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Träume vom „Wüstenplaneten“

verfasst am 15.September 2021 von Markus Haage

Ab heute wird die Neuverfilmung von Frank Herberts Epos „Der Wüstenplanet“ („Dune“, 1965) auf der großen Leinwand präsentiert. Glaubt man den Kritikern, so hat Regisseur Denis Villeneuve ein kleines Meisterwerk geschaffen, dass der Vorlage nach fast sechzig Jahren endlich gerecht wird. Eine Vorlage, die über Jahrzehnte auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert wurde, fast immer scheiterte und dadurch unzählige kleine Geschichten für sich erzählen kann.

Links: Eines der vielen Motive zur Verfilmung von 1984. Rechts: Das Hauptmotiv zur aktuellen Neuverfilmung.
(© Universal City Studios, Inc., © 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. Photography by Jason Bell. All Rights Reserved.)

Über Jahrzehnte versuchten sich unterschiedliche Künstler, Fernsehsender und Hollywood-Studios an einer filmischen Umsetzung von Frank Herberts epischen Sci-Fi-Roman „Der Wüstenplanet“, doch alle waren zum Scheitern verdammt. Vielleicht war die Entstehungsgeschichte der Romanvorlage bereits ein schlechtes Omen. Herbert wurde von fast allen Verlagen abgewiesen. Niemand wollte seine komplexe Geschichte vertreiben. Ähnlich erging es frühzeitigen möglichen Adaptionen für die große Leinwand. Alejandro Jodorowskys Versuch einer Verfilmung gilt als dermaßen legendär, dass 2014 sogar eine eigene Dokumentation darüber entstand. Erst 1984 erschien mit „Der Wüstenplanet“ („Dune“) die erste Adaption für die große Leinwand. Der italienische Produzent Dino De Laurentiis, der sich vorab an Neuverfilmungen von „King Kong“ (1978) und „Flash Gordon“ (1980) wagte, zeichnete sich dafür verantwortlich. Er peitschte das Projekt auf seine ganz spezielle Art und Weise durch. Somit gelang es ihm im Gegensatz zu Alejandro Jodorowsky zumindest den Film zu beenden und tatsächlich in die Kinos zu bringen. Fans der Vorlage waren damit allerdings nie zufrieden, Kritiker und Publikum auch nicht. Selbst Regisseur David Lynch, der Ridley Scott während der Vorproduktion ersetzte, bezeichnet den Dreh als eine seiner schlimmsten Erfahrungen im Filmgeschäft („I always say, ‚Dune‘ is a huge gigantic sadness in my life […].“).

Die Produktion von „Der Wüstenplanet“ aus dem Jahre 1984 ist vielleicht aufgrund ihrer bloßen Existenz bereits die berühmteste Interpretation des Stoffes. Wenn auch keine perfekte Umsetzung, besitzt sie ihren ganz eigenen Charme und mittlerweile auch ihre Fangemeinde, die dem Werk, welches in unterschiedlichen Schnittfassungen existiert, viel abgewinnen kann. Dazu zählen sicherlich auch die vielen zeitgenössischen Eigenheiten, die zur Promotion und Querfinanzierung benötigt wurden. Zum damaligen Kinostart war man mehr als nur bemüht, die epische und komplexe Welt des Wüstenplaneten für alle Altersgruppen aufzubereiten. Sogar Spielzeuge, Comics und Malbücher wurden produziert. Wohlgemerkt Malbücher, indem man sogar die Eiterblasen des Antagonisten Baron Vladimir Harkonnen ausmalen konnte.

