopsis: Jahrelang werden die Cranstons von einer Gruppe Kleinstadtfreunde drangsaliert, bis sich Edith (Lin Shaye) auf tragische Weise das Leben nimmt. Nach dem Tod seiner Frau, zitiert Edward (Tobin Bell) die Jugendlichen zu sich nach Hause, denn ihnen winkt eine große Summe Geld. Sie wurden im Testament der Verstorbenen vermerkt und die damit verbundene Aufgabe klingt denkbar einfach. Im Arbeitszimmer sollen sie einen Anruf entgegennehmen und eine Minute in der Leitung bleiben. Doch schon bald sollen die schlimmsten Albträume der vier Freunde Realität werden…

Diesem Paar sollte man nicht vertrauen.
(© Euro Video Medien GmbH)

Die Retrowelle nimmt kein Ende. Auch im Jahre 2020 werden die 1980er-Jahre weiterhin zelebriert. Da macht auch das vorliegende Werk keine Ausnahme. Bereits das US-amerikanische Poster zu „One Last Call“ („The Call“, 2020) bedient sich der Ikonografie vergangener Horror-Werke, der Film selber eröffnet akustisch zu den Klängen einer (mir) unbekannten Arena-Rockband, um uns Dauerwellen, Walkmans, Wählscheiben und Polohemden zu präsentieren. Doch schnell stellt sich heraus, dass das Jahrzehnt, indem der Film spielt, wohl nur ein visueller Aufhänger ist, der aufgrund von Budgetbeschränkungen die Dekade des Aerobic-Wahns zudem lediglich referenzieren kann. Irgendwie schade, aber der Zuschauer stellt schnell fest, dass die Wahl des Jahrzehnts der eigentlichen Geschichte kaum etwas hinzufügt. „One Last Call“ hätte auch in der Gegenwart spielen können und in dieser vielleicht sogar etwas besser funktioniert. Denn im Fokus der Geschichte stehen vier Teenager, die sich ihren größten Ängsten stellen müssen. Durch die zeitliche Distanz wird leider die Chance verpasst, diese Ängste in modernen Problemen, mit denen sich eben das jugendliche Zielpublikum vielleicht hätte besser identifizieren können, widerzuspiegeln. Insbesondere, weil die Ängste der Teenager oftmals in der Kindheit begraben liegen und somit noch einmal ein größerer Schritt in eine noch weiter entfernte Vergangenheit gemacht werden muss. Die Distanz zum Geschehen wird damit automatisch größer, insofern dies überhaupt von Belang sein soll, da den Teenagern letztlich keine Illusionen vorgespielt werden, aus denen sie überhaupt hätten fliehen können.

Tada! Von den Toten auferstanden (Lin Shaye).
(© Euro Video Medien GmbH)

Die Jugendlichen werden von einem trauernden (und rachsüchtigen) Witwer unter einem Vorwand in ein Haus gelockt, um dort für je 100.000 US-Dollar mindestens eine Minute ein Telefongespräch mit einer eigentlich toten Frau zu führen. Das Telefonat ist nur ein übernatürlicher Trick, der eine Verbindung ins Jenseits aufbauen und die Teenager, die zumindest moralisch am Tod der Frau mitverantwortlich sind, durch diesen Kontakt in die Hölle ziehen soll. Wohlgemerkt ihrer eben ganz persönlichen Hölle, in der sie die Albträume ihrer Kindheit erneut durchleben müssen. Begangene Fehler, prügelnde Väter, tief sitzende Ängste. Das Saw-Franchise (2004–) trifft auf „Nightmare – Mörderische Träume“ („A Nightmare on Elm Street“, 1984). Nicht überraschend, spielen doch zwei Vertreter dieser Filmreihen, Tobin Bell und Lyn Shaye, die Antagonisten. So werden bei Bells Kontaktaufnahme mit den Jugendlichen („Hello Chris!“) unweigerlich Erinnerungen an den Charakter Jigsaw wach. In gewisser Weise stellt „One Last Call“ somit eine Verschmelzung großer Genre-Vorbilder dar, die in ihren Gegensätzen nicht immer vollends miteinander harmonieren, aber für sich alleinstehend funktionieren. Exemplarisch kann hierfür der Soundtrack stehen, der von dem erwähnten Arena-Rock als Eröffnung über Synthwave bis hin zur klassischen Filmmusik reicht. Zumindest kann man Regisseur Timothy Woodward Jr. eine gewisse Experimentierfreude unterstellen, die er auch in der Inszenierung der jeweiligen Höllentrips versucht umzusetzen. Letztlich treten die großen Vorbilder dabei allerdings zu stark hervor, sodass die eigentlich interessante und kreative Prämisse sich in der ewigen Referenz etwas verliert. „One Last Call“ wirkt zeitweise wie eine einzige große Hommage, die vor allem von Lyn Shaye getragen wird. Ihrem Spiel gehört der Film, auch wenn der Plan ihrer Figur nicht zwingend logisch erscheint. Das Ende ist zwar konsequent, aber lässt den Zuschauer etwas ratlos zurück.

Nein, dies ist noch nicht die Hölle, auch wenn es so aussieht.
(© Euro Video Medien GmbH)

„One Last Call“ hätte als vollends selbstständiges Werk und einer homogeneren Inszenierung dem Horrorgenre tatsächlich neue Aspekte abringen können. Der Wunsch in die eigene Kindheit zurückzukehren und den ewigen 80ern huldigen zu wollen, hält die Kreativität allerdings unnötig zurück. „Routiniert“ und „solide“ sind zwei typische Adjektive, die man an dieser Stelle als Fazit standardmäßig gebraucht. Dennoch besitzt das Werk in dieser Einfachheit einen gewissen Charme, wie man ihn eben nur von bekannten Genreperlen der jungen Vergangenheit kennt. Es ist letztlich die verfilmte „Gespenstergeschichte“, die kurze Story einer „Tale from the Crypt“, die man zur Mitternachtsstunde durchblättert. Ein kurzweiliger Gruseltrip, ein unterhaltsames Schauermärchen, bei dem die eigentliche Idee zur Handlung, der Aufhänger der Story, immer etwas interessanter ist, als die Handlung selber.

Markus Haage

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Über Markus Haage 2267 Artikel
Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!