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UPDATE: Neue Kategorie bei den Oscars: Bester populärer Film!?

verfasst am 8.August 2018 von Markus Haage

In der Geschichte der Oscars gab es schon viele kuriose Kategorien, auch weil sich das Medium Film stetig im Wandel befindet. In den ersten Jahren wurde noch ein Oscar für den besten „Assistant Director“ verliehen. Erst seit 1980 gibt es einen Oscar für das beste Make-up (vorher nur sporadisch als Spezial-Oscar wenn angebracht). Sicherlich auch, weil diese aufgrund der Popularität von Event-Filmen immer bedeutsamer wurden. Heutzutage ist diese Kategorie kaum wegzudenken. Eine eigene Kategorie für das beste Titeldesign wurde ebenfalls schon vorgeschlagen, aber 1999 abgelehnt. Schade, denn gerade die Arbeit von Richard Greenberg zeigte im Zuge seines zu frühen Todes, wie wichtig und elementar das Title Design für einen Film sein kann. Vor wenigen Jahren entschied man dann, die Anzahl an Filmen, die für die Kategorie „Bester Film“ nominiert werden können, massiv zu erweitern. Anstatt nur fünf, können nun bis zu zehn Filme nominiert werden. Dies hatte bereits im ersten Jahr zur Folge, dass ein Sci-Fi-Actioner wie „District 9“ (2009) auf einmal in der Königskategorie berücksichtigt wurde. Dieses Jahr gewann mit „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ (2017), einer nostalgischen R-Rated-Horror-Romanze, sogar endlich ein Film des Phantastischen Kinos den Oscar. Dies ist aber eher die Ausnahme. Letztmalig gewann mit „Das Schweigen der Lämmer“ (1991) ein Horrorfilm den Oscar (der Streifen wird offiziell als Horror gewertet).

Die 31. Oscar-Verleihung im Pantages Theater 1959.
(© Los Angeles Times Photographic Archive)

Nun überrascht die Academy of Motion Picture Arts and Sciences erneut. In einem offiziellen Statement hat diese angekündigt, dass man eine neue Kategorie einführen wird, in der „populäre Filme“ geehrt werden würden. Heißt wohl: Ein Oscar für den „Besten massentauglichen Blockbuster-Film“? Offiziell trägt diese Auszeichnung/Kategorie den Namen „outstanding achievement in popular film“. Dies kann vieles bedeuten. Ein Oscar für den Regisseur oder Produzenten von „Black Panther“ oder „Infinity War“? Wonach richtet sich „popular film“? Viele Fragen sind offen, aber man ist sich wohl sicher, dass es eine Art neue Kategorie eben für populäre Filme geben wird.

Solche Aufteilungen gibt es bei anderen Preisverleihungen schon lange, nur gingen diese eben nach Genre. So werden bei den Golden Globes die besten Filme in die Kategorien Drama und Comedy unterteilt. Dies gelingt nicht immer perfekt, so dass das Sci-Fi-Drama „Der Marsianer“ (2015) mit Matt Damon für die beste Comedy ausgezeichnet wurde (zugegeben: Der Film enthält viele komödiantische Momente). Mit dieser neuen Kategorie will die Academy wohl versuchen das Interesse an der Verleihung selber zu steigern, weil nun (nach jetzigem Wissensstand) auch Filme wie „Star Wars – Die letzten Jedi“ (2017) oder „The Avengers: Civil War“ (2016) „einfacher“ nominiert werden können.

Cover des Spiegel-Magazins vom März 1980 zum Drama „Kramer vs Kramer“.
(© Spiegel Verlag)

Persönlich empfinde ich diesen Schritt als etwas befremdlich. Es kann nur eine Kategorie für den besten Film geben. Diese wird auch weiterhin existieren, am Ende wirkt diese neue Kategorie aber eher wie eine Art Anhang. Es ist nichts halbes und nichts ganzes. Des Weiteren empfand ich es als sehr erfrischend, dass hervorragende Filme des Phantastischen Kinos durch die Erhöhung der Nominierten eine Chance hatte, unter die „besten Filme“ zu rutschen oder gar zu gewinnen. Aber natürlich bedeutet dies auch automatisch, dass kleinere Filme dadurch schlechtere Chancen haben, da sie nicht von jedem Academy-Mitglied geschaut werden (ein bekanntes Problem, das schon sehr lange existiert). Als simples Beispiel: Die Chance, dass ein „The Avengers: Infinity War“ (2018) von der Mehrheit gesehen wurde, ist größer als das ein kleiner Independent-Film die gleiche Resonanz inne hatte. Die Erhöhung der Nominierten zersplittet auch die Wählerstimmen mehr. Es muss quasi weniger Konsens geben. Aber: Ohne diese Erhöhung hätte wohl wiederum ein kleines afro-amerikanisches Drama wie „Moonlight“ (2016) niemals den Oscar für den besten Film gewonnen (auch weil sich jetzt schon kaum noch jemand an den Gewinn erinnert). Es ist eben ein Community-Film, der sich ganz speziell an eine bestimmte Community richtet, die aber natürlich auch unter den Academy-Mitgliedern repräsentiert ist. Dies zeigt die Zerrissenheit und Komplexität dieses Themas gut auf. Perfekte Verhältnisse wird es nie geben. Auf der anderen Seite gab es schon immer populäre Erfolgsfilme wie „Forrest Gump“ (1994) oder „Gladiator“ (2000), die die anderen Nominierten überschatteten und somit gewannen, während andere bedeutende Filme des Phantastischen Kinos, wie „Der weiße Hai“ (1975), trotz ihrer genreübergreifenden Bedeutung nicht einmal nominiert wurden. Und so ist diese neue Kategorie wohl auch eher als ein Anzeichen für die veränderte Medienlandschaft zu verstehen.