Links: Präsentation der Spielzeuge zur Verfilmung von 1984. Rechts: Die Comic-Adaption der 84er-Verfilmung.
(© LJN, Condor Verlag)

Die Begeisterung konnte sich aber kaum auf die jüngere Zielgruppe übertragen. Vielleicht auch, weil „Dune“ schon immer vieles war, aber eines wohl nie: „Krieg der Sterne“ („Star Wars“, 1977); somit ein großes Sci-Fantasy-Abenteuer für ein Massenpublikum. Wenn überhaupt, so wurde oft zitiert, sei die Welt des Wüstenplaneten „‚Krieg der Sterne‘ für Erwachsene.“ („In a way, it‘s ‚Star Wars‘ for adults.“). So mag dies vielleicht der Grund sein, warum viele Kinder aus dem Jahre 1984 erst als junge Erwachsene einen erneuten Zugang zum Werk fanden. Nämlich acht Jahre später, mit dem legendären Computerspiel „Dune II – Kampf um Arrakis“ („Dune II – The Building of A Dynasty“, 1992) aus dem Hause Westwood Studios. Ein Game, für das es strenggenommen eigentlich keinen direkten Vorgänger gab, auch wenn der Titel es suggerierte. Der französische Game-Developer Cryo Interactive Entertainment arbeitete zeitgleich an einem Adventure-Game basierend auf „Dune“ und wurde schneller fertig als Westwood, sodass Virgin Interactive, der Vertrieb beider Spiele, schlichtweg im Alleingang entschied, das Strategiespiel von Westwood Studios als Fortsetzung zu deklarieren. Eine geschaffene Tatsache, mit der die Entwickler des Games nie glücklich waren, da es die Eigenständigkeit des eigenen Projekts zunichte machte. Eine Fortsetzung wurde nicht realisiert, sondern das Konzept von „Dune II – Kampf um Arrakis“ indes von Westwood Studios weiterentwickelt. Das Ergebnis? Die extrem erfolgreiche „Command & Conquer“-Reihe.

Opening-Screen zu „Dune II – Kampf um Arrakis“.
(© Virgin Interactive)

An einer erneuten Verfilmung versuchte sich erst der SyFy-Channel mit „Dune – Der Wüstenplanet“ („Dune“) Ende der 1990er-Jahre, die immerhin mit zwei Emmys ausgezeichnet werden konnte (die holprige Entstehungsgeschichte wäre wiederum ein Kapitel für sich). Die Mini-Serie zog eine inszenatorisch vollkommen andere Fortsetzung unter dem Titel „Children of Dune“ (2003) nach sich, die erstmalig inhaltlich versuchte die Geschichte über den Originalroman hinaus weiterzuerzählen, indem man die Romane „Der Herr des Wüstenplaneten“ („Dune Messiah“, 1969) und „Die Kinder des Wüstenplaneten“ („Children of Dune“, 1976) verfilmte. Beide Adaptionen gelten heute als gescheitert, auch wenn sicherlich die Filmmusik von Brian Tyler zu „Children of Dune“ in Erinnerung blieb. Sie wurde in zahlreichen Trailern der 2000er-Jahre, wie etwa zu „Master and Commander – Bis ans Ende der Welt“ („Master and Commander: The Far Side of the World“, 2003) oder „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ („Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull“, 2008), zweitverwertet.

Aber all diese Neuinterpretationen waren schon um die Jahrtausendwende eben nur Neuinterpretationen. Ältere Semester kennen die Geschichte natürlich seit der deutschen Erstveröffentlichung im Jahre 1967. Es folgten fünf weitere Romane von Frank Herbert. Die Saga wird seit 1999 von Brian Herbert, Franks Sohn, und Kevin J. Anderson fortgeführt und umfasst mittlerweile vierzehn weitere Werke. Neben dem Foundation-Zyklus von Isaac Asimov vielleicht eines der umfangreichsten und größten Universen der Sci-Fi-Literatur (welches übrigens in diesem Monat via AppleTV+ ebenfalls eine moderne Verfilmung erfährt). „Dune“ war somit immer relevant und wird es auch in Zukunft bleiben. Denn sollte die Neuverfilmung von Denis Villeneuve erfolgreich sein, so wird diese selbstredend eine Fortsetzung erhalten. Auch eine Spin-Off-Serie unter dem Titel „Sisterhood of Dune“ basierend auf „Der Thron des Wüstenplaneten“ (2014) für den Streamingdienst HBO Max ist bereits in Planung. Das inhaltliche Potenzial ist gigantisch und erstreckt sich nicht nur über mehrere Jahrtausende In-Universe-Geschichte, sondern eben auch Generationen von Real-Life-Sci-Fi-Fans, die die Romanvorlage über Jahrzehnte in unterschiedlichen Auflagen kauften.

