Die derzeit stattfindende Hitzewelle rief in mir Erinnerungen an eine US-Miniserie von 1993 auf, die ich als Kind zufällig im Fernsehen sah und von der bestimmte Schlüsselszenen über die Jahrzehnte hängen blieben…
Apokalyptisches Fernsehen, welches immer realer wird: „The Fire Next Time“, in Deutschland unter dem Titel „American Inferno“ bekannt, war eine US-Miniserie mit Craig T. Nelson („Poltergeist“), Bonnie Bedelia („Stirb Langsam“) und Jürgen Prochnow („Das Boot“) in den Hauptrollen. Im Jahre 2017 wird die Welt von einer vom Menschen verursachten Naturkatastrophe geplagt. Der Klimawandel schlägt gnadenlos zurück. Dürre, Hurricans, ausgetrocknete Seen, vertrocknete Äcker. Daraus resultierend: Hungersnöte, Hitzetote und Klimaflüchtlinge, nicht aus dem Ausland, sondern aus dem Inland. Was sich wohl 1993 noch wie ein überzogenes Endzeit-Drama angehört haben musste, war bereits zehn Jahre später, mit der Hitzewelle 2003 (vor allem in Frankreich), grausame Realität. Diese forderte europaweit bis zu 70.000 Tote. Seitdem gab es in Europa mehr abnormale Hitzewellen als im gesamten 15. Jahrhundert zusammen. Die warnende Fiktion holt die Realität demnach ein. In einer Szene der Mini-Serie sieht man, wie in einem ganzen See tote Fische, teils schon halb verrottet, an der Oberfläche schwimmen. Was damals wie eine Horrorvision erschien, ist mittlerweile (natürlich im kleinen Umfang) bereits in Deutschland Wirklichkeit. Vielleicht eine Wirklichkeit an die wir uns schon gewöhnt haben ..?
Die melodramatische Miniserie, die ursprünglich in den USA in vier Teilen a 90 Minuten ausgestrahlt wurde, erzählt die Geschichte einer US-amerikanischen Familie, die ihre Heimat verlassen muss, da diese von Hitze und Naturkatastrophen dermaßen stark betroffen ist, dass sie unbewohnbar wird. Es folgt eine Irrfahrt durch die USA, die sich gesellschaftlich im Verfall befindet. In „American Inferno“ sehen wir, wie Flüchtlingslager von US-Klimaflüchtlingen überlaufen und die Leichenhallen überfüllt sind (so wie in Frankreich anno 2003). Die Klimaflüchtlinge können nur im Inland untergebracht werden, da andere Nationen, wie Kanada, ihre Grenzen geschlossen haben. Der US-Bundesstaat Alaska will den Weg in die Unabhängigkeit wählen und sich von den USA trennen. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit vor der Katastrophe mehr.
Der Film zeigt auf reißerische und auch recht melodramatische Art und Weise die Folgen des Klimawandels auf, und ist in seiner Darstellung stellenweise irritierend aktuell und in einigen Punkten fast schon prophetisch. Das Werk geriet leider in Vergessenheit. 2005 erschien in den USA eine DVD, die aber schon sehr lange out-of-print zu sein scheint. In Deutschland lief die Miniserie in den 90ern „häufiger“ auf Sat. 1. Eine Heimmedien-Veröffentlichung erhielt die Serie hierzulande nie. Nicht einmal auf VHS, obwohl in den 1990er-Jahren zahlreiche andere US-TV-Produktionen (vor allem Event-Movies) in die heimischen Videotheken gelangten und immerhin ein deutscher Schauspieler eine der Hauptrollen spielte. Auf einschlägig bekannten Videoportalen (wie YouTube) existieren nicht einmal alte TV-Trailer oder vereinzelte Szenen. In der OFDb ist kein einziges Review verlinkt. Schade. Ein Rückblick auf diese zeitgenössische Darstellung der nun real stattfindenden Klimakrise wäre sicherlich durchaus interessant.
In einem Meinungsartikel von „Der Freitag“ schrieb David Wallace-Wells:
„Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ist unsere Kultur mit Zombie-Filmen und Mad-Max-Dystopien immer apokalyptischer geworden. Wenn wir aber die ganz realen Gefahren der Erderhitzung betrachten sollen, leiden wir an einem unglaublichen Mangel an Vorstellungskraft.“
Dem muss man hinzufügen, dass dies so nicht ganz stimmt. Es gab zumindest zaghafte Versuche, die Klimakrise (hier konkret: die Erderwärmung) auch als Dystopie für die Massen aufzubereiten. Man denke nur an einen Blockbuster wie „The Day After Tomorrow“ (2004) von Roland Emmerich. Aber auch dies eine Beispiel stellt natürlich nicht die Behandlung eines realistischen Szenarios dar. Der Fokus lag sicherlich auf der Inszenierung einer beeindruckenden Katastrophenorgie, auch wenn man sich die Mühe gab, diese am Ende mit einer warnenden Message zu versehen.
Jahrelang versuchte Produzent Marshall Herskovitz eine dystopische TV-Serie ins Leben zu rufen, die sich explizit mit den Folgen der Erderwärmung auseinandersetzt. Er gab auf, weil nach seiner Aussage einfach kein Interesse bestand. Bei den populären dystopischen Visionen von Atomkriegen konnte die Schuld auf „Andere“, dem Militär oder den Politikern, abgewälzt werden, bei der Klimakrise hingegen nicht. Das ist bei der Refinanzierung für großes Entertainment wohl nicht förderlich. Denn die „Schuldigen“ würden im Publikum sitzen. Und das Publikum weiß das auch.
‐ Markus Haage