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Sondervorstellung: „Die totale Erinnerung – Total Recall“ in den deutschen Kinos

verfasst am 2.März 2022 von Markus Haage

Als Teil der Reihe „Best of Cinema“ präsentiert Studiocanal an jedem ersten Dienstag des Monats Klassiker des Films erneut auf der großen Leinwand. Fans der Science-Fiction-Actioners konnten sich am 01. März 2022 über die Wiederaufführung von Paul Verhoevens „Die totale Erinnerung – Total Recall“ freuen.

Am 1. März ging es nicht ins Kino, sondern auf den Mars.
(© Neon-Zombie.net / Foto: Markus Haage)

Als Paul Verhoevens „Die totale Erinnerung – Total Recall“ („Die totale Erinnerung – Total Recall“, 1990) im Juli 1990 weltweit in den Kinos startete, befand sich das Medium Spielfilm vor einer Zäsur. Die digitale Revolution sollte nur wenige Jahre später zahlreiche praktische Effekte ablösen und Filmschaffenden inszenatorische Möglichkeiten bieten, von denen sie jahrzehntelang nur träumen konnten. Vielleicht mag dies auch einer der Gründe sein, warum Verhoevens Sci-Fi-Actioner noch heutzutage so gut funktioniert. Das Werk stellt einen der letzten großen Vertreter der praktischen Effektkunst dar, welcher für die Umsetzung der eigenwilligen Vision des Regisseurs sämtliche zur Verfügung stehenden Tricktechniken nutzte. Wohlgemerkt Tricktechniken, die über Jahrzehnte perfektioniert wurden: Modellbauten, Blue-Screen, Rückprojektion, Masken und Make-up-Effekte, Stop-Motion oder auch Animatronics. Natürlich beinhaltete auch „Die totale Erinnerung – Total Recall“ bereits digitalen Effekten, die allerdings aufgrund der Komplexität und Limitierung nur in wenigen Momenten eingesetzt wurden. Dann aber an den exakt richtigen Stellen, sodass ein Wow-Effekt beim Zuschauer einsetzte.

Der rote Planet in „Total Recall“.
(© Studiocanal GmbH)

„Die totale Erinnerung – Total Recall“ ist, abgesehen von der überraschend komplexen Handlung, die den Zuschauer öfters hinters Licht führt und dabei sogar den Titelhelden dekonstruiert, und der einzigartigen Atmosphäre, ein Teil des Endes einer Ära. Nur wenig später sollten Filme wie „Terminator 2 – Tag der Abrechnung“ („Terminator 2 – Judgement Day“, 1991) oder „Jurassic Park“ (1993) endgültig die digitale Trickkunst beim Massenpublikum etablieren, auch wenn diese Werke (eben wie „Die totale Erinnerung – Total Recall“) in der Mehrheit der Effektszenen noch auf die praktische Effektkunst setzte. Demnach ist „Die totale Erinnerung – Total Recall“ in gewisser Hinsicht ein Unikat. Ein Film, der nach allen Regeln Hollywoods in dieser Version nicht wirklich existieren dürfte. Mit einem Budget von bis zu achtzig Millionen US-Dollar (inflationsbereinigt 2022: zirka 177 Millionen US-Dollar) scheute sich das extravagante Produktionsstudio Carolco Pictures auch nicht zurück, in Verhoevens eigenwillige Vision – eine Geschichte, die vollkommen vom zeitgenössischen Mainstream abwich –, massiv zu investieren. Sicherlich auch, weil man mit Arnold Schwarzenegger den damals größten Actionstar der Welt in der Hauptrolle verpflichten konnte, dessen bloßer Name bereits die Zuschauer in die Kinos zog. Zuschauer aller Bevölkerungsgruppen, die wohl einen geradlinigen Actionfilm erwarteten und keine Agenten-Geschichte, die von Mars-Mutanten und außerirdischen Artefakten bestimmt war. Doch dieses gewaltige Budget, das sichtlich in die Special-Effects und Studiobauten investiert wurde, hatte seinen Preis: Der verschwenderische Produktionsstil erschuf zwar einen einzigartigen Film, läutete aber auch das Ende von Carolco Pictures ein.

Viele Geschichten lassen sich rund um „Die totale Erinnerung – Total Recall“ erzählen, die letztlich einen Blockbuster-Film erschufen, der zurecht als Kult oder gar Meisterwerk bezeichnet werden darf. Es überrascht demnach nicht, dass Studiocanal den Film in ihrer Reihe „Best of Cinema“ aufgenommen hat. Eine Wiederaufführung von zahlreichen Klassikern des modernen Kinos an jedem ersten Diensttag des Monats. Neben „Die totale Erinnerung – Total Recall“ erwarten uns dieses Jahr noch Filme wie Luc Bessons „Léon – Der Profi“ („Léon“, 1994), Russell Mulcahys „Highlander – Es kann nur einen geben“ („Highlander“, 1986) oder auch John Carpenters „Die Klapperschlange“ („Escape from New York“, 1981) auf der großen Leinwand.