Das Kino wird immer mehr zum Event-Ort. Die großen Franchises bestimmen alles. Will man auf ewig Filme auszeichnen, die keiner guckt, weil sie gar nicht mehr auf der großen Leinwand laufen oder den Zuschauer es generell in erster Linie nach Unterhaltung durstet? Die großen Event-Filme bestimmen die Kinocharts. Filme wie „Kramer vs Kramer“ (1979) oder „Philadelphia“ (1993) lösten gesellschaftliche Debatten aus, schafften es auf die Titelseiten einschlägig bekannter Printmagazine wie Der Spiegel, eben weil sie das große Hollywood-Kino waren. Die Startplätze waren schon immer limitiert, aber für Studios war es eine Selbstverständlichkeit auch solche Themen mit großen Stars für die Masse aufzubereiten. Das Achterbahn-Kino, der große moderne Blockbuster, existiert eben erst seit 1975. Zumindest gilt dieses Jahr als Einschnitt. Die großen Dramen, die auch von einer großen massen wahrgenommen oder diskutiert werden, werden nun weniger. Es gibt sie noch, nur leider stehen sie nicht mehr im Rampenlicht, weil diese aus kommerziellen Gründen die Lichtspielhäuser nicht mehr genug füllen. Dies spiegelt sich dann wiederum auch am Interesse an den Oscars wieder. Eine befremdliche Entwicklung, weil wir hier wiederum etwas theatralisch ausgedrückt vom „Untergang“ des großen Dramafilms mit gesellschaftlichen Hintergrund reden. Es sprachen dieses Jahr mehr Leute (und auch Journalisten) über Marvels „Black Panther“ (2018) als über Spielbergs „Die Verlegerin“ (2017).


Update, 09.08.2018: Wie Variety.com berichtet, zeichnet sich der US-TV-Sender ABC als hauptverantwortlich für diese Neuerung aus und pushte diese maßgeblich. ABC hat die Ausstrahlungsrechte an den Oscars bis 2028. ABC gehört zum Disney-Konzern, dem nun auch 20th Century Fox, Marvel Studios und Lucasfilms angehören. Und welcher Film war in der Diskussion um diese neue Kategorie immer wieder genannt wurden? „Black Panther“ (2018), weil er angeblich ein derartig großes kulturelles Phänomen darstellen würde. „Black Panther“ wurde von Marvel Studios produziert. Nun muss man das sicherlich etwas voneinander trennen. ABC soll laut Variety für diese zweite Kategorie gepusht haben, weil sie der ehrlichen Überzeugung sind, dass die Oscars langfristig irrelevant werden. Sicherlich, ein Arthouse-Film wie „Birdman“ (2015) oder ein intimes Drama wie „Moonlight“ (2016) ziehen weitaus weniger Zuschauer. Aber das man Kunst und Kommerz blendend miteinander verbinden kann, zeigten die Oscars sehr oft in der Vergangenheit. So zum Beispiel bei der Oscarverleihung von 1994 als „Forrest Gump“, „Die Verurteilten“, „Quiz Show“, „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ und „Pulp Fiction“ gleichzeitig für den besten Film nominiert waren. Im darauffolgenden Jahr waren Filme wie „Braveheart“ oder „Ein Schweinchen namens Babe“ nominiert. Auch muss man festhalten, dass die zehnerfolgreichsten Filme aller Zeiten (in den USA) allesamt für den Oscar in der Kategorie „Bester Film“ nominiert wurden. Soviel zum Thema „popular movies“. Es erscheint immer mehr so, als ob man einfach nur die dominierenden Eventfilme nun unterbringen möchte.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!