Nur drei deutsche Auflagen des Hauptromans.
(© Heyne Verlag)

Die deutschen Ausgaben der ersten Trilogie zeigten übrigens die Werke von John Schoenherr auf dem Cover, der bereits vor Veröffentlichung des ersten Romans die Welt des Wüstenplaneten illustrierte. Sein Schaffen ist extrem eng mit dem Erfolg der Romanreihe verbunden und prägte dieses über Jahrzehnte visuell. Schoenherr erschuf bereits 1963 die ersten Artworks, als Herbert eine Kurzfassung seiner Welt in der Zeitschrift „Analog Science Fiction and Fact“ abdrucken konnte. Es ist schade, dass Schoenherrs Werk durch moderne Illustrationen heutzutage „untergeht“ oder gar in Vergessenheit gerät, auch wenn dieses wohl in Neuauflagen zumindest abgedruckt wird. „Die Zukunft“ hatte dazu mal einen kurzweiligen Artikel verfasst.

Der Heyne Verlag hat alle Romane in unterschiedlichen Editionen im Programm, auch wenn die Illustrationen der deutschen Erstausgaben kaum zu schlagen sind. Dasselbe gilt wohl für die alte Übersetzung, auch wenn sie übrigens nie vollständig war. Der Lektor kastrierte diese, um den Roman wohl auf einen „lesefreundlichen“ Umfang zu bringen. Es folgten dann weitere Neuübersetzungen. Die letzte stammt aus dem Jahr 2016. Gegenüber Redaktion24 sagte der erste Übersetzer:

„Leider verbinden sich für mich mit ‚Dune‘ hauptsächlich negative Erinnerungen: Meine Übersetzung, die ich noch heute nicht schlecht finde, wurde von Lektor Wolfgang Jeschke im Auftrag des Verlags um etwa ein Drittel gekürzt. Der Gedanke daran schmerzt noch heute.“

Anscheinend eine weitere Geschichte für sich.

Fast sechzig Jahre sind seit der Erstveröffentlichung der Story als mehrteilige Kurzgeschichte vergangen. Seitdem wurde die Welt des Wüstenplaneten auf mannigfaltige Art und Weise präsentiert und interpretiert. Ob als Fernsehserie, Graphic Novel, Hörbuch, Kinofilm, Comic, Videospiel, Rollenspiel oder Spielzeugreihe, kaum ein Medium wurde über die Jahrzehnte ausgelassen und konnte so generationenübergreifend teils vollkommen unterschiedliche Zielgruppen erreichen. Dies wird selbstredend auch bei der aktuellen Neuverfilmung so sein, die um mehr als ein Jahr aufgrund der Corona-Krise verschoben werden musste und in den USA zeitgleich zum Kinostart auf dem Streamingdienst HBO Max veröffentlicht wird.

Es ist gut möglich, dass Rentner, die in jungen Jahren mit der Taschenlampe unter der Bettdecke den ersten Roman „Der Wüstenplanet“ Ende der 1960er-Jahre nachts im Jugendbett verschlungen, nun im Kino hinter 35-jährigen Vätern sitzen, die das Computerspiel „Dune II – Kampf um Arrakis“ in den 1990ern zockten, und natürlich neben 15-jährigen Jugendlichen, für die die Lynch-Verfilmung von 1984 bereits ein alter Schinken ist („You Ever See That Really Old Movie, The Empire Strikes Back?“). „Dune“ nahm über die Jahrzehnte viele Formen an. Letztlich konnten sie alle begeistern oder zumindest auf die ein oder andere Art und Weise ihre Fans finden. Das sind dann wohl die Werke, die gerne zurecht als Kult bezeichnet werden. Werke, die nicht nur aufgrund ihrer Produktion, sondern auch Rezeption zur Diskussion einladen und dadurch nie wirklich irrelevant werden. Werke, von denen jedes einzelne eine eigene Geschichte erzählen kann. Neben der eigentlichen Geschichte vom Wüstenplaneten Arrakis.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!