Für die ursprüngliche Vorführung des Films war ich persönlich anno 1990 noch viel zu jung, erinnere mich aber, wie ich als kleiner Steppke auf RTL Plus eine Vorschau des Films im Sommerurlaub sah. Wohlgemerkt als Anschluss an eine Ausstrahlung von Schwarzeneggers Frühwerk „Herkules in New York“ (1969) zur Prime Time. „Die totale Erinnerung – Total Recall“ begleitete mich als Zuschauer, Kinogänger und Filmfan seitdem stets. Zahlreiche Neuveröffentlichungen für die Heimmedien erschienen über die Jahre. Erst vorletztes Jahr wurde eine neue 4k-Restauration in den Handel gebracht. Das Werk allerdings auf der großen Leinwand sehen zu dürfen, ermöglichte sich erst am 01. März 2022; fast 32 Jahre nach dem ursprünglichen deutschen Kinostart am 26. Juli 1990. Dass dies auch noch im Helmstedter Roxy-Kino geschah, welches ich seitdem ich denken kann, besuchen darf, machte dieses Event persönlich zu einer Besonderheit. All die Werke, die man als kleiner Knirps nur über den Kino-Aushang bewundern konnte, erstrahlen nun in einem neuen Glanz auf der Leinwand. Auch wenn man sie zwischenzeitlich in- und auswendig kennt, eröffnet sich dadurch eine vollkommen neue Perspektive auf sie.

Das Roxy-Kino in Helmstedt.
(© Neon-Zombie.net / Foto: Markus Haage)

„Die totale Erinnerung – Total Recall“ verschwendet kaum Zeit. Die eigentliche Exposition der Geschichte ist nach rund zehn Minuten beendet. Die Charaktere und ihre Funktion innerhalb der Storyline etabliert. Danach prescht das Werk unaufhaltsam voran; eine ikonische Szene jagt die nächste, stets von Special-Effects getragen, die aufgrund ihrer Handwerkskunst unglaublich gut gealtert sind. Lediglich wenige Blue-Screen-Szenen verraten sie. Bemerkenswert ist, wie unglaublich viele Details über die Welt des Jahres 2084 elegant in die Handlung nebenbei eingewoben sind, die dem Werk eine gewisse mythologische Tiefe verleiht, ohne von der eigentlichen Geschichte abzulenken. Die bloße Historie des Mars könnte heutzutage Grundlage für eine eigene Serie sein.

Aus heutiger Sicht ist „Die totale Erinnerung – Total Recall“ dennoch nicht frei von Problemen. Interessant ist die Dynamik zwischen den Geschlechtern, die der Film überraschend ausgleichend darstellt. Bei der Integration von Minderheiten tat sich das Werk allerdings enorm schwer. Die negative Darstellung des Charakters Benny (Mel Johnson Jr.) fällt hierbei besonders ins Gewicht. Ein schmieriger, lügender Taxi-Fahrer, der nur zu seinem eigenen Vorteil handelt und letztlich sogar seine eigene Art, die Mars-Mutanten, verrät und hierbei auch den Titelhelden Douglas Quaid (Arnold Schwarzenegger) in einer Actionszene explizit qualvoll ermorden will. Das Problem ist nicht die Figur an sich, sondern leider die simple Tatsache, dass sie den einzigen afroamerikanischen Charakter im gesamten Film darstellt (mit Ausnahme der Sekretärin im Recall-Center) und sich hierbei auch noch zahlreicher negativer Klischees in Sprache, Gestik und Mimik bedient. In der deutschen Synchronfassung wird dies zusätzlich durch eine hysterisch anmutende Stimme verstärkt. „Die totale Erinnerung – Total Recall“ ist eben letztlich auch ein Kind seiner Zeit und ein Produkt seiner Umwelt, das aus einer weißen Mehrheitsgesellschaft entstammt, die für eine mögliche problematische Repräsentation von Minderheiten (wenn wohl aus unwissentlich) noch nicht sensibilisiert war.

Die Sondervorstellung fand regen Zulauf.
(© Neon-Zombie.net / Foto: Markus Haage)

Die technischen Aspekte der Wiederaufführung wurden von einigen Fans in den sozialen Netzwerken kritisiert. Bei der deutschlandweiten Präsentation soll es sich wohl „nur“ um die alte 2k-Restauration gehandelt haben. Insbesondere beim Vorspann fielen digitale Bildfragmente auf, die das Seherlebnis wohl etwas schmälerten. Ob es sich hierbei um die neue oder alte Restauration gehandelt hat, vermag ich nicht zu bestätigen. Das eigentliche Kino-Erlebnis an sich wurde dadurch allerdings nicht nennenswert gemindert (auch wenn es bei zukünftigen Präsentation sicherlich wünschenswert wäre, die bestmögliche Restauration zu zeigen). Mit dem Ertönen von Jerry Goldsmiths Main Theme wurde man dreißig Jahre in die Vergangenheit versetzt. In eine mittlerweile fremd anmutende Filmwelt, die uns aufzeigt, dass mit der Digitalisierung der Tricktechnik, aber auch dem Erfolg des globalen Filmreihen-Events zwar vieles größer, aber nicht alles besser wurde. Eigenwillige, mutige Werke wie „Die totale Erinnerung – Total Recall“ fehlen der heutigen Filmlandschaft. Werke, die über Jahre hinweg in Zusammenarbeit von Meistern ihres Faches – wie etwa William Sandell, Jerry Goldsmith, Rob Bottin, Paul Verhoeven – entstanden und drastische neue Visionen für ein Massenpublikum präsentierten. Nicht frei von Fehlern, aber genau dadurch mit Ecken und Kanten versehen, die das Gesamtwerk erst interessant machen.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!